Kapitel 6

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'Lieber Fred,
Ich kann dir garnicht sagen wie enttäuscht ich von dir bin. Wirklich, so enttäuscht bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen.
Du hast mir das Herz gebrochen.
Du bist damals fremd gegangen.
Du hast unsere Beziehung einfach weggeworfen. Ich war bereit dir zu verzeihen, ich war wirklich bereit, mit dir nochmal über alles zu reden und ich war sogar bereit, dir nochmal eine 2. Chance zu geben.

Ich hab lange über unsere Situation nachgedacht gehabt, glaub mir, die 3 Wochen zu Beginn der Sommerferien lag ich nur in meinem Bett und habe über uns nachgedacht und mit wurde klar und vielleicht war es mir auch schon unterbewusst die ganze Zeit klar, dass ich nicht ohne dich Leben kann.
Fred, du bist ein absoluter Vollidiot und vielleicht begehe ich den größten Fehler, dir noch einmal eine Chance zu geben, aber ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt.

Und dann tust du mir so weh?
Wieso machst du das immer wieder? Warum hast du mich da sitzen lassen? Warum hast du mich versetzt?

Ich weiß nicht warum ich dir diese Frage stelle, eigentlich ist es mir schon klar und doch will ich eigentlich nicht wissen.
Ich war es dir nicht wert, du hast den Abend lieber mit diesem Mädchen verbracht, ich hoffe nur, dass du wenigstens glücklich mit deiner Entscheidung bist.
Vermutlich stelle ich dir diese Frage auch nur, weil ich genau weiß, dass ich diesen Brief niemals abschicken werde.'

Sie nahm den Brief zerknüllte ihn und schmiss ihn in Richtung Mülleimer, dass sie diesen weit verfehlte, war ihr im Moment völlig egal. Sie begann wieder zu weinen, es war einfach alles zu viel aktuell.
Sprotte war am gestrigen Abend völlig fertig nach Hause gekommen.
3 ganze Stunden hatte sie im Café gesessen, aber er kam einfach nicht. Sie hatte ihm geschrieben, ihn angerufen, keine Reaktion. Lange hatte sie gehofft, immer wenn die Tür zum Café geöffnet wurde, drehte sie sich voller Hoffnung um, doch vergeblich. Immer waren es nur irgendwelche anderen Gäste.
Und immer sahen sie alle mit diesem mitleidigen Blick an, als wäre ihr auf die Stirn geschrieben gewesen, dass sie grade versetzt wird.

Um 23 Uhr, als die Kellner schon zum Ladenschluss drängelten, ging sie enttäuscht nach Hause. Kaum im Hotelzimmer angekommen, legte sie sich hin und weinte einfach nur. Sie weinte den ganzen Abend, bis sie irgendwann einschlief. Nicht mal auf Fridas Fragen antwortete sie.
Irgendwann stellte sie auch keine Fragen mehr, sondern setzte sich einfach nur neben sie und streichelte ihren Rücken.

Noch nie hatte sie sich so verletzt gefühlt, so hässlich, so verabscheuungswürdig.
Es war wie ein Stich ins Herz. Und dazu immer das Bild von ihm und Amelie am Küchentisch. Hatte er sie wegen ihr versetzt? Natürlich!

Am frühen morgen setzte sie sich hin und schrieb einfach ihre Gefühle auf. Es wurde zu einem Brief, doch sie fand nicht den Mut ihn wegzuschicken. Sie brauchte das um alles richtig reflektieren zu können.

Aber viel Zeit darüber nachzudenken hatte sie nicht, denn schon um 7 Uhr ging ihr Zug und ihr Wecker sagte schon 6:40 Uhr.
Das mit Fred konnte sie nicht mehr klären, ob es da bei ihrer Rückkehr überhaupt noch eine Chance drauf gab? Vermutlich nicht.

Als sie schließlich im Zug saß, mit Kopfhörern in den Ohren, sah sie durchs Fenster ein Person dem Zug nachrennen, doch das wär ihr jetzt egal, ihr war aktuell alles egal, sie wollte nur weg, weg von ihm.

'Man was war da nur für ein Abend? Ich bin völlig durcheinander.
So durcheinander, dass ich schon um 6:30 Uhr aufgewacht bin.

Dieses Mädchen bringt mich völlig durcheinander. Unser Gespräch war wirklich sehr schön, es hat mir richtig gut getan, denn ehrlich, mir ging es nach der Geschichte mit Sprotte wirklich dreckig.

Es tat gut, mal jemandem davon erzählen zu können und es tat auch gut, mal wieder jemandem bei seinen Problemen helfen zu können, so wie es bei Sprotte damals meine Hauptbeschäftigung gewesen war.

Doch ich frage mich, warum ich die ganze Zeit an sie denken muss. Sie geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf und gestern musste ich ständig lächeln, als ich mich noch mit Torte über sie unterhalten habe.

Er hat richtig von ihr geschwärmt. Ich hatte nur den ganzen Abend das Gefühl, irgend was wichtiges vergessen zu haben.
Egal, ich machte mir erst mal einen Kaffee. Es war ja erst 6:35 Uhr.

Am Küchentisch wanderten meine Gedanken wieder zu Amelie. Genau hier hatten wir gesessen, getrunken, gelacht und uns ewig unterhalten. Wir hatten noch die Telefonnummern ausgetauscht und zum Abschied hat sie mich sogar noch auf die Wange geküsst.

Nur warum ist mir dabei auf einmal so heiß geworden? Ich dachte wirklich ich werde krank.
Aber ich denke, dass ist alles normal, wir haben uns eben sehr gut verstanden und sie hat es geschafft, dass ich mich nicht mehr so mies fühle und die ganze Zeit Sprotte vermisse. Warte mal? SPROTTE!

Da fiel es mir plötzlich ein. Verdammt, ich hatte es vergessen. Wie konnte ich das denn vergessen?
Nichts hielt mich mehr am Küchentisch und ich war auch nicht mehr leise. Ich rannte in mein Zimmer und schlüpfte in die erst beste Hose und das erstbeste T-Shirt.

Ich sah auf die Uhr: 6:43 Uhr, in 17 Minuten ging der Zug der Mädchen, das wusste ich noch von gestern. Ich schlüpfte schnell in meine Schuhe und sprintete die Treppen herunter und sprang auf eins der vielen öffentlichen Fahrräder.
Ich musste sie noch erwischen, so konnte ich das nicht stehen lassen.

Doch was sollte ich ihr sagen?
Und was, wenn sie garnicht mit mir sprechen wollte? Das war jetzt egal.

Ich bog in die Straße ein, in der der Bahnhof liegt und schmeiße das Fahrrad auf den Boden. Auf dem Weg in das Gebäude muss ich sicher 20 Leute angerempelt haben. Vor der Tafel bleibe ich stehen und suchte die Nummer ihres Interrail Zuges, sie wollten ja unbedingt eine zweitägige Dänemark und Schweden Rundreise machen.
Kaum kannte ich das Gleis, rannte ich wieder los, die große Uhr an der Decke sagte 6:58 Uhr. Man hörte schon den letzten Aufruf für ihren Zug. Ich erreichte das Gleis und sah den Zug. Grade wurden die Türen geschlossen.

Ich sprintete am Zug entlang auf der Suche nach ihrem Gesicht. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. In einem vorderen Abteil sah ich sie glaube ich sitzen, Kopfhörer in den Ohren und einen völlig abwesenden Blick.
Ich weiß nicht, ob sie es war oder ob sie mich gesehen hat, aber wenn ja, dann schaute sie völlig durch mich hindurch.

Ich stand nun da und sah dem Zug nach und war auf einmal wieder völlig verwirrt. Das gute Gefühl, dass ich gestern Abend und bis vorhin noch hatte, war weg. Ich wusste einfach nicht mehr weiter, wie sollte ich das wieder regeln?'

Die wilden Hühner in DänemarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt