44.Kapitel

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Merokey

Merokey

Die drei Schüsse die kurz darauf fallen lassen jeden im Raum erschrocken zusammenzucken. Ein Schrei zerreißt die Luft. Kai der neben mir steht, zischt einmal kurz auf, als sein Blick nach vorne fliegt.
Auch ich blicke nach vorne und sehe gerade noch wie Nelly schmerzvoll schreiend zu Boden geht. Scheiße!

"Melodie!", schreit Pearl plötzlich panisch auf und stürzt nach vorne. Dann endlich kommt Leben in mich und mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Nein, nein, nein!
Meine Beine bewegen sich wie von selber nach vorne und lassen mich bei Mel angekommen, auf die Knie fallen. In ihrem Gesicht steht der Schmerz. Nach der Ursache suchend wandert mein Blick ihren Körper entlang und bleibt an einer klaffenden Wunde an ihrem Oberschenkel stehen. Mit zitternden Händen drücke ich meine Hände auf die, bereits blutverschmierten Hände von Pearl, die auch schon auf Melodies Wunde drücken.

Tränen fließen in Sturzbächen über ihr wunderschönes Gesicht. "Nein, bitte! Melodie.", wiederhole ich immer wieder.

"Sie muss in ein Krankenhaus!", ruft Djemil und kommt auf uns zu. "Es waren drei Schüsse! Zwei haben Nelly getroffen, ihr müsst ihr helfen.", bringt Melodie mit brüchiger Stimme leise hervor. "Ach Schatz, jetzt schau ein Mal fürs erste nach dir, ehe du nach den anderen schaust!", flüstert Pearl halb lachend und halb schluchzend und streichelt Melodie eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Tränen kullern weiter über ihre Wangen.
"Keine Sorge, Mel! Du wirst das Schaffen!", flüstert Pearl und wischt die Tränen von ihren eigenen Wangen, ehe sie wieder zu ihrer weinenden und blutenden Freundin sieht.

"Du musst! Hast du kapiert! Du lässt mich nicht in dieser Dreckswelt alleine! Hörst du? Das darfst du nicht! Ich habe dich doch gerade erst kennengelernt!", die ganze Hose von Melodie ist schon mit ihrem Blut durchtränkt, genauso wie Pearls und meine Hände, die weiter auf die Schusswunde drücken.

Cinthya kommt auf uns zu geeilt, mit einem kleinen Koffer und streift sich gerade einen weißen Latexhandschuh über die Hand. Ich möchte ihre Hände schon wegschlagen, doch sie widerspricht mir. "Die Kugel muss vorher raus! Ihr müsst euch eine Ausrede einfallen lassen! Die Wunde am Arm habe ich versorgt und sollte soweit in Ordnung sein!"

Cinthya nimmt die Schere und schneidet Mels Jogginghose an der Wunde auf, dann nimmt sie eine kleine Flasche mit einer rosa Flüssigkeit. "Ich muss die Wunde desinfizieren, brennt jetzt, aber wir haben keine Zeit für den Alkohol!", spricht sie zu Mel, diese nickt einfach nur tapfer und schließt ihre Augen. "Mach's einfach!", dann schreit sie schmerzvoll auf, und fängt an etwas schneller zu atmen. Cinthya tupft das Blut etwas weg, und greift nach einer Pinzette um die Kugel raus zu nehmen.
Nach ein paar endlos scheinenden Minuten, in denen Cinthya mehrmals Nelly und diese verdammte Kugel verflucht hat und Melodie mehrmals markerschütternd aufgeschrien hat, hält sie die kleine Patrone zwischen den Finger.
"Los beeilt euch jetzt!", hetzt sie uns.

"Wir kümmern uns um Nelly! Sie würde es vielleicht nicht mehr in ein Krankenhaus schaffen. Danach liefern wir sie den Bullen aus oder so. Schafft Melodie weg von hier! Schnell!", weist Ruan und zeigt auf die Garagentür, die er gerade öffnet. Damon kommt mit einem Tuch auf uns zu und knetet es fest um Melodies verletzten Oberschenkel.

Ich hebe Mel hoch, lege einen Arm unter ihre Kniekehlen und versuche ihr so wenig wie möglich weh zu tun, während ich den anderen Arm unter ihren Rücken lege. Schnellen Schrittes verlassen wir die Fabrik und laufen auf unsere Autos zu. Kai setzt sich hektisch ans Steuer, Pearl auf den Beifahrersitz und ich setze mich mit Mel auf die Hinterbank. Paolo und die anderen nehmen das andere Auto.

Fest drückt Kai das Gaspedal nach unten und schießt nach vorne. "Merokey? Wenn ich es nicht...sagst du meiner Mutter, dass es mir leid tut? Und, dass ich sie trotz allem lieb' habe?", flüsternd und unter Schmerzen wimmernd vertraut sie mir ihren Wunsch an, doch ich schüttele nur meinen Kopf. Ich nehme ihre Hände in die meinen, drücke ihr einen Kuss auf den Handrücken und drücke sie ermutigend.

"Nein, Mel! Du wirst ihr das selbst sagen! Du wirst das schaffen! Keine Angst, du bist stark, viel stärker als du vielleicht glaubst oder dir zutraust, aber du wirst das schaffen, das hier ist nicht das Ende! Wir müssen doch noch so viel zusammen erleben! Ich muss dich doch noch auf ein Date einladen!", spreche ich ihr Mut zu, während mir selbst heiße Tränen über die Wange rinnt.

Kurz sieht sie mich etwas überrascht an. Dann lächelt sie leicht und haucht:"Ich glaube, der Blutverlust ist meinem Körper nicht gut bekommen....", dann fallen ihre Augen zu. Panisch rüttele ich an ihr und schlage ihr leicht auf die bereits geröteten Wangen.

"Los Kai! Mach schneller!", schnauze ich meinen besten Freund panisch an. Kai lässt meine Wörter unkommentiert, fährt dennoch schneller.

Mit quietschenden Reifen kommt der Wagen endlich vor einem Krankenhaus zum Stehen. Pearl ist die Erste, die rausspringt und nach Ärzten und Krankenschwestern ruft. Ich hebe mein bewusstloses Mädchen aus dem Auto und laufe auf den Eingang zu. Sobald ich eintrete, kommen auch schon zwei Krankenschwester mit einem Krankenbett zu uns geeilt. Ich lege Melodie vorsichtig auf das Bett.

Während die eine Krankenschwester Melodie durch eine große Tür schiebt, worauf 'Notfall' steht, zückt die andere einen Stift und sieht uns drei verbleibenden forschend an. "Kennen Sie das junge Mädchen?", fragt sie zuerst.
"Ja, sie ist meine Cousine! Sie heißt Melodie White. Das sind meine Freunde!", greift Pearl die Situation sofort auf. Ich bin ihr in diesem Augenblick so dankbar, weil ich an nichts anderes denken kann, als an das Mädchen das ich liebe, und jetzt durch diese Tür verschwunden ist. Ja, ich liebe Melodie, so sehr, dass ich nicht zulassen kann, dass sie jetzt nicht mehr lebend hier rauskommt. Es gibt noch so unglaublich viel, was ich ihr noch sagen und mit ihr erleben muss und will.
"Können sie mir erklären, was mit ihr passiert ist?", fragt sie weiter und kritzelt was auf ihr Klemmbrett. "Sie hatte einen Unfall!", bleibt Pearl vage.
Die Frau setzt an noch etwas zu sagen, wird aber unterbrochen. "Schwester Ilbron? Sie werden im OP gebraucht! Saal 6!", spricht die Stimme aus ihrem kleinen grauen Mikro, der in der kleinen Tasche an ihrem Oberteil befestigt ist.

Mit einem letzten Blick auf uns sagt sie:"Sie können sich ins Wartezimmer setzen! Bei weiteren Neuigkeiten werden wir Sie informieren.", dann rauscht sie davon.

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986 Wörter
Lied: Frances-Topic - Cry Like Me

Mr.Black & Ms.WhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt