Kapitel 2 : Drei Monate vor dem Konzert

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Océane

Während Yumi auf ihrem Handy herumtippte, nippte ich an dem warmen Kakao, der mir kurz zuvor von einer netten Bedienung unseres Lieblingscafés serviert worden war. Die Leute neugierig beobachtend wartete ich darauf, dass sie endlich fertig mit dem war, was sie tat. Mit einem Räuspern machte ich auf mich aufmerksam, nachdem mehrere Minuten lang kein einziges Wort über ihre Lippen gekommen war. Ihr Blick schoss hoch und halbentschuldigend sagte sie: „Das ist so eine Gruppe, die ich letztens gefunden hab. Gefällt mir ziemlich gut."

Ich hob eine Augenbraue und lächelte. „In anderen Worten: Du hast gerade ein neues Objekt zum Suchten gefunden."

Sie grinste, streckte mir ihr Handy hin, damit ich ihre neue Lieblingsband kennenlernen konnte. Da ich ihre Masche kannte, aber ihr Musikstil nicht wirklich meinem entsprach, hörte ich nur mit halbem Ohr der laufenden Musik zu. „Uuund? Sind die nicht super?", rief sie beinahe laut aus.

Ich verkniff mir ein Lachen und nickte. Erstaunlicherweise gefiel mir das Lied, sogar das Video sprach mich an. Die Wehmut, die Zerrissenheit, die verlorene Hoffnung, die demText entsprang, tasteten sich vorsichtig an mein Herz heran, um es fest zu umklammern. Auch die Dunkelheit des Videos und der Musik brachten eine Saite in mir zum Klingen, was ich schon lange zu vermeiden suchte. Obwohl ich ergriffen war und lang erlebte Geschehnisse vor meinem inneren Auge wiederauflebten, gefiel mir die Liebe für die Poesie, die überdeutlich aus allem sprach. „Wie heißt die Gruppe?", fragte ich, als das Video vorbei war, und räusperte mich, damit man mir nicht anmerkte, wie ergriffen ich war.

„FL – ForeverLives. Du solltest mehr von ihnen hören, ich schick dir was zu." Sichtlich erfreut begann Yumi erneut auf ihrem Handy herumzutippen. Plötzlich bereute ich es, mein kurz aufgeflackertes Interesse gezeigt zu haben, aber ihre blendende Stimmung vertrieb bald schon die Reue. Yumi wusste allzu gut, dass unser Musikgeschmack in zwei verschiedene Richtungen ging, desto mehr freute sie sich, dass sie nun endlich eine Gemeinsamkeit gefunden hatte. Ihre Begeisterung steckte mich an, und ich konnte es seltsamerweise nicht erwarten, mehr Videos von dieser Band zu sehen. Ihr Hauptaugenmerk lag auf PopRap (was Yumi mir in allem Detailreichtum erzählte), was eine gewöhnungsbedürftige Mischung war, mich aber gleichzeitig stark ansprach. Nach einer halben Stunde verabschiedete ich mich, da mich Arbeiten für die Universität aufhielten und mich Yumi überredet hatte, danach in das Kneipenviertel rauszugehen.


Es klopfte energisch an meine Zimmertüre und ohne ein wenig zu warten sprang auch schon Yumi herein. Sie klatschte aufgeregt in die Hände, als sie mich in meinem schlichten Kleid sah. „Na, das ist mal 'ne Aussicht!"

„Wieso?", fragte ich nach, „Zu viel Dekolleté?"

„Nein, perfekt", erwiderte sie und schnalzte mit der Zunge. „Wir sollten uns besser beeilen."

Damit machten wir uns, Arme ineinandergehakt, auf den Weg. Es war bereits spätabends und trotzdem noch in der Metro die Hölle los. Wir klammerten uns aneinander fest und gackerten wie zwei wild gewordene Hühner, wenn die Metro eine scharfe Kurve machte und wir das Gleichgewicht verloren. Als wir an unserer Haltestelle angekommen waren, blieb uns ein zehnminütiger Weg bis zu dem Saal, wo die Party stieg. Es  war eine typische Studentenparty, mit den gleichen alten Liedern und manchen neuen, während jedermann sich mit Bier zuschüttete und komisch tanzte, weil es eh jedem egal war.

Am Eingang begrüßten wir die ersten Leute, die uns ein Bier ausgaben, die uns nach unserem Studium ausfragten und den letzten Klatsch dabei preisgaben. Irgendwann rissen wir uns von ihnen los, gingen zur Bar, um einen ordentlichen Vorrat an Bieren zu erschwingen und suchten unseren engsten Freundeskreis. Da bemerkte ich schon, dass mir der Alkohol zu Kopf stieg. Losgelöst von meinen Gedanken tanzte und schrie ich mir die Seele aus dem Leib, bis irgendwann ein mir unbekanntes Lied kam, Yumi mich in die Arme nahm und ins Ohr schrie: „Das ist FL! Mon Dieu, ich hätte niemals gedacht, dass sie die hier laufen lassen würden."

Do you trust me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt