Kapitel 28

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Gerade als sie aus der Zelle traten, hörten sie wie die Tür zum Kerker geöffnet wurde. Tyr fluchte und schob Lya hinter sich. Schritte auf der Treppe ertönten. Alastor bog um die Ecke und stoppte als er seinen Sohn und Lya außerhalb der Zelle sah.

"Nun, sieht so aus als käme ich zu spät", sagte er trocken.

"Ich werde nicht zulassen, dass sie Lya und mich töten", stellte Tyr klar.

"Das du den Willen hast, war mir bewusst", erwiderte Alastor, "aber nicht, dass du auch fähig dazu bist."

Das war das größte Kompliment, was Alastor seinem Sohn jemals gemacht hatte.

"Folgt mir", befahl Alastor, trat näher, an ihnen vorbei und tiefer in den Kerker hinein.

"Warum sollten wir das tun?", fragte Tyr misstrauisch.

Lya legte eine Hand auf seinen Arm.

"Tyr, ich glaube er möchte uns helfen zu fliehen?"

Sie spürte seine Anspannung.

"Warum sollte er das tun?"

"Weil ich ein Narr war glauben zu können, das Leben meines Sohnes würde mir nichts bedeuten", erwiderte Alastor an Lyas Stelle.

Das verblüffte Tyr.

"Das ist rührend, macht dich aber zu einem Verräter", sagte eine Stimme hinter ihnen.

Lya fuhr herum. Die Nichte von Lady Ylva und Lord Amon stand am Ende der Treppe. Tyr wechselte sofort die Position mit Lya. Anscheinend war sein Vater momentan die kleinere Bedrohung.

"Ich hatte mich schon gefragt, wer mir folgt."

Alastor klang gleichmütig. Er trat neben Tyr.

"Was willst du nun tun, Mädchen?"

"Eure Loyalität zu eurem Sohn ehrt euch", fuhr sie fort als hätte sie ihn nicht gehört, "aber er hat sich mit den Menschen eingelassen, mit Rebellen, welche uns töten. Kannst du das wirklich mit deinem Gewissen vereinbaren?"

Alastor zuckte mit den Schultern.

"Wir haben damit begonnen die Menschen zu vernichten und unterdrücken."

In ihrer Miene spiegelte sich Zorn.

"Es ist egal, wer angefangen hat. Wichtig ist nur auf welcher Seite du jetzt stehst."

"Wenn das deine Meinung ist..." Alsastor trat vor. "...dann zeig wie du uns aufhalten willst."

Ohne zu zögern stürmte Aria los. Kurz bevor sie Alastor erreichte, sprang sie in die Höhe und warf einen Dolch.

"Achtung", rief Alastor.

Tyr warf sich auf Lya. Der Dolch fuhr ihm in die Schulter.

"Tyr", schrie Lya erschrocken auf.

Ohne sich die Schmerzen anmerken zu lassen, sprang Tyr wieder auf die Füße und zog Lya mit sich weiter in den Kerker hinein.

"Was machst du?", fragte Lya erschrocken. "Dein Vater..."

"Bekommt das besser hin, wenn wir nicht in der Schussbahn stehen", unterbrach Tyr sie.

Also ließ Lya sich von ihm ins Dunkle ziehen.

Aria landete vor Alastor und ließ einen weiteren Dolch vorschnellen. Alastor riss den Kopf zurück, der Dolch streifte seine Wange nur. Er blockte ihre andere Hand, welche ebenfalls mit einem Dolch bewaffnet war. Er umschloss ihr Handgelenk, zog sie nach vorn und riss ihr mit einem Tritt die Beine weg. Aria knallte auf den Boden, verdrehte ihr Handgelenk so, dass Alastor sie loslassen musste und sprang wieder auf die Füße. Ohne innezuhalten griff sie wieder an. Die Dolche machten das ganze zu einer schwierigen Angelegenheit. Alastor wollte sie nicht töten, nur aufhalten. Aria schleuderte einen Dolch. Alastor wich ohne Probleme aus. Dann war Aria vor ihm und stieß den dritten Dolch vor. Alastor umfasste ihre Hand und entwendete ihr den Dolch. Er war so schnell, dass Aria überrascht war. Sie hätte ihn nicht so schnell eingeschätzt. Nun war sie unbewaffnet. Sie rammte Alastor den Ellenbogen in den Bauch, so hart, dass ihm für einen Moment die Luft wegblieb. Sie nutzte seine Atemlosigkeit, riss ihre Faust hoch und wurde von seiner zweiten Hand abgefangen. Mit Schwung drehte er sich und warf Aria über seine Schulter. Der Aufprall trieb ihr die Luft aus der Lunge. Dann war er über ihr, fing ihre Hände ein und legte die andere Hand an ihre Kehle. Er hatte nur mit ihr gespielt, sich zurück gehalten. Er hätte sie jederzeit überwältigen können. Während Aria keuchend nach Luft schnappte, war er nicht einmal außer Atem.

