Tyr sah Zach an und nickte entschlossen. Er wandte sich zu Lya um.
"Du musst dich von vorne an mich dranhängen. Ich kann dich nicht auf den Rücken nehmen, weil du dich mit der Verletzung nicht gut genug festhalten kannst."
Lya versuchte ihm wirklich zuzuhören. Aber ihr Blick wanderte immer wieder ängstlich zu der Mauer. Sie konnte da unmöglich runter steigen. Es war zu hoch. Die Chance einen Sturz zu überleben, war unwahrscheinlich. Ihr wurde schwindlig.
"Lya schau nur mich an! Schau nicht hin", befahl Tyr.
Mühsam riss Lya den Blick von der Kante los und sah Tyr an. Sein Blick wurde sofort weicher.
"Ich will, dass du dich nur auf mich konzentrierst. Verstanden?"
Lya nickte und konzentrierte sich ganz auf Tyr als er sie hochhob und sie die Beine um ihn schlang. Mit einem Satz war er auf der Mauer und griff nach dem Seil. Lya kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf Tyr, der sie trug als wöge sie nichts. So nahe kam sie ihm selten und sie genoss die Vertrautheit. Als er an die Kante trat konzentrierte sie sich auf seine Hand die beschützend auf ihrem Rücken lag. Sie vermisste seine Berührung als er losließ, um mit beiden Händen das Seil zu packen. Dann begannen sie den Abstieg und es wurde nervenzerreißend für Lya. Der Drang die Augen zu öffnen war übermächtig. Aber sie wusste sie würde sie nicht mehr schließen können. Also kniff sie die Augen fest zusammen. Tyrs Bewegungen waren flüssig und gleichmäßig. Lya begann stumm seine Schritte zu zählen. Sie kam bis zwanzig und fing nochmal an, weil sie die weiteren Zahlen nicht wusste. Nach fünf Schritten stoppte Tyr.
"Was ist los?", fragte Lya mit belegter Stimme.
"Das Seil ist zu kurz wir müssen den Rest springen", stieß Tyr mit gepresster Stimme hervor.
Lya öffnete vor Schreck die Augen und sah den Boden, der immer noch bedrohlich weit weg erschien.
"Versuch dich abzurollen am besten mit der unverletzten Schulter. Hab keine Angst auf mich zu fallen. Es wird mich nicht verletzen."
Tyr ließ Lya keine Zeit weiter darüber nachzudenken. Er holte Schwung, stieß sich von der Mauer ab und ließ das Seil los. Lya wollte Tyr nicht verletzen und ließ ihn los. Der Aufprall war schmerzhaft. Sie hatte es nicht geschafft sich abzurollen, lag aber nur auf Tyrs Beinen. Sie rollte schwer atmend von ihm runter und hatte vor Schreck ihre Verletzung vergessen. Ein unglaublicher Schmerz erinnerte sie daran. Lya krümmte sich und konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Dann war Tyr neben ihr und fluchte. Seine Hand ging zu ihrer Schulter und Lya folgte ihr mit ihrem Blick. Blut war durch den Verband gesickert. Lya wollte etwas sagen. Tyr versichern, dass sie weiter konnten. Aber bevor sie das tun konnte, überwältigt sie der Schwindel. Gleich darauf folgte Schwärze.
~~~
Tyr hatte gewusst, dass Lya irgendwann vor Blutverlust umkippen würde. Er hatte nur nicht so schnell damit gerechnet. Er befestigte den Verband neu und nahm Lya auf den Arm. Zach landete neben ihnen. Er war sofort auf den Beinen und sah zu Tyr.
"Ich kann sie tragen und werde trotzdem noch dein Tempo mithalten können. Also halt nichts zurück. Wir werden jeden Vorsprung brauchen, den wir bekommen können."
Wie um Tyrs Worte zu unterstreichen, erklangen Rufe auf der Burgmauer. Zach diskutierte nicht weiter sondern lief im schnellen Tempo vorraus. Normalerweise hätte er nie einen Wolfsmenschen in seinem Rücken geduldet. Aber dieser Wolfsmensch Tyr konnte ihn momentan nicht angreifen ohne seine Gefährtin los zulassen. Das Menschenmädchen konnte sterben wenn sie nicht schnell genug zu seinem Lager kamen. Also ließ Zach zu, dass der Wolf mitkam. Er verließ sich darauf, sobald sie im Lager waren eine Lösung zu finden. Denn er würde nicht aus blindem Vertrauen das Leben seiner Leute gefährden.
Tyr blieb hinter dem Menschen, der so geschickt versteckte Pfade fand als wäre er im Wald aufgewachsen. Tyr war dankbar dafür. So würden sie keine Zeit verlieren. Er schaute besorgt auf Lya. Ihr Atem war flach und er sah schon wieder einen Fleck Blut auf dem Verband. Er biss die Zähne zusammen und richtete seinen Blick wieder nach vorne. Er hörte die Rufe der Wolfsmenschen hinter sich. Sein Vater würde ihn definitiv suchen und dann wäre der Tod noch eine Gnade. Er musste unbedingt verhindern, dass sie Lya fanden. Er hoffte wirklich, dass sie bei den Rebellen bleiben konnte. Zwar war sie dort auch nicht sehr sicher. Aber sie war es auch vorher schon nicht gewesen.
Wieder fiel sein Blick auf Lya. Sie war unnatürlich blass. Es frustrierte Tyr ihr nicht helfen zu können. Er war machtlos. Er konnte nur an ihrer Seite bleiben und hoffen, dass die Menschen einen fähigen Heiler hatten. Zach rannte eine ganze Weile. Tyr hatte irgendwann erleichtert registriert, dass sie die Wolfsmenschen abgeschüttelt hatten. Seine feinen Ohren hörten Wasserrauschen lange bevor der Wasserfall in Sicht kam. Zach warf ihm einen Blick über die Schulter hinweg zu und deutete auf flache Trittsteine im reißendem Strom. Tyr musterte die Steine. Sie würden glitschig sein und Tyr müsste perfekt landen, denn er würde sich nicht mit den Händen abstützen können. Zach trat zu ihm.
"Versuch möglichst dort hinzuspringen wo ich landen werde. Ich kenne die tükischen Stellen."
Zach hoffte, dass der Wolfsmensch keine Probleme damit hatte Befehle anzunehmen, die ihm das Leben retten konnten und das Leben seiner Partnerin. Er würde nicht um den Wolf trauern. Aber jeder Mensch der sich dem Widerstand anschloss, war wertvoll. Er drehte sich um und sprang geübt auf den ersten Stein. Der zweite war durch die ansteigende Strömung schwieriger als sonst zu erreichen und er rief dem Wolfsmensch eine kurze Warnung zu. Dann überquerte er routiniert den Rest des Flusses. Als er sich umdrehte sprang Tyr auf den ersten Stein.
Er hielt das Gleichgewicht und atmete erleichtert auf. Tyr rückte Lya noch einmal in seinen Armen zurecht und sprang dann zum zweiten Stein. Er landete sicher durch Zachs Warnung vorbereitet. Tyr lief der Schweiß übers Gesicht als er beim dritten Stein angelangt war. Es war eine Nervenprobe. Ein falscher Schritt würde nicht nur seinen, sondern auch den Tod von Lya bedeuten. Beim vierten Stein rutschte sein Fuß weg und er kämpfte ums Gleichgewicht. Als er merkte, dass er sich nicht halten würde können, traf er entschlossen eine riskante Entscheidung.
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Spiel der Wölfe Tyr & Lya
FantasyLya lebt seit sie denken kann auf der Burg Castle Caym. Die Tage dort sind düster. Die Herren der Burg Wolfsmenschen. Ihr einziger Freund ist Tyr, ebenfalls ein Wolfsmensch. Doch während sie Gefangene in Castle Caym ist, lebt er dort als Sohn des mä...