zu Asche und Sand

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Kims Sicht

„Lass du mich doch einfach so leben, wie ich es will", meinte Randall gerade und lief als erstes über die grüne Ampel.

Sie waren mitten in der Stadt, es war ein sonniger Tag, wärmer als erwartet. Vor einer halben Stunde hatten die drei sich Kaffee und Cupcakes geholt und seitdem diskutierte das junge Pärchen über den veganen Lebensstil, den Randall seit neustem anstrebte.

„Jaaaa, aber es beeinflusst mich. Wir wohnen zusammen und es gibt immer nur deine komische Hafermilch." Tom fuchtelte mit den Armen und schaute hilfesuchend zu Kimberly, die aber nur mit den Schultern zuckte und ihren Chai Latte trank.

„Du kannst dir deine blöde Kuhmilch doch selber kaufen." Randall bog in eine Gasse ein. Offenbar wusste er genau wo er hinwollte, während sie ihm nur hinterher dackelten.

„Wenn du doch sowieso einkaufen gehst, kannst du das doch gleich mit besorgen."

„Nein. Ich werde diese Qual nicht mehr unterstützen."

Tom verdrehte die Augen und biss demonstrativ in seinen Cupcake in dessen Topping Bacon verarbeitet war. „Deine beschränkte Milch macht gar keinen richtigen Schaum."

Randall murmelte irgendwas Unverständliches.

„Mandelmilch macht guten Schaum", warf Kim ein.

„Och ne. Nicht du auch noch."

Tom ließ sich geschlagen auf eine Bank fallen. Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Ein heruntergekommener Spielplatz, auf dem nur zwei Kinder spielten. Hier konnte man gute Fotos machen und später Filter drüber legen, die dem Ganzen eine Horroroptik verliehen.

Randall und Kim begannen auch gleich mit der Arbeit, während Tom schmollte.

Sie kletterte auf den Stangen und Seilen herum, posierte auf der Schaukel und rutschte einige Male, mehr als sie eigentlich musste, weil es doch unerwartet viel Spaß machte.

"Steck mal dein Shirt so halb in die Hose." "Schau bitte zum Himmel hoch." "Kannst du eigentlich auf Knopfdruck weinen?" Randall war in seinem Element und gab ihr die Kommandos.

Kimberly tat wie ihr geheißen und tat so, als wäre ihr Arm so schwer verletzt, dass sie gleich sterben würde. 

Tom wurde immer motziger darüber, dass Randall ihn ignorierte und spielte an dem Strohhalm seines Kaffees herum.

„Wir können ja vegane Tage einführen. Für den Anfang", seufzte er.

„Wirklich?"

„Ja, wirklich?"

„Ich liebe dich." Und schon knutschten sie wild herum.

Kimberly rutschte ein letztes Mal, aß ihren zweiten Cupcake etwas abseits und beobachtete die beiden ein bisschen.

Das war also Liebe? Jedenfalls das was sie sich einbildeten. Immer mehr wurde ihr klar, dass sie so was auf keinen Fall wollte. Sie manipulierten sich gegenseitig, um dann nur auf einen Kompromiss zu kommen. Solche zu schließen war eine der größten Schwächen. Sie wollte keine Kompromisse. Sie wollte alles, was sie sich holen konnte. Vor allem wollte sie mit ihrem Sexpartner keine Diskussionen über Milch führen. Dafür war ihr ihre Zeit zu Schade.

Da musste sie wieder an den heutigen Brief denken. Die Vorstellung ihres Mannes war nicht einmal ein Kompromiss. Es war eine Forderung, zu der Kimberly seiner Meinung nach nichts zu sagen hatte.

Das war auf keinen Fall Liebe.

„Kim?"

„Ja?" Sie erschrak von Randalls Stimme etwas, sie war so versunken in ihren Gedanken gewesen.

„Warum steht hier dein Name drauf?" Er hob den Umschlag hoch, den sie noch immer in der Tasche hatte.

„Was hast du denn gesucht?", stellte sie eine Gegenfrage und kam zu ihnen herüber.

„Dein Feuerzeug. Ich will ein Foto mit diesem Benzinfeuerzeug machen."

Sie zog es aus der Nebentasche und nahm dafür den Brief an sich. Kimberly strich über die schwarze Tinte und ließ den Umschlag auf ihr Knie tippen.

„Ist der Typ etwa wieder da?" Tom wusste darüber Bescheid. Etwa zwei Monate nachdem es angefangen hatte, war Tom bei ihr gewesen, da war ihm die Kiste aufgefallen. In dieser sammelte sie alles. Die wöchentlichen Briefe, die heimlichen Fotos von ihr und bis dahin ein Parfum. Ein echt teures Parfum, welches sie immer trug.

„Ja, heute morgen. Mit drei Pfingstrosen."

„Der kranke Stalker?" Randall schaute besorgt.

„Ja."

„Was hat er geschrieben?"

Sie überlegte es ihnen zu sagen, aber sie würden komplett über reagieren. Schon damals wollte er, dass sie zur Polizei ging. Die Beamten konnten gegen Stalker allerdings erst etwas unternehmen, wenn sie körperlich über griffig wurden. Und zu einem direkten Kontakt war es noch nie gekommen.

„Das er beruflich weg war und sich deswegen nicht gemeldet hat."

„Der ist doch krank der Mann. Du solltest wirklich Anzeige erstatten."

Da war es ja. Sie rollte innerlich die Augen.

„Er wird bald aufhören, da bin ich mir sicher. Er ist nur ein Mann der 'nem Mädchen Angst machen will. Die bekommt er aber nicht von mir."

„Du bist ja auch furchtlos", meinte Tom anerkennend.

„Sag ich ja. Er wird aufhören. Schon bald." Aus purer Lust zündete sie sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft.

„Lasst uns den Brief für ein gutes Foto verbrennen

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„Lasst uns den Brief für ein gutes Foto verbrennen."

„Gute Idee", stimmte Kimberly zu.

Sie gingen wieder zum Klettergerüst und diesmal setzte sie sich drauf, hielt ihr Gleichgewicht, damit sie einen Fuß drauf abstellen konnte.

„Ok. Geht los."

Mit der Zigarette zündete sie den Umschlag an und er färbte sich an der Ecke sofort schwarz. Kleine Flammen leckten an dem Papier und fraßen es auf. Asche flog in die Luft und sie ließ ihn los, als sie die Hitze an ihren Fingern spürte. Er segelte in den Sand und sie sah dabei gebannt zu. Da flog das Versprechen ihres Mannes zu Boden, zerstört und ausgelöscht.

Für immer.



So, das war jetzt der zweite Teil. Keine Sorge, die Action beginnt bald. Im Teil vier denke ich, der nächste dreht sich erstmal um die Sicht des Stalkers.

Habt ihr inspirierende Kritik?

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