Kapitel 3

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Lya buk gerade Brot als Tyr herein kam.

"Seit wann betrittst du die Küche?", fragte sie und schob schnell noch eine Ladung Brötchen in den Ofen.

"Wo ist die Köchin?", fragte er anstelle einer Antwort.

Verwundert drehte sich Lya zu Tyr um.

"Heute ist Sonntag. Die Bediensteten sind heute alle bei ihren Familien", erklärte sie ihm.

Tyr hätte am liebsten geflucht. Deshalb hatte sein Vater ihn heute zum Wachdienst des Jungen eingetragen. Er wusste genau, dass nur Lya heute in der Küche war und ihm das Essen geben musste.

"Ich brauch einen Teller Essen."

Lya sah ihn wissend an.

"Du bringst ihn zu dem Jungen."

Tyr nickte nur.

"Er ist unten im Kerker eingesperrt oder?", fragte sie zaghaft.

Lya hoffte das dem nicht so war. Aber ihre Hoffnung war illusorisch. Das bestätigte Tyr.

"Kann ich ihm sein Essen bringen?"

Bittend sah sie Tyr an.

"Nein."

Kurz und knapp war seine Antwort.

"Den Menschen ist es verboten, ihn zu besuchen."

"Was hat er denn getan? Weshalb muss er eingesperrt werden?"

Tyr zog sie zu sich.

"Ich darf dir nichts sagen Lya."

Lya umschlang ihn mit beiden Armen.

"Ich weiß. Aber ich würde mich an seiner Stelle schrecklich fürchten."

Sie erschauderte bei dem Gedanken in einer fremden Burg bei fremden Leuten eingesperrt zu sein. Tyr strich Lya übers Haar, was sie mal wieder offen trug und kämpfte gegen das Verlangen an keinen Schritt mehr von ihrer Seite zu weichen. Schließlich löste er sich von ihr.

"Ich hab Wachdienst und kann nicht so lange bleiben", murmelte er mit rauer Stimme.

"Du musst nochmal wieder kommen, wenn die Brötchen fertig sind. Im Moment habe ich noch nichts zum mitgeben."

Lya sah hoch und verfing sich in seinem verhangenen Blick. Unwillkürlich reckte sie sich ihm mehr entgegen.

"Lya wenn du mich weiter so bittend anschaust, kann ich für nichts mehr garantieren."

Tyrs Stimme war ihr so vertraut und doch klang er etwas anders.

"Vielleicht will ich das gar nicht", flüsterte Lya zurück und wunderte sich für einen Moment wie heiser sie klang.

Tyr strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

"In einer halben Stunde komme ich wieder."

Dann verschwand er so lautlos wie er gekommen war. Lya taumelte leicht und ließ sich erstmal auf einen Stuhl sinken. Ihre Wangen glühten und sie bezweifelte, dass das an dem Ofen hinter ihr lag. Für einen Moment starrte sie verträumt ins Leere. Dann fing sie sich wieder und stand auf um weitere Brötchen zu formen. Unweigerlich dachte sie an den Jungen. Die Gedanken wirkten wie ein kalter Wasserguss. Sie betrachtete nachdenklich den Brotteig in ihrer Hand als ihr eine Idee kam.

Nach einer halben Stunde betrat Tyr erneut die Küche. Diesmal war Lya vorbereitet und schob ihm den Teller hin. Tyr nickte dankend, nahm den Teller und wollte schon wieder gehen, da hielt Lya ihn auf.

"Warte, das Besteck fehlt noch."

Tyr schüttelte abwehrend den Kopf.

"Nichts Waffenähnliches darf zu dem Jungen gelangen."

Lya schüttelte ungläubig den Kopf, steckte das Besteck aber wieder weg. Der Junge wurde wie eine Bedrohung behandelt. Dabei war er vermutlich nur ein Kind, das gerade entsetzliche Ängste ausstand. Verstohlen warf sie noch einen Blick auf das Brötchen, nur um schnell weg zu sehen, als Tyr sie fragend ansah. Eilig schnappte sie sich einen Lappen und begann den Tisch vom Mehl zu befreien. Tyr sah Lya einen Moment misstrauisch an. Ihre Wangen waren gerötet, sie wich seinem Blick aus und war das Tinte an ihren Fingern? Menschen auf der Burg war es verboten Schreiben und Lesen zu lernen. Tyr hatte es Lya trotzdem heimlich beigebracht. Er hoffte, sie hatte nichts Unüberlegtes getan.

"Ich komm nach meiner Schicht wieder. Ich erwarte, dass du mir alles erzählst. Und wasch dir die Finger", sagte Tyr kühl und verließ den Raum.

Lya stöhnte auf und begann ihre Hände zu schrubben. Sie hatte noch nie etwas vor Tyr geheim halten können. Generell fühlte sie sich immer äußerst unwohl beim Lügen. Seufzend überlegte sie sich schon mal eine gute Erklärung für nachher.

Tyr indessen betrat den Kerker und sah zu dem Jungen. Er saß still in einer Ecke und hatte den Kopf in seinen Armen vergraben. Tyr schloss die Zellentür auf und schob den Teller rein. Der Junge regte sich nicht. Tyr schloss die Zellentür wieder zu und bezog Stellung einige Meter weiter im Gang. Nach ein paar Minuten hörte er ein Schaben. Ein kurzer Blick bestätigte ihm, dass der Junge den Teller zu sich gezogen hatte.

Er war misstrauisch gegenüber den Wolfsmenschen. Beim letzten Mal hatte er einen Teller mit etwas Ungenießbarem bekommen, das ihn hatte würgen lassen. Er hatte sich eigentlich geschworen kein Essen mehr anzunehmen. Aber er saß schon seit einer gefühlten Ewigkeit hier und sein Magen schmerzte vor Hunger. Er wusste nicht wann sein Vater und Zach kommen würden, um ihn zu retten. Also nahm er den Teller und hockte sich wieder in seine Ecke. Der Wolfsmensch hatte sich nicht bewegt, sondern stand ruhig weiter im Gang.

Ruben wusste nicht, was er davon halten sollte. Zum Einen war er froh, dass der Wolfsmensch ihn in Ruhe ließ, andererseits war er auch irgendwie unheimlich wie er da schweigend und unbeweglich stand. Vorsichtig kaute Ruben auf der Wurst und beobachtete den Wolfsmenschen aus dem Augenwinkel. Er brach sich etwas von dem Brötchen ab und hätte fast gestöhnt. Es war innen noch lauwarm und musste gerade erst frisch gebacken worden sein. Schnell riss er das nächstes Stück ab und schob es sich in den Mund als er stutzte. Was war denn das? Nach einem prüfenden Blick zurück zu dem Wolfsmenschen, der ihm versicherte, dass er immer noch stur nach vorne schaute, zog er das Stück Papier aus dem Inneren des Brotes und strich es glatt. Die Buchstaben darauf waren krakelig und sahen ein bisschen aus wie seine, wenn er schrieb. Angestrengt begann er zu lesen.

Hallo,
vermutlich wunderst du dich einen Brief im Brötchen zu finden. Aber ich hab keine andere Möglichkeit an dich heranzukommen und wollte unbedingt mit dir reden. Meinen Namen kann ich dir nicht nennen, aber der Wolfsmensch, der dich gerade bewacht heißt Tyr. Er ist einer von den Guten und solltest du irgendein Problem haben, kannst du dich ihm anvertrauen. Auch wenn er abweisend ist, bin ich sicher, dass er niemals dein Vertrauen missbrauchen würde. Hab keine Angst, bestimmt wirst du schon bald wieder befreit werden.

Eine knurrende Stimme ließ ihn zusammen fahren.

"Was zum Teufel hast du da?"

Spiel der Wölfe Tyr & LyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt