Kapitel 8: ForeverWar

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Océane


Der ganze Saal nahm erschrocken einen tiefen Atemzug, wartete gespannt darauf, dass ich fortfuhr. Ich zwang mir ein sorgloses Lächeln auf die Lippen, verschränkte die Arme vor der Brust, nagelte Fynn mit meinem Blick fest. Er strich sich kurz übers Kinn, nahm dann das Mikrofon und sagte: „Vielleicht war sie bloß zu schüchtern, euch diese Kleinigkeit mit dem Rest zu servieren, denn eigentlich hat sie es ja gemocht."

Da war etwas Heißes, verborgen hinter all dem Zorn, den er ausstrahlte. Mein Herz machte einen Hüpfer, und ich verfluchte mich. Der Gedanke an einen Kuss mit ihm machte mich ganz kribbelig, und aus seinem Mund zu hören, dass auch er es sich vorstellte, überstieg meine ganze Beherrschung. Ich schluckte hart, starrte ihn an, unfähig mich abzuwenden. Ich befeuchtete unbewusst meine trockenen Lippen, und er folgte mit seinen Augen dieser Bewegung. Dieser Moment war so intim und scharf, es konnte unmöglich sein, dass niemand etwas davon mitbekam.

Bevor ich etwas erwidern konnte, hetzte ein Mann zu Fynn, flüsterte ihm eindringlich etwas ins Ohr. Daraufhin biss er die Zähne aufeinander und nickte.

Alexander übernahm sogleich das Ruder, sagte etwas Witziges zur Ablenkung und forderte jemand anderes auf, eine Frage zu stellen. Die Minuten zogen sich zäh dahin wie Kaugummi, und mein Gesicht hatte immer noch nicht seine natürliche Farbe angenommen. Irgendwann war es durchgestanden und als eine der Ersten stand ich auf, drängte mich durch die Stuhlgänge zur Tür hinaus, wo die Freiheit greifbar war. Im hellen Flur angekommen machte ich mich auf den Weg nach draußen, wurde jedoch plötzlich von einer starken Hand an meinem Ellbogen aufgehalten und hastig in die andere Richtung gezerrt. „He!", protestierte ich, versuchte mich aus Fynns Griff zu befreien. Er ignorierte mich komplett, schleppte mich eisern hinter sich her.

Nach mehreren Abbiegungen stieß er eine Tür auf, drängte mich ungestüm in den Raum und gegen die Wand. „Was ist in dich gefahren?", schnauzte er mich an, während sein Körper praktisch an meinem klebte.

Hmm, da war wohl jemand ein bisschen reizbar.

Trotzig zuckte ich mit den Achseln, stemmte mich gegen ihn. „Nichts ist in mich gefahren. Du hast mich vor allen bloßgestellt. Wie sollte ich da reagieren?"

Er legte eine Hand an meine Taille, die andere stützte er neben meinem Kopf gegen die Wand, aber er ließ mir etwas mehr Platz. „Ich habe dich bloßgestellt?", polterte er, „Geht's noch?"

Sein Ton gefiel mir nicht, ich reckte mein Kinn. Unsere Lippen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, was mich ironischerweise bedrohlich wirken ließ, denn er zuckte etwas zurück. „Ich habe niemandem außer Yumi von unserer Begegnung erzählt, falls dich dieser Gedanke beschäftigt."

„Sicher?", wollte er wissen. Skeptisch beäugte er mich. „Denn das hat mich in eine große Scheiße geritten."

Ich schnaubte frustriert. Dachte er wirklich, ich hätte an dem ganzen Bullshit Spaß? „Irgendwer hat uns wohl gesehen, mehr kann ich dazu nicht sagen. Und du bist nicht der einzige, dem diese Situation nicht behagt."

„Ach nein?", hauchte er, kam mit seinem Gesicht näher. „Du schienst den Gedanken an einen Kuss aber zu genießen."

Mir stockte der Atem, mein Herz explodierte und flatterte davon. Er brachte mich wirklich um den Verstand. Ein Grund, um sich von ihm fernzuhalten. „Kann ich jetzt gehen?"

Fynn schüttelte den Kopf, seine Hand an meiner Taille schlich höher. „Ich habe noch eine Rechnung mit dir offen."

Ich plusterte die Wangen auf. „Dieses Desaster ist nicht mal meine Schuld."

„Wir beide kennen die Wahrheit, aber mein Chef ist nicht angetan", erwiderte Fynn wieder mit finsterer Miene.

„Wo liegt das Problem?", erkundigte ich mich neugierig. „Es ist ja nicht so, als ob etwas gelaufen wäre. Die Hälfte der Geschichte wissen sie ja nicht einmal, sonst hätten sie nicht gefragt."

„Das ist es ja. Sie wissen nichts, also malen sie sich jetzt Dinge aus, die nicht der Realität entsprechen. Sie malen sich aus, dass wir zusammen sind. Und was schadet meinem Ruf mehr als das?"

„Nicht nur dein Ruf", fügte ich hinzu, als mir die ganze Tragweite bewusst wurde, „Das Ansehen eurer Band auch."

„Genau." Fynn trat ein paar Schritte zurück, gab mir die Freiheit zu gehen. Stattdessen hatte ich das plötzliche Verlangen länger zu bleiben und ihn besser kennenzulernen. Das war natürlich Quatsch. Wie er mir gerade begreiflich gemacht hatte, war ein zu persönlicher Kontakt nicht erwünscht.

„Das tut mir alles leid", entschuldigte ich mich reuevoll. „Es wäre besser gewesen, ich wäre heute nicht aufgetaucht."

„Nein", widersprach Fynn, packte eine Haarsträhne, die mir ins Gesicht hing, und steckte sie mir hinter das Ohr. „Ich habe darum gekämpft, dass du heute kommen durftest. Ich bin nicht mit all ihren Richtlinien einverstanden."

Ich grummelte verstimmt: „Dann war ich also die eine gute Sache für den Kampf?"

Fynn wand sich. „So habe ich das nicht gemeint. Nimm es als Kompliment."

„Na ja, also ich bin ja auch nur gekommen, weil du bekannt bist", versetzte ich störrisch. Seine Bemerkung vorhin hatte mich ein wenig verletzt, aber ich durfte ihn nicht zu nah an mich heranlassen. Er war bekannt, sehr bekannt, und eine Beziehung, egal ob sie freundschaftlich war oder nicht, würde niemals funktionieren. Und dann blieb ja noch die Tatsache, dass wir uns nicht kannten. Oder zumindest kannte er mich nicht.

„Das habe ich wohl verdient", lachte er. Sein tiefes Lachen berührte etwas tief in mir, und ich konnte nicht glauben, dass ich das Glück hatte, dieses Lachen in Wirklichkeit zu hören und nicht durch einen Bildschirm. Ich lächelte ihn an, hin und weg von seinem Auftreten. Er hatte nichts von einem arroganten Schnösel, sondern war aufrichtig, zuvorkommend und freundlich, was mich faszinierte. Dieser Gedanke versetzte mich in Panik, augenblicklich verschloss ich mich, versuchte die Heiterkeit nicht an mich heranzulassen. Wenn ich so eine Begeisterung fühlen durfte, war es bloß um seines Talentes willen und nicht aus anderen Gründen.

„Ich muss jetzt gehen." Mit dem Daumen zeigte ich auf die Tür, machte einige Schritte darauf zu. Dann drehte ich mich doch noch kurz um, um zu bemerken: „Es war kein Aquapark, in dem wir uns dieses Mal getroffen haben."

Er starrte mir hinterher, als ich hinausging. Hastig lief ich auf den Ausgang zu, fiebrig vor Nervosität und ein wenig wehmütig. Es war schön gewesen, aber nur ein Traum.

Nur ein fruchtloser, verwunschener, einsamer Fan-Traum.

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