Kapitel 12 : Vertraue ich dir zu sehr?

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Océane

Die Wochen vergingen ziemlich schnell, vollgepackt mit den eher langweiligen Kursen an der Uni. Da die Prüfungszeit nahte, hatten Yumi und ich entschieden, nicht mehr rauszugehen, damit wir uns so gut wie möglich vorbereiten konnten und alles aufholten, was wir bis dahin hatten schleifen lassen.

Gerade saßen wir in der Bibliothek und brüteten über unsere Bücher. Sie schob mir ein Blatt hin, um mir eine Frage über den Unterrichtsstoff zu stellen, die ich ihr sofort beantwortete. Beim nächsten Zettel verdrehte ich die Augen und zischte: „Ernsthaft?"

Sie zuckte mit den Achseln, schaute mich betont unschuldig an und wartete. Ich schüttelte bestimmt den Kopf, schob ihr den Zettel zurück, auf dem stand: „Hast du ihm gesagt, wie heiß du ihn findest?"

Enttäuscht plusterte sie die Wangen auf. Ich setzte gerade dazu an, sie leise anzufauchen, da klingelte mein Handy. Sämtliche Köpfe drehten sich in unsere Richtung und Yumi zeigte direkt anklagend mit dem Finger auf mich. „Sehr erwachsen", grummelte ich, fischte das Handy aus meiner Hosentasche und floh laut fluchend aus dem Raum, da der Schaden eh schon angerichtet war.

„Hausverbot!", brüllte mir eine Bibliothekarin hinterher, als sie meiner Gotteslästerung gewahr wurde.

„Sie verstoßen gerade gegen Ihre eigene Regel", rief ich kühn. Das laute Prusten der Studenten verfolgte mich bis draußen. Hastig und ohne auf die Nummer zu achten ging ich an das Handy, sobald ich aus der Tür der Bibliothek getreten war. „Hallo?"

„Ich hatte schon befürchtet, dass du mich vergessen hast", erklang eine vertraute, aber verhasste Stimme.

Mein Herz begann laut zu pochen, krachte schmerzhaft gegen den Brustkorb und schnürte mir die Luft ab. Vor Furcht bebten meine Hände, klammerten sich an das Handy, während mir der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. So lange hatte ich erhofft, dass er mich in Ruhe ließ, dass er sich endgültig aus meinem Leben verabschiedet hatte, und jetzt seine Stimme zu hören war ein richtiger Schock.

„Welche Ehre, Sebastien", sagte ich und versuchte das Zittern aus meiner Stimme und meinem Körper zu verbannen. Niemand würde mich mehr mundtot machen, das hatte ich mir geschworen.

„Schön, dass du das so siehst." Das gemeine Lächeln konnte ich so deutlich heraushören wie vor mir sehen. „Eigentlich wollte ich bloß Neuigkeiten erfahren. Wie es dir geht und so etwas."

„Ach ja? Welchen Nutzen ziehst du daraus?", fragte ich bitter nach. Ich wusste, dass es besser war, aufzulegen, bevor er sich wieder in mein Leben schlich und alles zerstörte, was ich mir die letzten zwei Jahre mühsam aufgebaut hatte, aber es ging nicht. Denn es war nie darum gegangen, mir ein neues Leben aufzubauen, sondern ihn und alles, was ich damals gewesen war, zu vergessen, schlicht und einfach zu vergessen, um weiterleben zu können.

„Wie kommst du darauf, dass ich irgendeinen Nutzen aus dir erzielen könnte? Du überschätzt dich." Ich knirschte wütend mit den Zähnen, während ich Yumi, die auf mich zukam, durch die Scheibe der Türe abwehrend zuwinkte. „Es gab nie etwas, woraus du keinen Nutzen gezogen hättest", widersprach ich vehement. Mein Schock hatte sich mittlerweile in puren Zorn verwandelt, der sich heiß durch meine Adern wand. „Spuck' aus, was auch immer du mir sagen willst, und dann verzieh dich. Endgültig."

„Nun gut, dann komme ich wohl auf den Punkt. Deine Mutter hat nach dir gefragt. Um genau zu sein hat sie mich gebeten dir auszurichten, dass sie eine anständige Arbeit gefunden habe und hoffe, dass du sie mal mit mir besuchen kommst."

Ich lachte ungläubig auf. „Wie kommt ihr beide auf den Gedanken, dass ich dem in irgendeiner Weise zustimmen würde?"

„Sie ist deine Mutter." Sein unbekümmerter und überheblicher Tonfall widerte mich an.

Do you trust me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt