Kapitel 25

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Tyr starrte auf die Tür, vor der zwei Wachen standen. Sie waren da, um ihn aufzuhalten sollte er versuchen auszubrechen. Seit ein paar Tagen war er vom Heiler angewiesen sich langsam wieder zu bewegen, um seine Muskeln aufzubauen. Dafür hatte man ihm die Fesseln abgenommen. Er wusste, dass vor der Tür noch zwei weitere Wachen standen. Das und seine Verfassung machten es ihm momentan unmöglich auszubrechen. Aber er war stark versucht, es gegen alle Wahrscheinlichkeit zu versuchen.

Seit Balan ihm erzählt hatte, was er Lya angetan hatte. Tyr hätte gern geglaubt, dass er nur bluffte. Aber dafür war sein Lächeln zu hämisch gewesen. Drei Wolfsmenschen hatten ihn davon abhalten müssen, sich auf Balan zu stürzen. Seine Wunde hatte es ihm nicht gedankt. Der Arzt war deutlich gewesen. Noch so eine Aktion konnte tödlich für ihn enden. Damit wäre Lya auch nicht geholfen.

Seit diesem Vorfall hatte Tyr Balan nicht mehr gesehen. Zum Glück. Er wusste nicht ob er sich beherrschen könnte, wenn Balan wieder vor seine Augen trat. Die Tür öffnete sich. Ein menschlicher Diener trat in den Raum und brachte ihm seine tägliche Mahlzeit. Tyr wusste, dass seine Schonzeit schon bald vorbei sein würde. Dann würden sie ihn, auch gegen den ärztlichen Rat, in die Mangel nehmen. Bevor das passierte, musste er irgendwie mit Lya fliehen. Er sah zu wie der Diener das Tablett abstellte und wieder aus dem Raum ging. Tyr zog das Essen vom Bettende zu sich. Wie immer eine karge Mahlzeit, etwas Suppe und ein Brot. Aber besser als nichts. Er begann zu essen, zupfte etwas vom Brot ab und tunkte es in die Suppe.

Kurz stockte er. Dann aß er weiter in dem Wissen, dass er beobachtet wurde. Lya hatte es doch tatsächlich geschafft ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. In einem unbeobachteten Moment zog er das Stück Papier raus und ließ es in seinen Ärmel gleiten. Dann aß er den Rest auf. Als er fertig war, stand er auf und ging zu dem kleinen vergitterten Fenster im Raum. Die Wachen kannten dieses Verhalten von ihm und würden nicht misstrauisch werden. Das beste allerdings war, dass er nun mit dem Rücken zu ihnen stand. Unauffällig hollte er das Stück Papier hervor. Schnell überflog er die Zeilen.

Tyr, es geht mir gut. Hör nicht auf Balan. Du musst schnell wieder gesund werden, damit wir fliehen können. Ich versuche mir etwas zu überlegen. Wir geben nicht auf.
Lya

Seine Lya. Sie war stärker als alle glaubten und da schloss Tyr sich selbst mit ein. Er steckte den Zettel wieder ein und sah nach draußen. Er wusste nicht genau, was sie vorhatte, aber nun war er gewarnt. Lya war stark geblieben. Sie würden einen Weg aus dieser Lage finden. Er war bereit.

Lya wusste nicht, ob Tyr ihre Nachricht erhalten hatte. Aber da auch keine Wache kam, um sie zu holen, war sie auch nicht aufgeflogen. Sie sah zu Ritha, die neben ihr konzentriert arbeitete. Beide bereiteten sie ein Festmahl vor, das größer war als sonst. Die Herren der Burg erwarteten Besuch, da musste alles so imposant wie möglich sein. Obwohl Lyas Rücken immer noch schmerzte, hatte sie sich nicht davon abhalten lassen, mitzuhelfen. So wie es aussah, wurde eine ganze Armee erwartet. Ein Gutes hatte die ganze Sache aber, Lya durfte in der Küche bleiben und musste nicht servieren. Das stand schon fest, obwohl die Gäste noch nicht einmal eingetroffen waren.

Als Ritha sie bat in den Hof zu gehen, um frische Kräuter zu holen, stimmte Lya erleichtert zu. Denn obwohl sie froh war heute Abend in der Küche bleiben zu können, war es dort momentan so hektisch, dass Lya sich gerne kurz zurück zog. Sie eilte die Stufen der Burg herunter. Im Burghof musste sie nicht weit gehen, um zum Kräutergarten zu gelangen. Sie pflückte das von Ritha gewünschte und wollte sich gerade auf den Rückweg machen als die Erde bebte. Lya hielt inne, nicht sicher wie sie die Vibration des Bodens einordnen sollte. Dann hörte sie ein seltsames Geräusch. Es hörte sich an als würde eine Herde Pferde auf sie zugaloppieren. Das Burgtor wurde aufgestoßen und Lya stolperte unwillkürlich zurück als Reiter im vollen Tempo auf den Hof galloppierten.

Immer weiter drängten sie voran. So viele Reiter hatte Lya noch nie gesehen. Jetzt wusste sie, warum Lady Ylva und Lord Amon so ein großes Festmahl haben wollten. Die Pferde waren allesamt kräftig gebaut. Lya wollte sich keins von ihnen nähern aus Angst zertrampelt zu werden. Obwohl sie etwas von ihnen entfernt stand, spürte sie die geballte Energie, die von ihnen ausging. Die Wolfsmenschen auf den Pferden sahen nicht weniger kriegerisch als ihre Tiere aus. Lya schluckte schwer und hoffte, dass sie nicht entdeckt wurde. Ihre Aufmerksamkamkeit wurde auf den vordersten Reiter gelenkt. Das Pferd war eindeutig das prächtigste von allen. Pechschwarzes Fell, das im Licht der Abendsonne glänzte. Es tänzelte nervös und stieg kurz mit einem lauten Wiehern. Der Reiter saß fest im Sattel als wäre er an die Gebaren des Pferdes gewöhnt. Er trug eine Art Kriegshelm.

Als sein Tier wieder mit allen vier Beinen auf den Boden stand, nahm er ihn vom Kopf. Lya stockte der Atem. Ebenso ebenholzschwarze Haare kamen zum Vorschein. Wild fielen sie den Rücken herunter. Der Reiter drehte den Kopf und sah sich um. Blaue Augen und hohe Wangenknochen verliehen dem Gesicht etwas ästhetisches. Es war eine Frau. Die schönste Frau, die Lya je gesehen hatte. Die Tür der Burg öffnete sich. Lady Ylva und Lord Amon traten heraus. Die Frau auf den Pferd schwang ein Bein über dessen Rücken und stieg ab. Auf ihr Zeichen hin taten das auch die Reiter, welche sie begleitet hatten. Sie ließ ihr Pferd stehen und ging die Stufen hinauf zu den Burgherren. Ihr Schritt war fest und bedacht. Lya kannte ihn von Tyr. So ging nur jemand der zu jeder Zeit wachsam war, bereit für den Kampf. Vor den Burgherren blieb die Frau stehen.

"Aria, wie schön, dass du da bist. Ich hoffe die Reise ist gut verlaufen."

Lady Ylvas Ton war höchstens frostig zu nennen.

"Sie verlief problemlos. Danke der Nachfrage, Tante Ylva und auch für eure Gastfreundschaft, die ihr mir und einem Teil meiner Truppe gewährt."

Lya blieb die Luft weg. Diese Frau sollte Lady Ylvas Nichte sein?

Spiel der Wölfe Tyr & LyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt