Kapitel 4 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

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- Davina -

Gedankenverloren blieb ich vor der Tür stehen und starrte zum Fenster. John hatte mir angeboten mit ihm nach oben zu kommen, doch ich lehnte dankend ab. Es wäre zuviel für mich gewesen wieder in diese Wohnung zu gehen. Außerdem musste ich jetzt für mich alleine sein und das alles erstmal verarbeiten. Vor einigen Stunden hatte Sherlock mir gestanden, dass er nur noch einige Wochen zu leben hatte. Dann hatte er mich zu seiner Behandlung mitgenommen. Jeden Tag wurde eine Spritze in den muskulösen Oberarm meines Bruders gerammt, um die Wirkung des Gifts zu hemmen, und ihm Zeit zu verschaffen. Und das Alles bloß, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. „Ich war in einer Fabrik, für einen Fall. Plötzlich vernahm ich diesen Geruch und realisierte, dass jemand eine Giftbombe gezündet hatte. Dass ich überhaupt so viel Zeit habe, verdanke ich allein der Tatsache, dass ich nur wenige Minuten in dieser Fabrik war - und dem Gift deshalb wesentlich kürzer ausgesetzt gewesen bin. Trotzdem ist die Dosis in meinem Blut tödlich. Die einzige Ampulle des Gegengifts ist gestohlen worden und die Herstellung eines neuen Gegenmittels ist unmöglich, da wir es hier mit einem völlig neuen Gift zutun haben. Es ist mir, wie auch allen anderen Spezialisten, völlig unbekannt. Meine einzige Hoffnung ist deshalb, die gestohlene Ampulle rechtzeitig zu finden.“, hatte er mir ruhig und emotionslos in einem unerträglich monotonen Tonfall erklärt.

Und nun stand ich hier. Ohne ihn, mit der Gewissheit ihn vielleicht nie wieder sehen zu können, diesmal jedoch für immer. Es fühlte sich an als hätte ich einen Teil von mir gehen lassen. Einen Teil, der mich nun entzwei gerissen hatte. Ich konnte und wollte kein weiteres Mal von ihm Abschied nehmen. Kein "Auf Wiedersehen" sagen und erst recht nicht wie leid es mir täte. Denn nichts tat mir leid. Er schien es nicht mal zu Bedauern sterben zu müssen. Das war kein Optimismus, mein Bruder stand dem Tod mit einer Gleichgültigkeit gegenüber, die mich erschaudern ließ. Und so hielt ich den kleinen Zettel, den er mir zugesteckt hatte in meinen eiskalten Händen und klammerte mich an ihm fest, als würde er den letzten Faden zu Sherlock darstellen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihn noch gar nicht gelesen hatte. Vorsichtig entfaltete ich den Zettel und las die in Eile geschriebenen Worte. Mit ihnen kamen auch die ersten Tränen, die sich leise in meinen Augen angesammelt hatten und nun über mein Gesicht kullerten. "Morgen, 8.00 Uhr, Bakerstreet. Ich werde da sein.", murmelte ich und machte mich langsam auf den Weg nach Hause.

Mein Bruder, Sherlock. || BBC Sherlock FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt