Um halb neun am darauffolgenden Morgen zog Steve sich die Kapuze seiner Windjacke tief ins Gesicht und joggte ins Dorf hinunter.
Ungefähr zur selben Zeit betrat Tony sein Labor. Seinen Assistenten Happy begrüßte er nur mit einem Nicken, woran dieser bemerkte, dass Tony sich in einer „passiv-aggressiv und gereizt, weil unausgeschlafen-Phase" befand.
Steve ging in ein kleines Elektronikgeschäft, eins von der Sorte, die nur noch an unscheinbaren Ecken existiert, und fragte nach einem schnurlosen Telefon. Nachdem er ein günstiges, museumsreifes Klapphandy für ein paar Pfund erworben hatte, wählte er auf dem Heimweg Tonys Nummer.
„Stark bei den Avengers", meldete Tony sich am Telefon, „wie kann ich Ihnen beistehen?"
„Du bist zum Totlachen, weißt du das?", sagte Steve halb grinsend. Tony's Miene verfinsterte sich. „Mr Secretary, was an keine weiteren Anrufe in diesem Rahmen haben sie nicht verstanden?". fluchte er, während er Happy mit Handzeichen zu verstehen gab, dass er kurz telefonieren gehen musste. Mit großen, schnellen Schritten lief er zur Tür und verschwand, angeregt mit dem „Außenminister" diskutierend, aus dem Zimmer.
Kaum war er draußen, verdrehte er die Augen und stöhnte empört.
„Ich hab euch verboten, hier anzurufen.", sagte er ins Telefon. „Ich hab's euch verboten und nicht mal daran könnt ihr euch halten."
"Ich würd' nicht angerufen, wenn es nicht dringend wäre.", stellte Steve klar.
"Hör zu, Cap." Tony sah sich um und bemerkte, dass um ihn herum einiges los war. Daraufhin sprach er etwas leiser weiter. "Seit ihr weg seid, werden hier regelmäßig ein- und ausgehende Telefonate auf Hinweise kontrolliert. Du kannst nicht einfach anrufen, wann es dir gefällt, es sei denn, du hast Lust, dass die Regierungen der Welt-"
Steve unterbrach ihn: „Wir haben ein Problem! Wanda geht es furchtbar und ihre Kräfte geraten außer Kontrolle."
Er hörte Tony am anderen Ende der Leitung aufschnaufen.
„Ich weiß genau, was du sagen willst", fuhr er fort, „aber das bringt uns nicht weiter. Sie kriegt einen Anfall nach dem anderen und keiner von uns kann etwas tun."
"Ich weiß nicht, worauf das hier hinauslaufen soll, aber es gefällt mir nicht.", gab Tony preis.
"Bitte, Tony. Wir brauchen deine Hilfe.", sagte der Captain angespannt.
„Es gefällt mir überhaupt nicht."Wieder einmal saß Vision allein in der Bibliothek am Klavier und übte. Ab und an verschwammen die Noten vor seinen Augen, die Konzentration fiel ihm schwer.
In seinem Kopf pochte etwas.
Er klappte das Notenheft zu und legte es auf dem Flügel ab, dann griff er sich an die Stirn.
So fühlten sich also Kopfschmerzen an.
Sein Leben lang hatte er sich danach gesehnt, menschlicher zu sein und jetzt, da er immer menschlicher wurde, in allem, was er tat, lähmte es ihn geradezu.
Sein Geist war nicht länger der rationalisierte, klare Raum, den er als JARVIS gekannt hatte.
Dem alles offenstand, der alles lüften und lösen konnte.
Es hingen Nebelschwaden über seiner gesunden Urteilsfähigkeit.
Er erinnerte nur immerzu das Gefühl ihrer Lippen auf seiner Wange.
Ein energisches Klopfen an der Tür riss Vision aus seinen Gedanken, und als er sich umdrehte, um zu sehen, wer es war, war Tony bereits ins Zimmer gekommen.
„Ich wusste, dass ich dich hier finde.", sagte er und drückte die Tür hinter sich zu.
Dann lief er durch die Bibliothek zur Sitzecke, was schon eine Art kleine Wanderung war, und setzte sich in einen Sessel gegenüber von Vis.
"Wie geht's dir?", fragte er ihn.
Seltsam, das hatte er noch nie zuvor gefragt.
Und obwohl Vis wusste, dass die Frage rein rhetorisch war, antwortete er ehrlich: "Ich habe etwas Kopfschmerzen."
"Du hast was?" Tony stand die Verblüffung ins Gesicht geschrieben. Niemals hatte er gedacht, dass Vis etwas wie Kopfschmerzen empfinden konnte. Es schien, als ob er sich wirklich weiterentwickelte.
„Also...", begann er mit einem nichtssagenden Blick, „es gibt Neuigkeiten."
Vis runzelte die Stirn, er hatte keinerlei Erwartungen oder Ahnungen. Eigentlich wollte er lieber allein sein, aber solche Äußerungen machte er nicht. Stattdessen hörte er sich an, was Tony zu sagen hatte:
„Ich hatte gerade ein Telefonat mit Steve.
Da drüben in Schottland gibt es einen sogenannten Notfall. Deiner kleinen Freundin geht es übel."
„Wanda?"
Nun hatte er die volle Aufmerksamkeit und setzte seine Erklärung fort: "Irgendwas scheint sie wahnsinnig zu machen. Panikattacken... nächtliche Ausbrüche... Unfälle beim Training..." die letzten drei Worte sagte er ganz besonders laut und mit einem sarkastisch-feierlichen Gesichtsausdruck, um zu verdeutlichen, dass er Recht gehabt hatte.
"Lange Rede, kurzer Sinn.
Die anderen glauben, du bist der einzige, der ihr helfen kann, sich zusammenzureißen. Ehrlich gesagt sind sie sehr überzeugt davon. Und, was soll ich sagen... überzeugt waren wir alle in letzter Zeit von wenigen Dingen.
Also, Glückwunsch, du wirst im Dezember für eine Woche nach Schottland eingeflogen."
Zuerst konnte Vis nicht glauben, was er da hörte, und als ihm bewusst wurde, dass es Tony ernst war, bemühte er sich, seine Begeisterung zu verstecken.
Er würde sie sehen.
Ein ruhiges, aber glückliches „Vielen Dank...", war alles, was er erwiderte.
Tony schüttelte perplex den Kopf. „Du hättest wenigstens so tun können, als wärst du erschüttert, mich sieben Tage lang zu entbehren."
Vis hob anarchisch die Augenbrauen und lächelte dann in sich hinein.
Tony konnte nicht anders, als mit zu lächeln.
Er hielt diese Reise nicht für die beste Idee, jedoch wollte er sich einmal in seinem Leben fähig zeigen, das Allgemeinwohl seines Teams zu fördern. Außerdem wurde ihm mulmig bei dem Gedanken, Wanda könnte womöglich öffentliche Schäden anrichten.
Eine Woche. Eine Woche und dann war's das, dachte er.Die kommende Nacht über blieb er im Labor.
Ihm war eine seiner alten Entwicklungen eingefallen, die er vor ein paar Monaten ins Archiv verschoben und nie wieder herausgeholt hatte. Er hatte sie für unnütz gehalten, aber auf die Prämisse vertraut, dass man alles irgendwann mal brauchen konnte.
Und er hatte wieder einmal Recht gehabt.
Nach einer schweißauftreibenden Suchorgie von gut drei Stunden hatte er sie gefunden und begann mit der Arbeit. Er feilte bis spät nachts an allen möglichen Details und programmierte jeden einzelnen Befehl neu. Im Morgengrauen war das Ergebnis bereit für den ersten Test.„Vision, Kaffee.", sagte Tony um zehn nach sechs müde in sein Kommunikationsarmband. „Und danach brauch ich dich hier im Labor."
Wenige Minuten später öffnete Vis die Tür des Labors und stellte eine Tasse Cappuccino auf dem Arbeitstisch ab. „Morgen", grüßte Tony, bevor er einen großen Schluck davon nahm und erschöpft gähnte. "Was kann ich für Sie tun?", wollte Vis wissen. Tony spielte schulterzuckend mit einem kleinen, metallischen Plättchen, dass er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Es war nicht viel größer als eine 2-Cent-Münze.
"Die Frage ist viel mehr, was kann ich für dich tun...", murmelte er. "Halt mal bitte kurz still, ich muss was ausprobieren."
Er trat ein Stück vor und drückte Vis das silberne Objekt ohne Vorwarnung an den Hals.
Sofort setzte es sich dort fest und auf Tony's Rechner leuchteten zwei grüne Lampen auf.
"Festsetzungsmechanismus erfolgreich, Aktivierung erfolgreich.", verkündete FRIDAY mit ihrer mechanischen Stimme.
"Mr Stark, was haben Sie vor?", fragte Vis und tastete seinen Hals nach dem Plättchen ab.
"Wirst du gleich sehen", antwortete Tony. "Hoffe ich zumindest. Lass mich einfach machen..."
Ein paar letzte Kontrollblicke auf den Bildschirm, dann hob er seine Hand, um abermals auf das Plättchen zu drücken.
Plötzlich fing zu Visions Erstaunen sein gesamtes Hautbild an, zu flimmern. Langsam verschwanden die eisernen Verkleidungen an seinem Hinterkopf und in seinem Gesicht.
Seine dunkelrote Haut verwandelte sich in blasse, menschliche Haut und auf seinem vorher kahlen Kopf hatte er nun blonde Haare.
Völlig durcheinander krempelte er die Ärmel seines Pullovers hoch. Er sah zwei menschliche Arme, und als er diese mit seinen menschlichen Fingern entlangfuhr, musste er feststellen, dass sie sich auch menschlich anfühlten.
Er hatte Menschengestalt angenommen.
"Ausführung: erfolgreich.", sagte FRIDAY.
Tony nickte fasziniert und auch ein kleines bisschen stolz. „Ja, das sehe ich..."
Er räusperte sich und musterte Vis von allen Seiten, fand aber keinen einzigen Defekt.
Vis sah aus wie ein richtiger Mann und fühlte sich auch so, und er selbst wusste wohl noch nicht, was er davon halten sollte.
Aber Tony war sich da ganz sicher:
„... genial."Nebenbei, vielen Dank für 2k Reads auf dieses Buch!
-Morgane
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Westering Home - Wanda's Vision
Fanfic"Sie mag alte amerikanische Filme und den Geruch von Zimt. Aber wenn ich ihr etwas schenke, sollte es etwas besonderes sein. Und ich glaube, dass Materielles nicht ausreicht, um ihr all die Geburtstagsgeschenke zu geben, die sie nicht bekommen hat."...