Kapitel 5

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Nach der endlosen Begrüßungszeremonie und nachdem sie endlich den Ausgang gefunden hatten, was bei den ganzen dänischen Anweisungen auf den Schildern gar nicht so einfach war, stiegen sie endlich ins Taxi, zum Glück konnte Torte inzwischen ja etwas Dänisch, wenn auch ziemlich schlecht.
Aber hier mussten sie sich mit ihrem Schulenglisch weiterhelfen, denn Tortes gesprochenes Dänisch war miserabel.

Völlig fasziniert sahen alle aus den Fenstern. Die Reklame und die großen Häuser waren sie aus ihrem Provinzcaff nicht gewohnt. Torte betrachtete sie belustigt, sie sahen aus wie kleine Kinder. So verging die Autofahrt für sie auch überraschend schnell. Schließlich wohnte er auch nur einige Minuten vom Flughafen entfernt, mitten in der Stadt.

Endlose Stufen mussten sie hinauf steigen, denn natürlich war der Aufzug defekt und Torte wohnte im 15. Stock. V.a. Steve machte das zu schaffen, er hing etwas zurück und war im Gesicht schon ganz rot.
Vor der Wohnungstür angekommen setzte er sich erst einmal auf die Treppe und atmete tief durch.

Kaum in der Wohnung begegneten sie gleich Tortes neuen Freunden. Natürlich war er wieder Teil einer 4er Jungenbande geworden und wenn man die 3 anderen etwas näher kannte, merkte man die Ähnlichkeiten zu den Pygmäen.

Die Brüder Lars und Thomas sahen sich vom Gesicht her sehr ähnlich, aber das war auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit, sonst waren sie eigentlich so verschieden wie Tag und Nacht.

Thomas, der ältere von beiden, war eher ruhig, längere Haare und oft vertieft in einen Science Fiction Roman oder in irgendwelche Fantasy Karten. Er wirkte wie ein Außenseiter aber er war genauso ein netter und treuer Freund.

Sein jüngerer Bruder Lars war ganz anders. Sein cooles Auftreten war allen sofort aufgefallen. Voller Selbstvertrauen, charmant, fast etwas machohaft. Er war so etwas wie der Anführer der Gruppe. Aber trotz der Differenzen hielten die beiden Brüder immer zusammen.

Phil, der dritte im Bunde, war der Größte und Stärkste der 4. Er sah so aus, als wollte man ihn lieber nicht zum Feind haben. Und dann noch Torte dazu, sie wirkten schon wie ein richtig komischer Haufen, eben wie die Pygmäen früher.

"Möchtest du uns nicht vorstellen Thore?", fragte Lars Torte mit einem frechen Grinsen.
Dabei blieb sein Blick einen Augenblick zu lange auf Melanie liegen.

"Thore?", fragte diese belustigt?

"Ja den Spitznamen haben sie mir gegeben, sie können zwar alle Deutsch, aber warum ich eine Torte sein soll, konnte ich ihnen irgendwie nicht vermitteln", sagte Torte lachend. Alle beiden Banden fingen daraufhin an zu lachen, nur Tortes neue Freunde sahen verwirrt aus.

"Aber ja, das sind meine alten Freunde, Fred, Steve, Willi, Frida, Melanie, Trude, Willma und Sprotte."

"Könntest du das nochmal wiederholen, ich habe nicht alles mitbekommen?", fragte eine neue Stimme hinter ihm plötzlich. Erschrocken drehte Torte sich um und sah in ein neues Gesicht.
"Ah Amelie, da bist du ja endlich, das ist meine Schwester Amelie, sie kommt über die restlichen Ferien zu Besuch, sie lebt bei meiner Mutter.", mehr sagte Phil nicht, sondern setzte wieder einen etwas grimmigen Blick auf, nachdem er seine Schwester umarmt hatte.

"Ja genau, das hat der Grisgram hier sehr schön gesagt", stichelte sie in die Richtung ihres Bruder, "ich wohne ja eigentlich mit meiner Mutter in Schweden in Malmø, auf der anderen Seite des Kanals, ist mit der Fähre eigentlich gar nicht so weit weg."
Sie erzählte weiter ein bisschen was über ihre Familie und warum ihre Eltern getrennt lebten und die Freunde hören ihr aufmerksam zu.

Sprotte tat sie richtig leid, die beiden haben ein ähnliches Schicksal erlebt, wie sie als Kind.
Doch als ihr Blick so über die anderen hinwegschweift, entdeckt sie Tortes Blick, mit dem er Amelie bedenkt. Dabei muss Sprotte grinsen, sie ist ja wirklich ein hübsches Mädchen, nur für ihren Geschmack etwas zu hübsch für Torte.
Doch als ihr Blick weiter schweift, vergeht ihr Grinsen, als sie bemerkt, mit welchem Blick Fred sie ansieht.

"Wie lange bleibt ihr denn hier?",
Fred drehte sich völlig überrascht um, er war nur kurz in die Küche gegangen, um sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die Ankunft von Amelie hatte ihn irgendwie völlig verwirrt. Dieses Mädchen faszinierte ihn, irgendwie. Sie wirkte so selbstsicher, so frech und so witzig.

"Nicht lange, nur eine Woche dann geht es zurück in die Provinz.", antwortete er dem hübschen Mädchen mit seinem typischen Fred-Grinsen und sie musste lachen.

"Wir sind ja nur hier, weil wir Torte besuchen wollen, der musste uns ja verlassen, weil sein Vater hier her ziehen musste und ohne ihn ist das Bandenleben nicht dasselbe.", sagte der Pygmäenboss nun ernst.

"Das kann ich nachvollziehen, ich konnte mit diesen Banden zwar nie etwas anfangen, aber mein Bruder ist darin immer voll aufgegangen, das waren oft die einzigen Momente, in denen er geredet hat.", antwortete ihm Amelie mit einem leichten Grinsen.

"Warte was du warst nie in einer Bande? Wie hast du denn dann deine Kindheit verbracht?", fragte Fred gespielt übertrieben und so kamen die beiden ins Gespräch.

Sie erzählte von ihrer Kindheit und der Scheidung ihrer Eltern, dem Aufwachsen in einem neuen Land mit einer fremden Sprache, von Schule und Scherereien und von den Liebschaften ihrer Mutter und darüber, wie froh sie wäre, wenn ihre Mutter ihr keinen neuen Vater suchen würde und von ihrer einer strengen, schwedischen Tante, bei der sie immer übernachten musste, wenn sie früher alleine war, denn als Krankenschwester war ihre Mutter oft nicht daheim.
Und Fred hörte einfach nur zu und fand das Gespräch wahnsinnig unterhaltend, denn sie erzählte viele Passagen so sarkastisch, dass er oft lauthals lachen musste. Er hörte einfach nur zu, gab ihr eine Schulter zum Ausheulen, gab ihr Tipps und Ratschläge und so vergaßen sie die Stunden.

Als die Mädchen am Abend früher heimgingen, da ihr Zug morgen sehr früh abfahren würde, ging Sprotte mit einem mulmigen Gefühl.
Ihr war natürlich nicht entgangen, dass Fred und Amelie schon stundenlang in der Küche saßen und als sie sah, wie die beiden zusammen lachten und tat ihr Herz an genau der selben Stelle weh, wie damals auf dem Reiterhof.
Traurig folgte sie ihren Freundinnen raus aus der Wohnung und sie fuhren mit dem Taxi ins Hotel. Immer wieder musste Sprotte an die beiden denken? Was, wenn Fred sich in sie verlieben würde und was, wenn sie seinem Charme erliegen würde? Natürlich würde sie das und sie konnte 3 Tage lang nichts dagegen tun!

Was, wenn er dann nie wieder mit ihr zusammen kommen wollte? Im Hotel angekommen sah sie auf die Uhr, schon halb 8, nur noch eine halbe Stunde bis zu ihrem Treffen mit ihm, hoffentlich war es dafür noch nicht zu spät.

Sie ging ins Bad und machte sich nochmal frisch. Frida, die auch in dem Zimmer schlief, beobachtete Sprotte erheitert, selten hatte sie sich so hübsch gemacht. Sogar ein Kleid hatte sie an und geschminkt hatte sie sich auch. Um Viertel vor 8 kam sie aus dem Hotel und machte sich auf den Weg zum ausgemachten Café.

Sie schlenderte die Straße entlang und war gespannt, was das Treffen bringen würde. Sie wollte sich unbedingt mit ihm versöhnen. Sie öffnete die Tür zum Café und setzte sich an einen Tisch, jetzt muss er nur noch auftauchen. Schnell hat sie schon mal zwei Kaffee bestellt, er war ja meistens pünktlich.
Es war 5 vor 8 Uhr und langsam wurde Sprotte nervös....

Die wilden Hühner in DänemarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt