Eindeutig zweideutig

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Komplett verwirrt starrte ich ihm nach, nicht sicher, was ich von den neuesten Ereignissen halten sollte. Ich meine, was war das denn gewesen? Was tat ihm bitte leid? Dass er mich gestern mit seinen, teilweise echt gemeinen, Sprüchen genervt hatte? Oder das Pizza-Desaster? Naja, das konnte es nicht sein, dafür hatte er sich ja schon in vier Sprachen oder so entschuldigt. Was also dann?

Ich bemerkte gar nicht, dass ich seit mehreren Minuten die Luft anstarrte, bis Lilly sich räusperte. Erst da realisierte ich dann auch, dass sich der Raum geleert hatte und nur noch wir beide dort standen. Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen und drehte mich dann zu Lilly, welche genau so ratlos guckte, wie ich auch. Nur galt ihr Blick nicht der Tür, sondern mir.

Ich wollte sie gerade fragen, was los war, als sie auch schon von selbst zum sprechen ansetzte:„Nun ja, also das war wirklich seltsam."
„Ja, find ich eben auch! Ich meine, was tut ihm denn Leid? An seine dummen Sprüche bin ich mittlerweile gewohnt. Und dann auch noch die Umarmung..." Ich merkte, dass ich kurz davor war, in hysterisches Geschnatter auszubrechen und war demzufolge froh, als Lilly mich augenrollend unterbrach: „Ich mein doch nicht Deamon du Nuss, sondern dich! Obwohl Deamon ja auch echt seltsam drauf war."

„Mich", echote ich wie ein Papagei, der das Sprechen übt.
„Ja, dich", wiederholte Lilly geduldig, als wäre ich das kleine dumme Kind, wie das ich mich tatsächlich fühlte, „man könnte glatt meinen du seist verliebt!"

Prompt verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke und fing an, wie wild zu husten. Lilly wartete, bis ich mich wieder beruhigt hatte und grinste dann zweideutig: „Na, wenn das mal keine eindeutige Antwort war!"

„Pff so ein Quatsch, die einzigen Dinge, in die ich verliebt bin, sind mein Bett und der Kühlschrank! Und falls ich mich je dazu entschließen sollte, romantische Gefühle für einen männlichen Trottel zu entwickeln, dann garantiert nicht für Deamon!" Wütend schnaufte ich durch und drückte unauffällig die Daumen, dass Lilly mir mehr Glauben schenkte, als ich mir selbst.
„Wie kommst du denn auf Deamon, von dem hab ich doch gar nichts gesagt", versuchte mich Lilly mit dem alten Trick dran zu kriegen. Doch nicht mit mir!

„Nun, dein Grinsen war dann doch ziemlich eindeutig", erklärte ich ihr ein bisschen eingeschnappt, doch Lilly hatte nicht vor, mich ernst zu nehmen, denn sie bekam einen halben Lachanfall, verschluckte sich und musste nur noch mehr lachen. Bis sie sich beruhigt hatte sammelte ich meine restlichen Sachen zusammen und schulterte meinen Rucksack.

„So ein Jammer, dabei hatte ich mir doch solche Mühe gegeben, zweideutig zu grinsen!" Dann wieherte sie wieder los, weshalb ich genervt davon stapfte. Sie schaffte es nicht oft mich zu nerven, aber heute war ich echt mies drauf.

„Jetzt warte doch mal!"

Ich stapfte weiter. Vielleicht wäre ich gewillt, Lilly zuzuhören, sobald ich etwas Essbares im Magen hatte. Es roch nach Pilzen, vielleicht hab es ja dieses leckere Pilzomlette! Ich beschleunigte, um die letzten Treppen ins Erdgeschoss besonders schnell hinter mich zu bringen. Dabei dachte ich über das nach, was Lilly da grinsend angedeutet hatte. War ich etwa wirklich auf dem Weg, mich in Deamon zu verlieben? Das konnte nicht sein! Oder?

„Okay, okay, ich geb es ja zu", keuchte Lilly neben mir angestrengt. Anscheinend hatte sie doch ein ganzes Stück gebraucht, um mich einzuholen, denn ich war, ohne es zu merken immer schneller geworden, sodass die Mensa nur noch eine Ecke entfernt lag. Um die Ecke schien ein blassblaues Licht. Was war denn das?

„Hmm", brummte ich uneindeutig. Ich hatte keine Ahnung, ob Lilly dann noch etwas gesagt hatte. Ich war abgelenkt. Ich musste wissen, was das für ein Licht war. In meiner Brust fühlte ich einen Druck, der mich stetig auf das helle Leuchten hinzog. Das klang vielleicht seltsam, aber es fühlte sich wirklich so an, als würde mich eine höhere Macht in die Richtung der Mensa treiben, so wie Hirtehunde eine Schafherde in den Stall treiben.

„Jedenfalls denk ich nicht, dass du verliebt bist, wäre auch schlecht, er hat schließlich kein Interesse."

„Kein Interesse", murmelte ich zustimmend. Nur noch ein paar Meter!

„Was? Ich dachte du bist jetzt am Boden zerstört und willst wissen wieso! Du bist doch sowas von verliebt!"

„Hormonumschwankungen. Sag mal Lilly, was ist das für ein Licht?" Nur noch ein paar Schritte, das Leuchten wurde stärker.

„Was? Ich sehe kein Licht, wovon sprichst du?"

Warte, sie sah das Licht nicht? Ich fühlte mich wie von eiskaltem Wasser übergossen und plötzlich war auch der Druck weg. Etwas war hier faul. Auf einmal hatte ich es überhaupt nicht mehr eilig, um die Ecke zu biegen, doch Lilly ging weiter, ohne etwas von meiner plötzlichen Furcht zu bemerken und zwang mich somit, ihr zu folgen.

Wir bogen um die Ecke.

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