Die nächste Woche verbrachte ich ausschließlich in dem Turmzimmer. Ich fand eine Truhe in der, außer mehreren Kleidern, viele Bücher versteckt waren und verbrachte die Tage damit, auf dem Fensterbrett zu sitzen und zu lesen.
Cedar und Peony hielten sich an den Befehl ihres Königs. Sie besuchten mich keinmal. Noch nichteinmal Leyla sah nach mir. Nur die Diener unterbrachen meine Einsamkeit indem sie mir wortlos etwas zu Essen brachten. Ich hatte mich selbst zur Gefangenen gemacht.
Schließlich, nachdem die Sonne des Siebten Tages mein Zimmer in goldgelbes Licht tauchte, klopfte es an der Tür. Als ich aufmachte stand ich einer jungen Frau in glänzender bronzener Rüstung gegenüber.
Sie hatte rosige Haut und freundliche Gesichtszüge. Ihr braunes Haar war zu einem hohen Zopf gebunden. Mein Blick flog zu ihren Augen. Ihr eines Auge war braun, wie Kiefernholz, doch ihr anderes Auge strahlte, wie die Herbstsonne, die durch die bereits rot gewordenen Blätter fiel. Trotz ihren sanftmütigen Augen und dem mitfühlenden Ausdruck, der ihren Mund umspielte, musste ich mich zusammenreißen, um nicht zurückzutaumeln.
Sie strahlte eine unnatürliche leere aus, wie als würde sie jede Energie, jede Wärme um sich herum absorbieren. Sie verneigte sich und ein bernsteinfarbenes Amulet um ihren Hals verfing sich in den Sonnenstrahlen und strahlte heller, als jede Sternschnuppe.
"Eure Hoheit?", fragte sie. Ich neigte ebenfalls den Kopf und versuchte unauffällig in ihrem Gesicht irgendetwas zu erkennen, dass mir die unnatürliche Kälte um sie herum erklärte.
"Ich bin Alya Fireswort, Gernerälin des Königs. Ich bin hier um euch zum Turnier zu bringen.", ihre Stimme klang warm und stand im starken Kontrast zu der kühlen Aura, die sie umgab.
"Wieso veranstaltet ihr ein Turnier?", fragte ich neugierig. Alya antwortete geduldig.
"Es ist fünf Jahre her, seitdem der Krieg zwischen dem Dunklen Hof und dem Lichten Hof der Elfen geendet hat. Vor fünf Jahren zog König Peter in die Schlacht und kämpfte siegreich für den Frieden in Eralor. Traditionell feiern wir an den letzten zwei Tagen des Krieges ein Fest. Heute findet ein Turnier statt und morgen Abend der Ball."
"Ich wusste gar nicht, dass es in Eralor Krieg gab!", sagte ich. Alya runzelte die Stirn und musterte mich, wie um festzustellen, ob ich die Wahrheit sagte oder sie auf den Arm nehmen wollte. Irgendwie war beides der Fall. Die Gerüchte um den dunklen Krieg waren bis zu den Mauern von Dilacerant vorgedrungen. Dennoch hatte ich es damals mit zwölf Jahren nicht so Ernst genommen.
Alya kam zu dem Schluss, dass ich die Wahrheit sagte und wartete geduldig, bis ich in meine Sandalen geschlüpft war, bis sie voraus ging.
Ich folgte ihr die Wendeltreppe hinab, durch den Schlosshof, durch einen riesigen Torbogen, bis wir schließlich vor einer weiten Wiese stoppten.
Vor mir erstreckten sich ein riesiges kreisrundes Loch im Boden, mit mehrere Reihen von Stufen im Gras, wie ein Amphiteater in der Wiese. Das Volk von Eralor ströhmte auf die Reihen zu, um noch einen guten Sitzplatz zu ergattern. Unten, in der Mitte des runden Theaters, war ein staubiger Platz mit einem Rednerpult und zwei Eingängen in den Wänden. Das Geplapper der Menge vermischte sich in meinen Ohren zu einer unverkennbaren Melodie: der Euphorie vor einem Kampf.
Alya führte mich die Stufen hinab bis zu einer Empore, die über den Sitzbänken. Mit großen Augen betrachtete ich meine Umgebung, bis ich plötzlich mit jemandem zusammen stieß.
"Pass doch auf, wo du hintrittst!", fauchte sie mich an. Demonstrativ hob ich den Kopf und starrte das Mädchen an, dass mich so angefahren hatte.
Sie war kleiner als ich und etwa ein Jahr jünger. Ihr dunkles Haar umspielte ihr Gesicht wie schwarze Seidenstränge. Das Mädchen fixierte mich mit einem Auge, was grüngelb war, wie die Sonne, die auf das Moos fiel. Ihr Anderes Auge brannte sich in mein Gedächtnis wie glühende Kohlen. Wie ein unsichtbarer Schutzschild umgab sie eine Aura von Hitze, wie sie von den Flammen eines Feuers ausging und nicht von einem normalen Mädchen. Sie trug eine bronzene Rüstung mit einem bernsteinfarbenen Amulet, das um ihren Hals baumelte.
"Geh mir aus dem Weg!", knurrte sie. Ich verschränkte die Arme.
"Es ist genug Platz, du kannst genauso gut an mir vorbei laufen!", erwiderte ich ruhig.
"Lass gut sein, Isa!", mischte Alya sich ein.
Mein Blick flatterte zwischen ihnen hin und her. Sie trugen dieselbe Rüstug, dasselbe Amulet, doch während Alya kühle Gedasstheit ausstrahlte, pulsierte Isa fast vor brennender Emotionalität.
Isa fixierte mich. Ihre Augen schienen mich zu durchbohren.
"Das ist also die Wasserprinzessin?!", es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Sie zuckte betont lässig mit den Schultern und ging dann an mir vorbei. Meine Nackenhaare stellten sich auf, als sich die Luft neben mir schlagartig erhitzte. Ich hasste Feuer.
Alya übernahm wortlos die Führung und stoppte schließlich vor der Empore.
"Entschuldigt bitte meine kleine Schwester!", sagte sie.
"Es gibt nichts zu entschuldigen!", erwiderte ich und schließlich, auf die Gefahr hin, unhöflich zu sein, fragte ich, "Seid ihr zwei ebenfalls Elfen?" Alya schmunzelte.
"Isa und ich tragen die Träne des letzten Drachens. Sie wird seit Generationen in unserer Familie weitergegeben.", gedankenverloren umfasste sie ihr Amulet, "Die Drachen waren einst die Beschützer der Menschen, bis sie alle nacheinander fielen, die unbändige Kriegslust der Menschen hatte sie umgebracht. Der letzte Drache starb lange nachdem seine Brüder und Schwestern gestorben sind. Er wollte nicht mehr allein sein, er sehnte sich nach der Nähe anderer Drachen. Doch er konnte die Menschen nicht im Stich lassen. In seinem Kummer weinte er so laut, das die Götter sich seiner erbamten. Er starb und vermachte uns seine gesamten, in der Träne gespeicherten Kräfte, um die Menschen zu beschützen. Doch die Kraft von Drachen war nicht für Menschen gemacht. Sie wurden verrückt davon. Also zerbrach eine unserer Urahnen den Stein und trug ihn zusammen mit seinem Bruder. Und so wurden die Tränen weitergegeben. Bis zum heutigen Tag.
Isa kann alles in Flammen aufgehen lassen, ich lösche jedes Feuer."
"Ich wusste gar nicht, dass es Menschen mit ähnlicher Begabung wie in meiner Familie gibt.", sagte ich. Neugierig legte Alya den Kopf schief.
"Die SeaLands waren einst gespalten. Um den Krieg zwischen den Menschen zu stoppen schenkten die Menschen dem Kind mit der reinsten Seele die Gabe des Wassers, um das Land zu einen. Das Kind beendete also den Krieg, indem so viele Menschen gestorben waren. Es wurde vom Volk zum Herrscher gemacht. Die Gabe wird in unserer Familie vererbt. So hat es mir zumindest meine Mutter damals erzählt.", sagte uch und schluckte. Meine Mutter war vor drei Jahren gestorben.
"Lady Fireswort?!", fragte eine Stimme hinter Alya. Diese verbeugte sich tief.
"Danke General! Sie können jetzt wegtreten.", sagte König Peter. Ich blickte Alya hilflos hinterher.
"Setzt euch, Prinzessin.", forderte er mich auf und deutete auf einen Sitzplatz. Ich knickste und setzte mich dann mit ausdruckslosem Gesicht auf den Stuhl. In meinem Kopf hatte ich noch immer die Szene von vor einer Woche.
Er setzte sich neben mich, lehnte seinen Arm auf die Stuhllehne und stützte seinen Kopf auf die Hand.
Fanfaren ertönten und ich wendete mich dem Schauspiel unter mir zu.
Eine der Türen öffnete sich und eine Reihe aus Kriegern, jeweils in glänzender Rüstung, marschierten in perfektem Gleichschritt in die Arena. Das Publikum schrie begeistert auf.
"Das sind die Krieger, die heute in der Arena kämpfen!", sagte Peter neben mir. Ich schnaubte.
"Es sind keine Krieger!", widersprach ich, "Krieger sind Menschen, die aus edlen Gründen kämpfen. Die dort unten kämpfen nur um Ruhm und Ehre!", erwiderte ich.
Peter sag mich so lange an, bis ich ihm das Gesicht zuwendete.
"Es tut mir leid!", sagte er, "Ich hätte so nicht mit euch reden dürfen!"
Ich wiederstand dem Drang, wegzusehen.
"Es, es ist schon in Ordnung.", sagte ich.
"Seid ihr sicher?", harkte er nach. Ich fühlte mich plötzlich unglaublich unwohl.
"Wirklich!", sagte ich, "Es ist schon in Ordnung!" König Peter sah mich immer noch an, doch ich wendete mich ab und konzentrierte mich auf den Kampf unter mir. Gerade kämpfte ein Zwerg mit gigantischer Axt und noch unglaublicherem dunklen Haar gegen einen Lichtelfen.
Ich spürte seinen Blick noch immer auf mir, bis schließlich Alya in die Arena trat. Sie kämpfte gegen einen Zentauren, einen aus dem Publikum. Alya gewann.
Ich lehnte mich im Stuhl zurück, als der Moderator ihre Hand hochriss und die Menge jubelte. Ich klatschte, als sie die Arena verließ.
Eine andere Person stolzierte in die Arena. Isas dunkles Haar umwirbelte sie und verlieh ihr ein fast heroisches Auftreten.
"Lady Isa Firesword, zweite Generälin des Königs, Trägerin der Träne des Drachens.", rief der Moderator. Das Klatschen der Menge steigerte sich ums zehnfache. Gleich würde Isa ihren Gegner bestimmen.
Im Publikum wurde ein Name laut: Cedar.
Das Publikum wollte, dass sie gegen Cedar kämpfte. Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen, suchte nach Cedar.
Schließlich hob Isa die Hand und die laute Aufregung wich angespanntem Gemurmel.
Erwartungsvoll beugte ich mich vor.
"Meine Gegnerin soll Kaylen Bellaqua sein!", verlangte Isa.
Totenstille.
Mit einem Satz war jedes Gespräch nebensächlich geworden. Erwartungsvoll drehte sich das Publikum zu mir um.
Peter sprang auf und ging bis zum Geländer der Empore. Ich folgte ihm mit einem Wimpernschlag Abstand.
"Lady Bellaqua soll angeblich unsere mächtigste Waffe im Kampf gegen die SeaLands sein! Bis jetzt hat sich die Prinzessin allerdings nur in ihrem Zimmer versteckt. Sie soll zeigen, was sie kann, sie soll sich ihren Platz an unserer Seite verdienen!", rief sie laut. Zustimmendes Gemurmel wurde laut.
"Isa!", rief König Peter wütend, "Wie kannst du es wagen! Jeder hat gesehen, wie sie die SeaLander besiegt hat!"
"Dann wird sie ja jetzt kein Problem mit mir haben!", erwiderte Isa herausfordernd. Wütend umfasste Peter das Geländer.
"Ich nehme die Herausforderung an!", rief ich laut, "Zeigt mir, wie machtvoll eure Flammen sind, Isa Firesword!"
Ich wollte aus der Empore gehen, dich König Peter griff nach meinem Arm.
"Isa denkt nicht strategisch, dazu ist sie zu emotional. Sie hat am Anfang viel Energie, diese lässt aber schnell nach. Lass sie sich zuerst verausgaben, bevor ihr angreift. Ich nickte und er ließ meinen Arm los.
Mit ruhigem Schritt lief ich die Treppe hinunter bis zum staubigen Kampfplatz.
Um die Arena wurden Schalen mit Wasser aufgestellt.
Meine Finger kribbelten. Ich spürte die bekannte Vorfreude, endlich wieder mit dem Wasser vereint zu sein.
Isa stellte sich mir gegenüber, die Füße hüftbreit aufgestellt, die Hände zu Fäusten geballt. Ich verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.
Der Unterschied zwischen uns Beiden hätte nicht größer sein können. Sie mit der bronzenglänzenden Rüstung, dem Schild auf dem Rücken, das Schwert an der Hüfte gegen mich in meinem blasslila Kleid, dessen Saum über den staubigen Boden der Arena schleifte und den braunen Sandalen.
Ein Signalton ertönte und Isa stürmte schreiend auf mich zu. Im Rennen riss sie ihr Schwert aus der Halterung. Blitzschnell rief ich das Wasser zu mir. Ich hatte mir schon vorher Rüstungen gemacht, kannte jedes Teilstück auswendig. Meine Rüstung aus Eis war fertig ehe Isa ihre Hand gehoben hatte. Ich öffnete die Hand und parierte ihren Schlag mit dem Schwert, dass ich gerade aus Eis erschaffen hatte. Blitzschnell wirbelte ich mein Schwert herum und traf auf ihren Schild. Wütend schleuderte Isa den Schild von sich.
Ich nutzte die Gelegenheit und schlug mit voller Kraft gegen ihre nun ungeschützte Taille. Isa schlug nach mir, doch ich duckte mich und ließ den Knauf meines Schwertes auf ihren Fuß sausen.
Bevor sie reagieren konnte rollte ich mich von ihr weg und kam ein paar Meter entfernt wieder auf die Füße.
Isa schleuderte ihr Schwert in meine Richtung, ließ den Kopf in den Nacken fallen und stürmte kreischend auf mich zu. Das Amulet begann zu glühen, um ihre Arme wirbelten Flammen, wie züngelnde Schlangen.
Ich verformte das Eis meines Schwertes und nutzte es um meine Rüstung zu verstärken.
Isas brennende Hände prallten gegen meine Schultern und drängten mich zurück. Es dampfte, wo ihre lodernden Hände meine Rüstung berührten. Wasser tropfte von meinen Schultern auf den Boden und vermischte sich mit dem Staub der Arena zu dunklem Schlamm. Ich spürte die Hitze der Flammen, hörte das Knacken meiner Rüstung und stieß sie von mir weg. Isa taumelte ein paar Schritte rückwärts, fing sich aber schnell wieder.
Wutentbrannt riss sie die Arme hoch und ein Wall aus Feuer wuchs vor mir. Ich schrie auf und stolperte rückwärts, bis ich mit dem Rücken gegen die Mauer des Kampfplatzes stieß. Panik kämpfte um die Oberhand. Das Feuer kam mir immer näher.
Feuer war das komplette Gegenteil von Wasser. Feuer war unberechenbar und unbeherrschbar. Feuer konnte nur zerstören, und diese Feuer würde mich zerstören.
Ich hörte das Zischen der Flammen, wie sie nach mir schrien, spürte die Hitze der Flammen, die über mein Gesicht streichten, schmeckte den Rauch und die Asche. Das Feuer kam mir immer näher. Hinter den Flammen erkannte ich Isas Silhouette, wie ein schwarzes Fantom. Ich wimmerte.
Gleich würde es vorbei sein, gleich würde das Feuer mich verschlingen.
Mit dem Mut der Verzweiflung griff ich durch die Feuerwand, bekam Isa zu fassen und wirbelte sie herum, sodass sie nun mit dem Rücken an der Seitenwand stand.
Der Feuerwall flackerte, ich nutzte die Gelegenheit und eine Welle brach über Isa zusammen. Sie wurde gegen die Wand gepresst, das Wasser löschte ihre Flammen und umgab sie. Ein riesiger Tropfen schwebte empor, bis zur Mitte der Arena und Isa schwebte im Wasser. Sie trieb nach oben, ihr Kopf durchbrach die Wasseroberfläche und sie holte kreischend nach Luft. Meine Knie zitterten.
"Gib auf!", schrie ich schwer atmend. Mein Herz fasste unglaublich schnell.
Isa warf mir einen wütenden Blick zu.
Sie war es nicht gewohnt, aufzugeben, nicht gewohnt, zu verlieren.
Ein Signalton ertönte.
"Siegerin des Kampfes ist Kaylen Bellaqua. Prinzessin der SeaLands!", erschallte es über den Platz. Die Menge jubelte. Ich ließ die Blase aus Wasser zu Boden gleiten und Isa blieb benommen in der Mitte des Platzes stehen. Ich wiederstand dem Drang, mich fallenzulassen.
Plötzlich stand König Peter neben mir, ergriff meinen Arm und hob ihn in die Höhe, woraufhin sich der Jubel der Menge nochmal verstärkte.
Und für einen Moment genoss ich den Jubel. Für einen Moment war ich wieder Kaylen, eine Prinzessin.
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Die Chroniken von Eralor- Kaylens Lied
FantasyKaylen, die Prinzessin der SeaLands, muss, kurz vor ihrer Krönung, aus ihrem Land fliehen. Sie wird im benachbarten Königreich aufgenommen, jedoch ohne das jemand ihre wahre Identität kennt. Doch zwischen beiden Ländern herrscht seit langem ein une...