Tyr war aufs Äußerste gespannt. Er glaubte zwar nicht, dass ihnen jemand folgte, aber wenn er sich irrte, würden alle Rebellen sterben. Rachel hatte davon abgesehen ihm die Augen zu verbinden und auch Drew hatte keinen Einspruch eingelegt. Beide Wächter schienen ihm zumindest vorerst zu vertrauen. Rachel führte sie zügig und sicher durch den Wald. Urplötzlich tauchte eine Felswand vor ihnen auf. Sie gingen eine Weile daran entlang. Dann blieb Rachel stehen. Drew verstand ihr Zeichen und rutschte vom Pferd. Nachdem Rachel das Pferd lose angebunden hatte, wandten sich beide zielsicher zur Felswand. Tyr folgte ihnen verwundert. Suchend glitt sein Blick über die Felsen. Er kniff die Augen zusammen. Wenn man ganz genau hinsah, sah man, dass sie an einer Stelle etwas tiefer waren. Eine Spalte trennte die Felsen, die schon nach wenigen Schritten zu Enden schien. Als Tyr Rachel und Drew folgte, verstand er. Es waren zwei scharfe Kurven nacheinander, die ins Innere der Felsen führte.
"Wie viele Ausgänge hat die Höhle?", fragte Tyr, der sich erinnerte mit Lya auf einen anderen Weg angekommen zu sein.
"Genug, um bei einem Überfall flüchten zu können", gab Drew ihm mit angestrengter Stimme als Antwort.
"Die Höhle liegt unter einer Burgruine", ergänzte Rachel, "sie ist inzwischen nur noch über die Höhlengänge zu erreichen."
Das erklärte Einiges. Zum Beispiel die Treppenstufen, die es in einer Höhle gar nicht geben sollte oder die Kerkerketten, die so fest in den Stein gehauen waren. Bald hatte die Schwärze der Höhle sie verschluckt. Tyrs Augen passten sich an und er konnte vor sich die Menschen erkennen. Auch wenn sie so gut wie blind waren, bewegten sie sich sicher vorwärts. Nach einer Weile wurde es wieder heller. Sie durchquerten einen Hohlraum, in dem er allerlei Essensvorräte und Kochgeräte sehen konnte. In der Mitte des Hohlraums war eine Kochstelle, die von Tageslicht beleuchtet wurde. Er sah nach oben und erblickte einen Spalt durch den das Sonnenlicht einfiel. Das war praktisch. So konnte der Rauch abziehen. Sie gingen weiter und hörten erstes Gemurmel. Fackeln säumten inzwischen den Gang. Zwei Frauen blickten von ihrem Gespräch auf als ihre Schritte zu hören waren.
Ihre Augen weiteten sich erschrocken und sie kamen zu ihnen."Tarya hol Rose", rief Rachel bevor die Frauen sie ganz erreichten.
Tyr registrierte am Rande, dass die Frau schwanger war. Sie nickte und verschwand. Die andere Frau hatte leicht ergrautes Haar und sah Rachel scharf an.
"Was ist passiert?"
Rachel setzte schon zu einer Erklärung an, aber Drew unterbrach sie.
"Nicht jetzt, Saige. Kannst du alle zusammen holen? Dann erfahren es gleich alle."
Die Frau presste die Lippen zusammen, doch sie nickte.
"Mach dir keine Sorgen, Mutter. Ich bin nicht verletzt", beschwichtigte Rachel ihre Mutter.
Man sah deutlich, dass Saige sich nach diesen Worten entspannte. In diesem Moment kam Rose. Tarya, die andere Frau, folgte ihr. Rose sah Rachel fragend an.
"Ein ausgekugelter Arm, den ich wieder eingerenkt habe", informierte sie und deutete auf Drew, "und eine Stichwunde am Arm, die von alleine schon ganz gut geheilt ist."
Dabei zeigte sie auf Tyr. Rose verlangte zuerst den Arm von Tyr zu sehen.
"Ich kenne mich nicht mit euren Heilkräften aus, aber es sieht so weit gut aus. Behalt das im Auge", lautete ihr Urteil.
Tyr nickte, denn er wusste, dass die Wunde ihm keine weiteren Probleme bereiten würde. Rose wandte sich Drew zu. Sie verband seinen Arm noch einmal richtig und schaute dann zu Rachel.
"Du hast dir gut gemerkt wie es ging."
Über Rachels Gesicht glitt zum ersten Mal wieder ein kleines müdes Lächeln.
"Irgendwie musste wir ihn ja zurück bringen."
Rose lächelte zurück.
"Apropos zurückbringen, wo ist Zach?", stellte sie die gefürchtete Frage.
"Nicht jetzt Rose", schaltete sich Drew ein.
"Es sollten alle anwesend sein bei dem was wir zu berichten haben. Ich denke Saige hat alle versammelt. Wir sollten zu ihnen gehen."
Rachel nickte und Drew ging voran. Schon von Weitem hörte Tyr aufgeregtes Stimmengemurmel. Ein Mann eilte auf sie zu und schloss Tarya in die Arme.
"Was ist passiert?", fragte er sie.
"Ich weiß es nicht, Boyd", antwortete sie und strich ihm über den Arm.
Ein anderer Mann gesellte sich zu ihnen. Tyr vermutete aufgrund der Ähnlichkeit eine Verwandtschaft mit Boyd. Gerade als der Mann was sagen wollte, ergriff Drew das Wort, der vor der Menge stand.
"Saige, sind alle da?"
Tyr sah sich um. Er spürte Lya nicht.
"Wo ist Lya?"
Seine Stimme klang wohl etwas knurrend, denn plötzlich hatte er die Aufmerksamkeit aller. Rose trat vor.
"Als sie gemerkt hast, dass du nicht mehr da bist, wollte sie dir folgen. Ich hab versucht sie zu überreden hier zu bleiben."
Rose stockte und Tyr schwante Böses. Sie war doch nicht fortgelaufen, um ihn zu suchen? Ein Mann trat an ihre Seite. Sein Auge war verbunden. Tyr erkannte ihn. Er ballte die Hände zur Faust. Er war es gewesen, der diesen Menschen verletzt hatte. Anscheinend erinnerte dieser sich auch, denn sein Blick lag verachtend auf Tyr. Rose hingegen fühlte sich anscheinend durch seine Gegenwart bestärkt, denn sie sprach weiter.
"Als sie sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen hat, da..."
Rose wurde immer leiser und verstummte. Der intensive Blick des Wolfes brachte sie zum Zittern.
"Wir haben sie im Krankenzimmer eingesperrt", beendete der Mann den Satz und starrte Tyr unbeteiligt an.
"Ihr habt was?"
Tyr glaubte sich verhört zu haben. Im ersten Moment war er erleichtert, dass sie noch da war. Im nächsten Moment ergriff ihn der Zorn. Tyr drehte sich um und verließ die Versammlung. Sobald er weg war, wurde Gemurmel laut.
"Warum ist er noch hier?"
"Bestimmt ist er schuld an dem was euch passiert ist."
"Jetzt weiß er wo unser Lager ist, was wenn er uns verrät."
Drew verschafft sich Aufmerksamkeit und schüttelte den Kopf.
"Ich weiß ihr misstraut ihm, aber nur wegen ihm sind wir noch am Leben und haben eine Chance Zach zu befreien."
Dann begann er zu berichten. Die ganze Wahrheit, denn die Leute sollten wissen, was auf sie zukam.
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Spiel der Wölfe Tyr & Lya
FantasyLya lebt seit sie denken kann auf der Burg Castle Caym. Die Tage dort sind düster. Die Herren der Burg Wolfsmenschen. Ihr einziger Freund ist Tyr, ebenfalls ein Wolfsmensch. Doch während sie Gefangene in Castle Caym ist, lebt er dort als Sohn des mä...