"Du hattest deinen Kampf, Mädchen. Bist du nun zufrieden?"

Alastor war ganz ruhig.

"Nein", fauchte Aria. "Du bist ein Verräter, verdienst deine Stellung nicht."

"Du bist gut im Kampf", stellte Alastor fest, "aber noch nicht gut genug, um mich abzulösen."

Er drückte ihr die Luft ab. Aria begann sich zu wehren. Als er nicht locker ließ, wurde sie panisch, ihre Bewegungen immer hektischer. Nach ungefähr acht Sekunden schlossen sich ihre Augen flatternd. Alastor wartete sicherheitshalber noch zwei weitere Sekunden. Dann löste er seinen Griff. Er stand auf, hob die bewusslose Aria hoch und legte sie in eine Zelle. In zehn bis zwanzig Sekunden würde sie wieder zu sich kommen. Er schloss die Zellentür ab und folgte dann seinem Sohn. Sie warteten außerhalb seiner Sichtweite. Tyr war erleichtert als sein Vater unversehrt zu ihm trat.

"Was nun?", fragte Lya und trat hinter Tyr hervor.

"Nun folgt ihr einfach dem Gang und werdet außerhalb der Burg wieder rauskommen", erklärte Alastor.

Lya runzelte die Stirn.

"Wie kann das sein. Die Gefangenen..."

"...würden niemals tiefer in den Kerker gehen, wenn sie fliehen wollten", erkannte Tyr.

Alastor nickte.

"Wollt ihr nicht mit uns kommen?", fragte Lya Alastor und überraschte damit nicht nur ihn sondern auch Tyr.

"Ihr hast uns geholfen zu fliehen. Das werden Lady Ylva und Lord Amon nicht vergeben."

Alastor schüttelte den Kopf.

"Nein Lya, da wo ihr hingeht ist kein Platz für mich. Außerdem muss ich hier bleiben, um von Innen eine Veränderung zu bewirken. Nur Aria weiß, dass ich euch geholfen habe. Ihr Wort wird gegen meines stehen. Balan hat mich ebend erst herausgefordert. Er kann nicht mein Nachfolger werden, sollte ich hingerichtet werden. Aria weiß, dass auch sie nicht gewinnen würde. Ich denke die Chancen stehen gut, dass sie sich genau überlegen wird, was sie verrät."

Tyr hätte nie gedacht, dass sein Vater hinter ihm stehen würde. Aber so war es und nun fiel der Abschied umso schwerer. Auch Lya verstand Alastors Beweggründe.

"Dann wünsche ich euch viel Glück bei der Veränderung, die ihr hier bewirken wollt."

"Pass auf meinen Sohn auf, Mädchen", erwiderte Alastor.

"Das mach ich", versprach Lya.

"Leb wohl, Vater", sagte Tyr mit rauer Stimme.

"Ich bin stolz auf dich, Tyr. Vergib mir meine Ignoranz, die dich verletzt hat."

Tyr hatte sich sein ganzes Leben lang nach diesen Worten gesehnt.

"Mach dir keine Vorwürfe. Ich bin dadurch stark geworden."

Und das stimmte. Tyr trat vor und umarmte seinen Vater kurz. Dann drehte er sich um, nahm Lyas Hand und führte sie sicher durch die Dunkelheit. Alastor wartete bis sie nicht mehr zu sehen waren.

"So viel stärker als je einer geahnt hätte", murmelte er dann, drehte sich ebenfalls um und ging.

Spiel der Wölfe Tyr & LyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt