Dein letzter Tag

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Kims Sicht

Kimberly schnappte sich ihre Jacke und schloss schnell die Tür hinter sich ab.

Es war noch sehr früh, die Sonne ging gerade erst auf. Doch sie hatte heute einen langen Tag und die Shootings fingen gleich an. Müde steckte sie ihre nackten Arme in die Ärmel der Lederjacke, während sie die Treppen des Flures hinunter lief.

Doch bevor sie das Haus verließ, fiel ihr Blick auf ihren Briefkasten und sie blieb sofort stehen.

Da war er ja wieder. Lange hatte sie nichts von ihm gehört, so dass sie schon fast anfing zu glauben, dass er einen anderen Zeitvertreib gefunden hatte. Ein Gefühl, stechend und tief in ihr drin, hatte ihr jedoch gesagt, dass er noch immer in ihrer Nähe war. 

Nun bekam sie den Beweis.

Es ragten drei lila-weiß farbende Pfingstrosen aus dem Briefschlitz. Vorsichtig nahm sie sie heraus und strich über die weichen Blüten. Sie waren wunderschön. Vor allem waren sie ihre Lieblingsblumen.

Natürlich wusste er das.

Etwas lag noch drin und neugierig holte sie es heraus. Es war ein schneeweißer Umschlag auf dem wie immer nur ihr Name stand. Kimberly. Die Buchstaben waren schlicht, aber hatten einen leichten Schwung. Als wäre der Autor leicht beflügelt, wenn er ihn schrieb.

Sie steckte die Blumen in ihre Tasche, sodass sie noch herausschauten und begann den Brief auf dem Weg zur Bahn zu lesen.

Kimberly, 

ich hoffe, du hast mich nicht schon vergessen, Liebste. In den vergangenen Wochen hatte ich viel vorzubereiten, aber nun ist alles getan und ich kann mich von jetzt an ganz auf dich konzentrieren. Du wirst das nicht gerne hören, aber heute ist dein letzter Tag in Freiheit. Ab morgen werde Ich für dich Alles sein. So wie du bereits jetzt Alles für mich bist. Ich verspreche dir ein gutes Leben, fernab von Verrat und Lügen. Für immer. Genieße deinen letzten Tag. In Liebe, dein Mann

Dein Mann. So nannte er sich von Anfang an. Noch nie hatte sie ihn gesehen. So weit sie wusste jedenfalls. Doch seitdem sie seine Briefe und Geschenke bekam, kannte sie ihn nur als: dein Mann. Kein Name, kein Gesicht, keine Stimme.

Kimberly hasste es, nicht Bescheid zu wissen, keine Kontrolle zu haben. Sie war die Chefin ihres Lebens und dieser Mann bildete sich ein, dass er sie besitzen konnte. Mit Drohungen wollte er sie einschüchtern, aber dafür war sie die Falsche.

Zugegeben sie hatte seine Worte ein wenig vermisst. Es war geheimnisvoll, mysteriös, ein bisschen gruselig. Es machte ihr Leben etwas spannender.

Aber sie war sie. Man konnte ihr keine Angst mit Briefen und Fotos machen. Ihre Gefühle waren schon immer abgestumpft und bisher hatte niemand ihr Herz wirklich zum Schlagen bringen können. Moral und Gewissen waren Dinge, die sie vortäuschte. Sie empfand sie nicht wirklich.

Manchmal hatte sie das Gefühl, er war genauso. Aber mit der Zeit waren seine Schriften immer kitschiger geworden. Es war, als hätte er sich in ihr verloren. Er wurde nun von ihr geblendet und glaubte mit der Liebe alles besiegen zu können. Doch Liebe war eine Illusion. Es gab nur Dominanz, Besitz und Sex. Synonyme. Die Wahrheit.

Zu Anfang hatte sie noch Respekt vor ihm gehabt, aber mittlerweile tat er ihr nur leid. Sich in sie zu verlieben, bedeutete in ein tiefes Loch zu fallen. Aus diesem Loch war bisher keiner hinaus gekommen.

Sie steckte den Brief in den Umschlag zurück und verstaute ihn zwischen ihren Büchern.

Das sollte also ihr letzter Tag sein, ja? Nach fast einem Jahr Kontakt entschied er sich dazu, sie zu entführen? Sie traute es ihm nicht zu. Männer gaben nur leere Versprechungen und machten sich dann aus dem Staub.

So war es immer gewesen. So würde es auch bei ihm sein.



Wie hat euch der Einstieg gefallen? Ob er sein Versprechen wahr macht?

Das ist meine erste Geschichte hier, ich nehme gerne Kritik und Vorschläge an. Ich freue mich schon auf viele weitere Teile. Viel Vergnügen weiterhin.

Deine Freiheit ist MeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt