Versprechungen

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Kims Sicht

Sie lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett und versuchte zu Meditieren, an nichts zu denken oder zumindest an nichts, was hier stattfand. In ihren Gedanken lag sie friedlich am Strand, eine Sonnenbrille auf der Nase und in der Hand ein Bier. Aus der Dose. Wie es sich für den Kurzurlaub gehörte.

Aus dieser Fantasie wurde sie gerissen, als sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Doch sie regte sich nicht, sie hatte eigentlich überhaupt keine Lust ihn zu sehen.

Ihn und seine bescheuert grünen Augen.

Kim hörte wie er etwas auf dem Nachttisch neben ihr abstellte, dann hörte sie nichts mehr. Also öffnete sie doch ihre Augen.

Da stand er und der Tatsache geschuldet, dass sie lag, wirkte er noch größer und mächtiger. Zuerst wusste sie nicht, warum er so auf ihr Dekolleté starrte, so viel gab es da nicht zu gucken, aber dann fiel ihr die Kette ein, die sie sich umgelegt hatte.

Auf seinen Lippen lag ein Lächeln und er ging in die Hocke, war nun mehr auf ihrer Höhe. Er streckte seine Hand aus, berührte sie aber nicht. Die große Hand schwebte nur über der kleinen Kette.

„Steht sie mir?", fragte sie spöttisch und drehte sich zu ihm.

Seine Hand zog er etwas zurück, doch dann schien er es sich anders zu überlegen und berührte sanft ihr Kinn. Seine Finger fuhren ihre Wange entlang und dann einmal durch ihr langes Haar. Er spielte etwas mit einer Strähne herum.

Es fühlte sich gut an. Allein dafür hatte er schon eine Ohrfeige verdient, aber sie hielt sich zurück.

„Ich habe dir was zu Essen gemacht", meinte er schließlich ohne etwas zur Kette zu sagen, aber er schien zufrieden zu sein. 

Es war Pasta, sie roch die Tomaten und Oliven.

Kim ignorierte jedoch ihr Hungergefühl und setzte sich auf, strich ihre Haare zurück. Das Bett war zur Hälfte mit den Briefen bedeckt, die er ihr geschickt hatte. Meist waren die Umschläge weiß oder cremefarben, manchmal aber auch tiefrot. Zu ihrem Geburtstag zum Beispiel oder Valentinstag.

„Weißt du, wie viele das sind?", fragte sie ihn und griff sich eine Hand voll.

„Nicht genau, nein." Er setzte sich auf die Bettkante und verfolgte jeder ihrer Bewegungen.

„34. 34 Briefe, in denen du mich anhimmelst, mir Komplimente machst, mir sagst, wie ungesund rauchen ist und wie neidisch, du auf alle bist, die mich kennen."

„Nun werde nur noch ich dich kennen", erwiderte er darauf.

Sie rollte mit den Augen und griff nach einem ganz bestimmten Brief, den sie gerade schon gelesen hatte.


"Liebste Kimberly,

du wunderst dich sicher, wer in der heutigen Zeit noch so etwas altmodisches wie Briefe schreibt. Das kann niemand sein, der bei klarem Verstand ist. Vermutlich bin ich das auch nicht mehr.

Du wirst wissen wollen, wer ich bin, aber so viel kann ich dir sagen, du wirst es nicht herausfinden, solange ich das nicht will. Der Tag wird kommen, doch liegt er noch in weiter Ferne, so gerne ich ihn auch jetzt schon erleben würde.

Sein Leben unter Kontrolle zu haben, so wie du, dass ist eine wahre Kunst. Du lebst, wie du es willst und nimmst, was dir gehört. Darin sind wir uns sehr ähnlich. Du hast in deinem zarten Alter schon so eine Stärke, dass selbst die Erfahrenen vor dir zurückweichen und das fasziniert mich. Ich kenne keine Frau mit solch einer Macht. So eine Schönheit, so selbstbestimmt und unabhängig, so mutig. Ehrlichkeit gibt es in deiner Generation nicht mehr viel, aber genau diese Eigenschaft hast du dir zu eigen gemacht. Das macht dich besonders, einzigartig.

Deine Freiheit ist MeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt