6.Kapitel - car talks

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Zu behaupten, das Wochenende hätte sich unerträglich in die Länge gezogen und ich wäre drauf und dran gewesen, den Styles einen kleinen Besuch abzustatten, wäre vermutlich stark untertrieben. Ich war außer mir vor Sorge und der sich überschlagenden Gedanken. Wären meine Geschwister nicht gewesen - ich wäre durchgedreht. Aber nun war eine neue Woche angebrochen. Vielleicht hatte ich mir ja auch komplett umsonst so den Kopf zerbrochen und Harry würde mich heute in der Schule genauso freundlich begrüßen wie am Freitagabend auch. Zumindest hoffte ich das, denn irgendwie wollte ich unbedingt vermeiden, dass es zwischen uns so komisch blieb.

"Danke fürs Fahren, Bruderherz." Daisy und Phoebe gaben mir jeweils einen flüchtigen Kuss auf die Wange, ehe sie ausstiegen und sich fröhlich lachend auf den Weg zu ihrer Schule machten. Einen Moment lang sah ich ihnen noch in Gedanken versunken nach, bis ich bemerkte, dass sie schon längst aus meiner Sichtweite verschwunden waren. Ich drückte auf das integrierte Display des Bordcomputers und steuerte meinen Wagen langsam aus der Parkbucht, direkt in die Richtung meiner High School. Im Auto breitete sich langsam eine angenehme Wärme aus, aus den Lautsprechern dröhnte River von Bishop Briggs.

Die letzten Töne verklangen gerade, als ich die kleine Einfahrt zum Parkplatz einschlug, die Uhr zeigte mir 6.40 Uhr an. Bis der Unterricht beginnen würde, hatte ich also noch über zwanzig Minuten Zeit. Deshalb nahm ich mein Handy in die Hand und öffnete den Chat mit Lottie, um ihr mitzuteilen, wann sie Fizzy und die Zwillinge heute abholen sollte. Sie war heute daheim geblieben, weil sie heute Morgen mit einer fiesen Erkältung aufgewacht war, also hatte ich niemanden außer Daisy und Phoebe mitnehmen müssen. Und da mein Schultag leider länger ging als der meiner Schwestern, holte sie mittags meistens Lottie oder meine Mum ab. Felicité ging auf eine ganz andere Schule, da sie hier bis zu ihrem Wechsel nur gemobbt wurde und partout keinen Anschluss fand, außerdem fuhr sie schon selbst Auto, weshalb ich mir darüber keine Gedanken machen musste.

Ein Klopfen gegen meine Fensterscheibe ließ mich zusammenzucken, sodass mir mein iPhone direkt aus der Hand fiel und natürlich direkt in die Lücke zwischen Mittelkonsole und Sitz rein. Ganz toll, so startete man richtig in den Tag. Als ich zur Seite blickte, blinzelte Harry mir schulbewusst entgegen, seine Lippen zu einem niedlichen Schmollmund verzogen. Schnell ließ ich mein Fenster herunterfahren. "Harry, was machst du denn hier? Wie hast du mich überhaupt gesehen, die Scheiben sind doch ganz beschlagen", erkundigte ich mich verwundert, mein Handy war ganz vergessen. Harrys bereits gerötete Wangen wurden schlagartig eine Nuance röter und mit einem verlegenen Räuspern druckste er: "Hab das Auto am Samstag in eurer Einfahrt gesehen. Ich kann mir Kennzeichen recht gut merken und bei LT91 hab ich vermutlich einfach bloß eins und eins zusammengezählt."

Ich schmunzelte. Harry war schon echt süß. "Steig ein" forderte ich ihn grinsend auf, "du erfrierst sonst noch in dieser Kälte." Dankbar erwiderte er mein Lächeln und überbrückte schnell die Distanz zur anderen Seite des Autos, inzwischen fischte ich auch mein Handy wieder aus dem Spalt hervor. Harry öffnete die Türe und mit sich brachte er einen Schwall eisiger Kälte ins Auto. "Fuck, es ist wirklich eiskalt draußen." Harry lachte leise, während er seine Handflächen schnell gegeneinander rieb. "Warte, das können wir leicht ändern." Schnell drehte ich die Klima auf seiner Seite höher, bis das vertraute Brummen ertönte und noch viel mehr warme Luft ins Innere des Autos geblasen wurde.

"Das tut gut." Harry seufzte ausgiebig und schloss für einen Moment seine Augen. Diese Gelegenheit ließ ich mir natürlich auch nicht entgehen und musterte seine Gesichtszüge konzentriert. Die Schatten unter seinen Augen waren verschwunden und anstatt dass ihn die Blässe aussehen ließ wie ein Gespenst, wirkte sie heute an diesem nebligen Dezembertag wie die reinste Schneewittchenhaut. "Ich liebe dieses Lied", summte er leise vor sich hin, angenehm leise im Takt des Lieds. Mein Blick fiel aufs Display. Where's My Love von SYML. Ein in der Tat wunderschönes, aber auch sehr ruhiges Lied.

Es war komisch. Dieses Bild von Harry vor mir zu sehen, wie er langsam begann, den Song mitzusingen, so gefühlvoll, dass es noch schöner klang als das Original. So passend, da Harry absolut eine alte Seele, kein Hipster, aber eben ein Mensch mit Liebe zu Originellem, zum Detail und allem, was andere übersehen, war. Das merktr man, sobald man das erste Mal mit ihm sprach. Doch dann hatte ich es erlebt. Diesen rauen, unbändigen Teil von ihm, den er mir gezeigt hatte, als er Samstagnacht urplötzlich verschwunden war. "Harry?", durchbrach ich deshalb diesen eigentlich so privaten Moment zwischen uns, doch dann fasste ich wieder neuen Mut, denn dieses Gespräch, meine Fragen waren nämlich mindestens genauso intim und privat wie dieses Beisammensein, einzig und allein begleitet von leiser Musik.

"Hm?" Er schlug die Augen auf und da war es wieder. Dieses stechende Grün. "Was war am Samstag los? Warum bist du so plötzlich abgehauen?" Harry verstummte für einen Augenblick, doch er schien nicht angespannt oder etwas dergleichen zu sein, was ich erstmal als Fortschritt für uns aufnahm. "Es war mir unendlich peinlich." "Was genau?" "Mein Alptraum, der Anruf, das Kuscheln mit dir, obwohl du das wahrscheinlich gar nicht wolltest und generell bin ich einfach furchtbar peinlich als Person." Harry spielte verlegen mit einem auffälligem, silbernen Ring an seinem Finger, der die Form einer Rose hatte.

"So ein Quatsch." Gut, vielleicht war das nicht die perfekte Antwort, doch ich wollte nicht, dass Harry so von sich dachte. "Das ist okay, dass du geträumt hast, das passiert doch." Mir zwar nie, doch das wäre wohl jetzt nicht wirklich angebracht, das zu sagen. "Und ich kuschle gerne mit Personen, vor allem mit Freunden von mir und das sind wir doch, oder? Freunde?" Hätte ich diese Situation von außen betrachten können, wäre es mir vermutlich unendlich peinlich gewesen, wie viel Hoffnung ich sowohl in meine Frage, wie auch meinen Blick legte. Doch das war ja nicht der Fall, also starrte ich Harry einfach unsicher an und wartete seine Reaktion ab.

Auch er sah nun mich an, seine Lippen zierte ein unsicheres Lächeln. "Wenn du das immer noch willst nach diesem grotesken Abgang von mir, dann natürlich gerne", gab er verlegen kichernd zurück und mir ging das Herz auf. Harry war eine dieser Personen, die es einfach schafften, andere glücklich zu machen. Allein dadurch, dass sie irgendetwas Unbedeutendes sagten oder taten.

"Also?", grinste ich ihn glücklich an, auf einmal viel besser gelaunt als es für mich für einen Montagmorgen üblich war, "Freunde?" Harry lächelte breit, sein linkes Grübchen kam deutlich zum Vorschein und auch er nickte freudig. "Freunde."

Und so kam es, dass Harry und ich an diesem Tag das erste Mal gemeinsam die Schule betraten.

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Einen schönen 1.Advent, meine Lieben❄
Ich möchte erstmal sagen, dass ich mich mega über euer Interesse an dieser Story freue! x
Für das nächste Kapitel hab ich schon was geplant, hehe, ich freu mich (:

All the Love. lilly x

Love Me Like Christmas (larry stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt