Gerade noch rechtzeitig blockte sie Balans Hand mit dem Messer ab und stolperte dabei nach hinten. Sie spürte die Zinnen im Rücken. Brüllend sprang Tyr auf und wurde von seinen Wachen zurück gezogen. Der Soldat, welcher sie bewachen sollte, war zu verblüfft um einzugreifen. Balan stieß sie noch weiter zurück bis sie mit dem Rücken über die Zinnen rutschte. Halb hing sie schon über dem Abgrund. Das Messer hatte Balan ihr so an die Kehle gesetzt, dass sie sich nicht wehren konnte. Todesangst erfasste Lya und sie umklammerte krampfhaft Balans Handgelenk. Er grinste siegessicher. Aus dieser Höhe würde sie den Sturz nicht überleben. Ihr blieb nur ein Ausweg. Sie stieß sich mit den Füßen ab und fiel über die Zinnen. Ihr Schrei vermischte sich mit Tyrs. Sie riss Balan mit ihrem Schwung mit. Dieser warf sich mit seinem Gewicht sofort nach hinten. Entsetzen zeichnete sein Gesicht. Für einen Moment schwebte Lya über den Abgrund. Dann schleuderte Balan sie durch seinen Schwung über die Zinnen zurück auf den Platz. Kurz blieb Lya die Luft weg so hart kam sie auf. Alle Luft wurde aus ihren Lungen gepresst. Ihr wurde schwarz vor Augen. Dann sog sie heftig keuchend Luft ein. Ihr Rücken, der sich noch nicht von ihrer Bestrafung erholt hatte, brannte wie Feuer. Tyr war plötzlich bei ihr und half ihr sich aufzurichten. Irgendwie musste er sich von den Wachen losgerissen haben.
"Lya..."
Tyrs Stimme brach, aber in diesem einem Wort steckten so viele Gefühle, dass es Lyas Herz zusammen zog. Lya streckte immer noch atemlos die Hand nach Tyr aus. Er verstand sofort und zog sie fest an sich. Erst in Tyrs Umarmung hörte das Zittern auf, von dem Lya nicht einmal bemerkt hatte, dass es sie erfasst hatte.
"Komm nicht näher", knurrte Tyr auf einmal.
Er stand auf. Lya ließ sich von ihm mit hochziehen. Tyr stellte sich seitlich vor sie. Balan hatte sich wieder aufgerappelt. Drohend war er näher gekommen. Jetzt lächelte er nur höhnisch auf Tyrs Worte hin und verlangsamte seine Schritte nicht. Alastor trat ihm in den Weg. Balan stoppte abrupt.
"Keinen Schritt weiter, Balan. Du hast schon genug angerichtet."
Seine Stimme war ruhig, aber beherrscht, was Balans Zorn nur verschärfte.
"Du bist ein Verräter. Stellst dich auf die Seite der Menschen. Dafür solltest du bestraft werden."
Alastor schüttelte den Kopf.
"Ich habe niemanden verraten. Ich lasse mich nur nicht von meinen Gefühlen beherrschen."
"Du hast dich vor deinen Sohn gestellt und wagst es zu sagen, dass es nicht aus Gefühlen geschah."
Kühl verzog Alastor seine Lippen zu einem Lächeln.
"Das wage ich und wenn du mir weiterhin solche Vorwürfe machst, habe ich das Recht dich zu bestrafen."
Er starrte Balan nieder.
"An deiner Stelle würde ich mir ganz genau überlegen, was du sagst."
Diese Worte ließen Balan sich zurück ziehen.
"Es reicht nun", mischte sich Lady Ylva nun mit scharfer Stimme ein.
Bis ebend hatten sie und Lord Amon unbeteiligt an der Seite gestanden und zugeschaut.
"Balan du hast gekämpft und verloren, zweimal. Hör auf dich in den Vordergrund zu spielen. Alastor, was deinen Welpen und das Mädchen betrifft, machen sie zu viel ärger als nützlich zu sein. Wir werden die Rebellen auch ohne ihre Hilfe vernichten können. Bring sie um. Kein öffentlicher Prozess. Das ist beim letzten Mal schief gegangen. Einfach und schnell, verstanden?"
Alastor hatte sich zu ihnen umgewandt und nickte nun.
"Ich werde euren Befehl befolgen."
Er gab zwei Wachen ein Zeichen. Sie traten daraufhin neben Tyr und Lya. Lya spürte wie Tyr sich anspannte. Aber die Wachen berührten sie nicht, sondern führten sie nur unter Aufsicht ab. Bei der Treppe zwang Tyr Lya schräg vor ihm zu gehen, damit er die zwei Wolfsmenschen im Rücken hatte. Alastor folgte ihnen zum Schluss. Sie wurden die Treppe hinunter durch den Langen Flur und noch eine Treppe hinunter in die Eingangshalle gebracht. Eine Wache stieß die schwere Flügeltür auf. Sie gingen über den Hof zum steinernen Nebengebäude. Sie traten in den dunklen Gang. Wieder ging es nach unten. Nur einzelne Fackeln und schmale Fenster mit Gittern versehen erhellten den Weg. Sie wurden in eine Zelle gestoßen. Mit einem lauten Quietschen schloss sich die Tür.
"Vater", stieß Tyr hervor und wandte sich um. "Du musst zumindest Lya helfen zu entkommen. Ich bitte dich..."
"Nein, mein Sohn", unterbrach Alastor ihn, "ich kann euch nicht helfen. Bereitet euch auf euren Fortgang vor. Nutzt die Zeit, die euch verbleibt."
Er wandte sich zu den Wachen.
"Einer von euch bewacht sie. Ich werde am späten Abend wieder kommen, um ihr Leben zu beenden."
Die Wachen nickten und Alastor verließ den Kerker. Kurz diskutierten die Wachen, wer unten bleiben würde.
"Was sollte das denn schon wieder?", zischte Lya und funkelte Tyr wütend an.
"Ich werde nicht ohne dich..."
"Mach dich bereit", fiel Tyr ihr flüsternd ins Wort.
Er schob einen entschuldigenden Blick hinterher als Lya ihn mit erstaunten Augen ansah.
"Wir müssen die Wache nahe an die Zellentür locken", murmelte Tyr.
Dann verstummte er. Die Wachen hatten sich geeinigt. Eine verließ den Kerker. Die andere stellte sich mit den Rücken zu ihnen auf.
"Tyr? Glaubst du sie meinen das ernst?", fragte Lya ihn plötzlich mit hoher lauter Stimme.
Für einen Moment war er verwirrt. Lya sah ihn eindringlich an.
"Es tut mir leid", setzte er in ihr Schauspiel ein, "ich wünschte ich könnte dir das ersparen. Ich konnte dich nicht beschützen, ich..."
Tyrs Stimme brach und Lya hörte die echten Gefühle und Selbstvorwürfe in seinen Worten. Sie streckte eine Hand aus und strich ihm tröstend über die Wange.
"Aber das können sie doch nicht machen?", rief sie mit panischer Stimme. "Tyr, du musst etwas tun. Ich habe doch noch gar nicht richtig gelebt. Ich wollte doch noch so viel erleben."
Sie atmete hektisch. Dann ganz plötzlich schloss sie die Augen, sackte in seinen Armen zusammen und verfiel in Zuckungen.
"Lya?", fragte Tyr mit Angst in der Stimme.
Er legte sie auf den Boden, versuchte ihre um sich schlagenden Arme unter Kontrolle zu bekommen und sah aus dem Augenwinkel wie die Wache sich zu ihnen umdrehte.
"Sie hat einen Anfall", rief Tyr.
Die Wache zögerte.
"Wenn sie jetzt daran stirbt, bist du Schuld", grollte Tyr.
Der Wachmann kam näher und versuchte einen besseren Blick auf Lya zu erhaschen. Als er nahe genug war, sprang Tyr vor, streckte die Hand durch die Zellenstäbe, packte den Mann am Kragen und riss ihn nach vorne. Der Kopf des Wachmanns knallte so stark gegen die Stäbe, dass es schepperte. Er sackte sofort bewusstlos in sich zusammen. Lya hörte mit ihrer Täuschung auf und richtete sich auf. Erleichtert sah Tyr wie sie zu ihm kam.
"Du kannst viel zu gut schauspielern. Ich hatte richtig Angst um dich", warf er ihr vor.
Lya zuckte entschuldigend mit den Schultern.
"Immerhin hat es funktioniert."
Tyr zog sie an sich und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen.
"Wag es nie wieder mich so zu erschrecken", knurrte er, was Lya lächeln ließ.
Dann wandte er sich um und nahm die Schlüssel vom Gürtel der Wache.
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Spiel der Wölfe Tyr & Lya
FantasyLya lebt seit sie denken kann auf der Burg Castle Caym. Die Tage dort sind düster. Die Herren der Burg Wolfsmenschen. Ihr einziger Freund ist Tyr, ebenfalls ein Wolfsmensch. Doch während sie Gefangene in Castle Caym ist, lebt er dort als Sohn des mä...