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Juni 1953

Untypisch für Juni regnete es. Chohee wiederum bekam es nicht wirklich mit. Seit dem sie und Ilsung zurück aus China waren, bekam sie wenig mit. 
Ihre Mutter und ihre Freundinnen machten sich sorgen, versuchten sie abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen.  
Selbst Ilsung versuchte es. Blieb öfters Zuhause bei ihr  und brachte ihr Blumen mit, wenn er abends von der Arbeit kam. Doch nichts konnte ihre Stimmung ändern.
Jeden Tag schrieb sie in ihr Tagebuch, welches sie unter ihrem Bett versteckte. Schrieb ihre Gefühle und Sehnsüchte auf.
Sie könnte auch Briefe an Chahui schreiben, doch sie hatte angst, dass man sie kontrollieren würde. 
So ließ sie es und wurde mit jedem Tag  trauriger.
Einer einzigen Freundin hatte sie von Chahui erzählt. Aber auch nur, weil diese Freundin Ilsung nicht besonders mochte und allgemein gegen die Zwangshochzeit gewesen war.
Schon immer war sie auf Chohees Seite gewesen.
Auch jetzt war sie auf ihrer Seite und versuchte ihr zu helfen. Doch selbst sie wusste nicht, was man machen könnte.

Zusammen saßen sie bei Chohee im Zimmer. Laut prasselte der Regen gegen das Fenster.
Ilsung war auf der Arbeit und die Bediensteten hatten einen Tag frei bekommen. So konnten sich die beiden unterhalten, ohne gestört oder gar belauscht zu werden.
 
„Was soll ich nur machen?“, fragte Chohee zum wiederholten Male niemand bestimmtes. Ihr Hände krampften sich zusammen. Minyoung blieb still, wusste auch sie keine Möglichkeit.
Zerbrach sich dennoch immer den Kopf und suchte nach einer Lösung. Es schmerzte, ihre beste Freundin so leiden zu sehen.

„Wenn ich ihn doch noch einmal sehen könnte“, flüsterte Chohee und fuhr theatralisch mit ihren Fingern über die kalte Fensterscheibe.
Wie ein Blitz traf es Minyoung, schmiss sie von ihrem Stuhl. Erschrocken von der plötzlichen Bewegung schaute Chohee sie an.

„Was machst du da?“, fragte sie und das erste Mal seit Tagen, wenn nicht sogar schon Wochen, schlich sich ein kleines, zaghaftes Lächeln auf ihre Lippen.

„Ich bin vom Stuhl gefallen“, erklärte Minyoung das Offensichtliche und rieb sich ihren schmerzenden Hintern.

„Ich hab die Idee.“ 
Während Minyoung sich wieder auf ihren Stuhl setzte und sich zu Chohee vorbeugte, spitze die jüngere ihre Ohren. Egal wie absurd die Idee war, wenn sie dafür Chahui wieder sehen könnte, dann würde sie es auf der Stelle machen.

„Du fliegst zu ihm.“ 

„Was?“ Verdutzt schaute sie ihre beste Freundin an.
„I-ich kann doch nicht einfach zu ihm fliegen.“

„Wieso nicht?“ Nachdenklich biss sie sich auf ihre Lippe. „Was wird Ilsung dazu sagen? Außerdem habe ich kein Geld.“
Minyoung verdrehte die Augen.
„Wir werden es Ilsung als eine Art Kur erklären, die wir zusammen machen. Da, wie jeder in ganz Korea mitbekommen hat, es dir in letzter Zeit schlecht geht. Wir müssen ihm ja nicht sagen, wohin es geht.“
Minyoung war von ihrer Idee begeistert und strahlte die ältere an. 

„Und das Geld? Ilsung hat die Kontrolle über die Konten.“
„Das lass mal meine Sache sein.“
„Was? Nein, du kannst mir doch nicht den Flug bezahlen!“
Entschlossen schüttelte sie den Kopf und stand auf. Lief durch den Raum.
„Aber wieso nicht? Ich hab das Geld dafür.“
„Trotzdem nicht. Wenn wir Ilsung es als Kur erklären, dann wird er es vielleicht bezahlen.“
„Sieht er dann nicht wohin wir reisen? Dann wird er nachher noch misstrauisch.“

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