Kapitel 4: Ein Monat vor dem Konzert

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Océane

Ich war zu einem richtigen FL-Suchti geworden. Nachdem ich mich vertrauter mit ihnen gemacht hatte, musste ich zugeben, dass es wenig gab, dem ich so viel Bewunderung entgegenbrachte. Mittlerweile überstieg meine Begeisterung sogar Yumis, die nicht ganz glauben konnte, was mit mir passiert war. Ich hatte ihr nicht von der Begegnung mit Fynn erzählt, denn sie hätte mir eh nicht geglaubt und mir vorgeworfen, sie ihm nicht vorgestellt zu haben. Es war keine egoistische Entscheidung, sondern der Versuch das Geschehen als realistisch im Gedächtnis zu behalten und immer noch glauben zu können, dass ich jemand so Bekanntes begegnet war.

Trotzdem lief mein Leben weiter, und ich freute mich mächtig auf das Konzert. Wir hatten in den letzten Sekunden mit Müh' und Not noch Karten ergattern können. Als wir die Karten dann gekauft hatten, war unsere Anspannung von uns abgefallen und dann hatten wir wie Jugendliche rumgekreischt. Manchmal öffnete ich mein E-Mail-Posteingang, um noch einmal die Bestätigungsmail zu lesen. Die Vorfreude war riesig, und ich erhoffte mir sehnlichst Fynn wiederzusehen. Ich kam mir albern vor, dass meine Gefühle so durcheinander waren.

Um mich abzulenken zog ich mit Yumi viel durch die Studentenpartys und ertränkte meine Vorfreude in Bier und Folklore. So wie heute. Sie hatte mich zu dem Chapi* des Philosophiekomittees eingeladen. Bevor wir dorthin gingen, tranken wir noch eins im Carré*², wo wir auf Espen trafen, der seinen beschrifteten Kittel*³ anhatte und auf dem Kopf seine Penne trug. Er küsste Yumi zur Begrüßung zärtlich auf die Wange, setzte sich dann zu uns und sagte: „Dieses verdammte Wetter, es ist eisig kalt."

„Ich kenne jemanden, der dich heizen könnte", schmunzelte ich und betrachtete Yumi, die mich spitzbübisch anfunkelte.

„Vielleicht sollten wir aufbrechen, bevor ich vor deinen Augen über ihn herfalle."

Zu genau wissend, dass sie dies wagen würde, nickte ich hastig. Ich richtete meine Penne auf der Brust her, während ich auf beide wartete. Auf dem Weg zum Chapi lachten wir oft und begrüßten andere Baptisées*, die wir auf dem Weg trafen und kannten. Im Chapi angekommen liefen wir schnurstracks auf die Bar zu, wo bereits mehrere Personen nach vorne drängten. Es wurde heftig gedrängelt, aber glücklicherweise bekamen wir relativ schnell Biere.  Irgendwann verschwand Yumi mit Espen. Ich befand mich in einem Gespräch mit einem Fremden genannt Löckchen wegen seiner enormen Locken und war wieder einmal von der Atmosphäre erstaunt. Getauft zu sein bedeutete in eine andere Welt einzutreten, wo der Kontakt mit Gleichgesinnten sehr leicht herzustellen war.

Löckchen forderte mich gerade auf, mit ihm anzustoßen und zu exen, da gesellten sich noch Maya und Elisabeth hinzu, zwei meiner Freundinnen. Aufgeregt schnatterten sie und ich schnappte die Worte „FL" und „Neues Video" auf, war mir aber nicht sicher, ob ich es auch richtig verstanden hatte. Neugierig näherte ich mich ihnen etwas. Als ich dann schließlich von Maya hörte „Das Video ist genial! Ich zieh es mir die ganze Zeit rein", war ich drauf und dran zu fragen, wovon sie eigentlich genau sprachen. Die Frage erübrigte sich von allein, als beide meine Blicke bemerkten. Sie lachten mich an, sagten, da sei so eine PopRap-Band, die sie beide verfolgten und sie sei ja sowas von geil. Daraufhin klatschte ich in die Hände und fragte nach, ob sie etwa von FL sprachen. Sie mussten grinsen, nickten mir zu und fragten, ob ich denn auch ein Fan sei. Ich stimmte zu, meinte jedoch, dass ich das neue Video noch nicht gesehen hatte und ob sie es mir zeigen wollten.

Elisabeth holte Ohrstöpsel und ihr Handy hervor, ließ das Video abspielen, und ich musste zugeben, dass Maya recht gehabt hatte und das Video genial war. „Verdammt, die werden immer besser", lächelte ich stolz.

„Und wie heiß sie aussehen", seufzte Elisabeth. „Wer ist denn dein Bias?"

Ein wenig geniert sagte ich, es gäbe keinen bias für mich, ich fände sie alle gleich toll, doch müsste ich wählen, so wäre es wohl Fynn. Das schien sie zufrieden zu stellen, und ich atmete ruhig ein, damit sich meine Nervosität legen konnte. Die Frage hatte mich durcheinandergebracht. Erstens fand ich es ein wenig albern eine Lieblingsperson auszusuchen, zweitens musste ich zugeben, dass ich meine kleine Schwärmerei für Fynn nicht auffliegen lassen wollte.

Do you trust me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt