10.Kapitel

289 11 2
                                    

Vor ungefähr fünf Minuten hat es zum Schulschluss geklingelt. Ich habe mich von Jamina verabschiedet und suche jetzt nach dem Klassenzimmer, in dem ich heute Nachsitzen muss.

Vor einer offenen Tür bleibe ich schließlich stehen und spähe hinein. An der Tafel steht in großen, krakeligen Buchstaben 'Nachsitzen'.
Ein mir unbekannter Lehrer sitzt hinter dem Pult. Seine Beine liegen übereinander gekreuzt auf dem Tisch und er liest eine Zeitung. Er ist nicht der einzige, der im Raum sitzt. Ein paar Tische sind auch schon besetzt von ein paar Schülern, die wie ich auch zum Nachsitzen verdonnert worden sind. Ein paar kenne ich vom sehen, aber den Rest kenne ich nicht.

Zaghaft klopfe ich an die Tür und trete ein. Der Lehrer hat seine Zeitung auf die Knie gelegt und sieht mich mit verschränkten Armen erwartungsvoll entgegen.

"Tschuldigung, ich habe das Klassenzimmer nicht gefunden.", gebe ich beschämt von mir. Doch als er mich etwas ungläubig ansieht, hänge ich sofort hinterher:"Es ist das erste Mal, dass ich Nachsitzen habe."

"Dann such dir einen Platz.", antwortet er mir desinteressiert und widmet sich wieder seiner, bestimmt nicht weniger langweiligeren, Zeitung zu.
Ich schaue mich im Saal um und begebe mich auf den Platz in der dritten Reihe am Fenster.
"Pssst! Hey!", irritiert schaue ich mich um. Ein Junge in der letzten Reihe sieht mich grinsend an und winkt mich zu sich, während er seinen Rucksack vom Stuhl neben sich nimmt.

Nach ein paar Sekunden in denen ich ihn einfach nur verwirrt angeschaut habe und auf der Stelle stand, erinnere ich mich an ihn.
Seine dunkelblonden Haare, die auch jetzt so verstrubbelt vom Kopf stehen, lassen mich an den Jungen von der Party denken. An seinen Namen kann ich mich leider nicht mehr erinnern.

Leicht lächelnd gehe ich auf ihn zu und lasse mich auf den Stuhl neben ihm sinken. "Hey!"
"Na? Wie geht's deinem Handgelenk? Du warst am Samstag plötzlich so schnell weg.", fragt er mich flüsternd sobald ich auf dem Stuhl sitze.

Nach einem Blick auf mein Handgelenk, um das noch immer der weiße Verband liegt antworte ich ihm:"Naja es tut noch weh. Meine beste Freundin hat mir mein Handgelenk verbunden und ja.", erkläre ich ihm und beantworte bewusst seine unausgesprochene Frage nicht, wieso ich so schnell weg war.

Er sieht mich noch einen Moment mit gerunzelter Stirn an, als würde er überlegen warum ich seiner Aufforderung nicht nach gehe und ich ihm erzähle wieso ich so schnell weg war, bevor er nickt und sich wieder seinem Buch zuwendet.

Ein paar Minuten verstreichen und im Klassenzimmer ist es still. Das einzige was manchmal zu hören ist, ist das Rascheln der Zeitung vom Lehrer und das leise Ticken der Uhr.
Ich nutze die Stunde und schreibe meine Englischhausaufgaben für morgen.

"Wieso musst du eigentlich Nachsitzen?", flüstert er mit interessiert zu, ohne von seinem Deutschbuch aufzublicken.
"Hab' heute morgen verschlafen, bin zu spät gekommen und mein Lehrer hat mir nicht geglaubt.", erzähle ich kurz und schüttele den Kopf. "Und du?"
"Hatte mal wieder meine Hausaufgaben nicht gemacht, meiner Lehrerin hat es gereicht und mich somit zum Nachsitzen geschickt."

In der restlichen Stunde haben wir kein Wort mehr untereinander gewechselt. Vor ein paar Minuten hat der Lehrer uns mitgeteilt, dass wir jetzt gehen können.

Mit meiner Schultasche über der Schulter hängend, trete ich aus der Schule und steuere die Bushaltestellen an.
"Warte! Eyy! Bleib mal stehen!" Erst jetzt merke ich, dass ich wohl damit gemeint bin. Blondie kommt auf mich zugejoggt und sieht mich mit einem Zahnpastalächeln an.

"Wir haben uns noch gar nicht einander vorgestellt.", erklärt er und fährt sich einmal durch seine dunkelbraunen Haare.
"Ich bin Kai.", er hält mir seine Hand hin und sieht mich neugierig an.
Nach kurzem Zögern, greife ich nach seiner Hand und antworte ebenfalls lächelnd:"Ich heiße Melodie!"

"Na dann, ich muss jetzt gehen, mein Bus ist da.", verabschiede ich mich von ihm, als ich sehe wie mein Bus auf einer der Haltestellen zum stehen kommt.
"Melodie?" Fragend drehe ich mich wieder zu ihm. "Kann ich noch deine Nummer haben?"
Wortlos nicke ich und nehme sein Handy entgegen, das er mir hinhält.
Ich tippe sie ein und gebe ihm sein Handy wieder, ehe ich ihm noch zuwinke und dann endlich zum Bus gehen kann.

Die Türen des Busses gehen auf, ich sehe nochmal zurück und begegne Kais Blick der mich zu beobachten scheint.
Ich lasse mich auf einen der hinteren Sitze im Bus sinken und krame in meiner Schultasche nach meinen Kopfhörern.
Kurz darauf dringt Shawn Mendes Stimme durch meine Kopfhörer. Meinen Kopf lege ich ans kühle Fenster und schaue nach draußen, wo ein paar Minten später die Bäume vorbei fliegen.

**
772 Wörter
Lied: Shawn Mendes - Treat Your Better

Mr.Black & Ms.WhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt