„Ich weiß wer du bist"

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Genervt sperrte ich unsere Haustür auf. Die letzten Stunden waren schrecklich gewesen und das lag ausnahmsweise einmal nicht am Unterricht. Lilly hatte mich die ganze Zeit über prüfend angeschaut und wollte unbedingt weiterhin über Deamon reden. Über Deamon und vor allem über seine 'heiße Mitgliedschaft' in der 'dubiosen Sekte'. Was das für eine Sekte sein sollte, erfuhr ich nicht. Da ich jedoch nicht über den Dämon reden wollte, war Lilly eingeschnappt. Und weil Lilly eingeschnappt war, waren die Stunden sehr lang und sehr langweilig. Eingeprägt hatte ich mir zum Glück trotzdem alles.

Auch Deamon war äußerst seltsam gewesen. Er hatte die ganze Zeit Löcher in die Luft gestarrt. Da stellte sich mir die Frage... Tat das der Luft nicht weh, wenn sie gelöchert wurde wie ein Schweizer Käse?

An solchen Gedankengängen merkte man bei mir, dass mein Gehirn überlastet war. Oh, wie ich mich darauf freute, mich endlich wieder in meinem Bett zu vergraben und endlich 'City of Bones' weiterzulesen. Hoffentlich merkten Clary und Jace endlich, dass sie sich lieben.

Bewegen würde ich mich heute jedenfalls nicht mehr, denn so turbulent hatte ich mir meinen Start in den Schulalltag nicht vorgestellt.
Doch bevor ich bereit war, meiner Kuscheldecke Gesellschaft zu leisten, musste ich unbedingt noch etwas essen. Lilly hatte mich ja abgehalten. Frechheit!

Gerade als ich den Kühlschrank öffnen wollte, stach mir ein kleiner, pinker Zettel ins Auge
Hallo mein Schatz, ich hoffe, dass du einen guten Start hattest. Schaffe es heute leider nicht vor 20 Uhr nach Hause. Holst du bitte Mickey aus der Kita ab?
Kuss, Mama
So viel also zum gemütlichen Lesenachmittag. Aber wenigstens hatte sie nicht von mir verlangt, einkaufen zu gehen. Ich hasste einkaufen. In Supermärkten mutierten selbst Omas mit ihren Gegwägelchen zu angehenden Rennfahrern, wenn es darum ging, vor dir an die Kasse zu kommen oder dir die letzte Nutella vor der Nase wegzuschnappen. Mickey abholen war okay, so lernte ich wenigstens gleich Lisa kennen.

Erneut fiel mein Blick auf den Zettel. Unten in der Ecke war ein Pfeil, welcher auf den Rand zeigte, hingemalt. Vom schlimmsten ausgehend drehte ich den Zettel um und tatsächlich...
Ach und Mäuschen... Geh doch bitte auf dem Heimweg gleich noch einkaufen, unsere Schränke sind leer. Und nimm doch Mickey gleich mit. Er geht doch so gerne einkaufen!

Was?! Wenn ich auf dem Rückweg einkaufen ging, nahm ich doch Mickey nicht mit! Nein, bloß nicht! Den band ich draußen an den Fahrradständer. Machte ich doch immer so...

Manchmal musste mich meine Mutter echt für zu doof für alles befinden. Dabei war ich die mit dem fotografischen Gedächtnis. Was mir das half? Gar nichts aber trotzdem!

Sofort war meine Laune noch mehr am Tiefpunkt. Ich hasste einkaufen! Wenn es so weiter ging, musste sich meine Laune bald ein Loch graben.

Seufzend griff ich nach meinen Schlüsseln, schnappte meine Jacke und trat aus dem Haus. Doch so wie ich die Tür zuzog, so sperrte ich hektisch wieder auf und flüchtete nach drinnen. Es schüttete wie aus Kübeln. Doch wo war mein... Oh Mist. Mein Regenschirm lag in meinem Spind. Blieb mir nur doch der Bob der Baumeister-Schirm von Mickey, aber mit dem wollte ich nun wirklich nicht gesehen werden. Also seufzte ich ein zweites Mal und trat erneut aus dem Haus. Den Schirm nahm ich mit. Schließlich sollte Mickey dann nicht nass werden.

Als ich 15 Minuten später beim  Kindergarten ankam, hinterließ ich überall,  wo ich ein paar Sekunden stehen blieb, eine kleine Pfütze. Mit quietschenden Schuhen ging ich zur Gruppenzimmertür und öffnete diese. Sogleich schossen 20 Köpfe nach oben und genauso viele sehnsüchtige Blicke flogen zu mir. Während sich die anderen Kinder enttäuscht abwendeten, fing Mickey an zu strahlen und kam auf mich zu gerannt, um mir in die Arme zu springen.

„Talia, du holst mich ab. Oh komm mit, ich will dir Lisa vorstellen." Er griff sich meine Hand und versuchte mich hinter sich her zu ziehen. Ich blieb jedoch stehen, schließlich wollte ich ja keine nassen Schuhabdrücke verteilen.

„Geh ruhig mit Natalie, heute ist doch eh Wischtag", meinte jedoch Frau Meier, Mickey's Erzieherin, welche auch schon mich betreut hatte.
Also zuckte ich die Schultern und ließ mich von Mickey mit zu einem zierlichen Mädchen, welches allein in der Puppenecke saß, zerren.

„Lisa!", rief Mickey sobald wir bei ihr angekommen waren. Mit funkelnden Augen blickte er zu mir hoch. Ich ging in die Hocke, um mit den beiden auf Augenhöhe zu sein und stellte mich dann vor:„ Hallo Lisa, ich bin Mickeys Schwester. Was spielst du denn da schönes?"
Doch anstatt zu antworten riss sie der armen Barbie den Kopf ab. Geschockt starrte ich sie an. Welches 4 jährige Kind tat denn sowas?!

„Ich weiß wer du bist", murmelte sie, ließ den Kopf achtlos auf den Boden fallen, stand auf und ging. Mit vermutlich offen stehendem Mund starrte ich ihr hinterher. Ich blickte zu meinen Füßen, wo der Kopf in einer rasch größer werdenden Pfütze lag und dann zu Mickey, welcher Lisa traurig hinterher sah. So hatte er sich unser erstes Treffen bestimmt auch nicht vorgestellt.

„Na komm mein Großer, ich verarzte noch schnell die Puppe und dann machen wir uns auf den Heimweg. Geh dich schon Mal verabschieden. Mickey rannte davon, um Lisa tschüss zu sagen und ich steckte der Barbie schnell den Kopf wieder an. Dann verabschiedeten wir uns noch von Frau Meier, welche mir versicherte, dass es kein Problem sei, dass ich den Boden geflutet hatte, mir jedoch nahe legte, das nächste Mal einen Regenschirm zu benutzen. Mit schlechtem Gewissen dachte ich an den Bob der Baumeister-Schirm, welcher vor der Tür auf Mickey wartete.
Nachdem mir Frau Meier dann auch versichert hatte, dass ich mir wegen Lisa keine Gedanken machen bräuchte, sie sei immer so, traten Mickey und ich hinaus in den Regen.

Im Auge der Finsternis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt