Flatterherz

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Als wir unser Mathezimmer betraten, waren alle, außer der Winkel schon anwesend. Natürlich lagen sofort alle Augen auf uns. Naja, eher auf mir, denn vor allem die männlichen Schüler musterten mich ausgiebig von oben bis unten. Wahrscheinlich war ich so sehr geschminkt, dass sie dachten, ich sei eine Neue mit Geschmack. Wobei mein Outfit meinem Gesicht da etwas wiedersprach, schließlich trug ich eine extraweite Jogginghose.

„Starrt nicht so! Man könnte glatt meinen, ihr hättet noch nie ein Mädchen gesehen! Naja obwohl... So wie manche von euch aussehen, hatten sie garantiert noch nicht die Ehre, sich einem Mädchen bis auf einen Meter nähern zu dürfen”, keifte Lilly, die mir die Peinlichkeit, von allen angestarrt zu werden, ersparen wollte. Ich stieß ihr peinlich berührt meinen Ellbogen in die Seite und flüsterte ihr leise zu: „So machst du es auch nicht besser.”

Als Deamon plötzlich aufstand, um sich an den anderen vorbei zu uns nach vorne zu quetschen, kam Bewegung in die starrenden Reihen. Dicht vor mir blieb er stehen und strich behutsam über meine Wange, genau über die Stelle, wo unter vielen Schichten ein Bluterguss verborgen lag. Mein Herz setzte ein oder zwei Schläge aus, nur um dann in doppelter Geschwindigkeit wieder einzusetzen. Ich sollte echt mal zum Arzt gehen, das war bestimmt weder gesund, noch normal. Auch Deamon musterte mich nun noch einmal genauer aus der Nähe, schien alles genau wahr zu nehmen. Die weite Hose, den dicken Pullover, der meine aufgeschürften Handgelenke verstecken sollte, die vielen Schichten MakeUp. All das nahm er wahr, bevor er die Augen fest zusammenkniff, leicht den Kopf schüttelte und mich schließlich in den Arm nahm.

Ich stand da wie erstarrt, wusste nicht, was ich tun sollte. Ich atmete viel zu schnell und auch meine Beine fühlten sich seltsam unstabil an. Plötzlich und irgendwie auch viel zu schnell, ließ er mich wieder los, trat einen Schritt zurück und drehte sich um. Hinter ihm standen Lilly und der Winkel. Lillys Mund stand offen und sie starrte Deamon fassungslos an.

„Ohh, endlich hast du Freunde gefunden, Deamon”, spuckte der Winkel verächtlich aus, „allerdings hätte ich von euch beiden mehr Stil erwartet.” Das Stil sprach er wie Stiel, was echt seltsam klang. Hinter uns ertönten vereinzelte Lacher. Ob sie nun jedoch lachten, weil er uns so runtergeputzt hatte, oder weil er ein Wort falsch ausgesprochen hatte, konnte ich nicht sagen.

Ich warf Deamon einen verdutzten, jedoch auch scheuen Blick zu, schnappte mir Lillys Hand und zog sie bis zu unserem Platz, wo ich mich schließlich vorsichtig hinsetzte und die Haare vor mein Gesicht​ fallen ließ, um Deamon nicht zu sehen, wenn er an mir vorbei zu seinem Platz ging. Es schien zu funktionieren, jedoch hatte ich mich anscheinend zu früh gefreut, denn als er auf meiner Höhe war, strich er leicht über mein aufgescheuertes Handgelenk. Ich sog scharf die Luft ein. Ob nun aus Schmerz oder wegen einem anderen Grund konnte ich nicht sagen.

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Die Stunde verging quälend langsam und ich spürte die ganze Zeit Deamons Blick von hinten und Lillys Blick von der Seite. Lilly blickte mich nachdenklich an, schien mit sich selbst zu ringen und schüttelte dann und wann, wenn sie zu einem erneuten Ergebnis gekommen war mit dem Kopf. Ich konnte mich jedoch weder auf Lilly, noch auf Deamon konzentrieren, weil ich viel zu sehr von meinem, noch immer viel zu schnell schlagenden Herzen abgelenkt war. So zittrig hatte ich mich noch nie gefühlt, aber ich weigerte mich standhaft, es mit Deamon in Verbindung zu bringen. Ich konnte mich nicht in ihn verlieben, es ging einfach nicht!

Als es endlich zur Pause gongte, war Deamon schneller neben mir aufgetaucht, als ich blinzeln konnte. Er reichte mir meine Schulsachen und lächelte mich vorsichtig an.

"Ich wollte dir nur sagen, dass es mir Leid tut."

Dann ging er.

Im Auge der Finsternis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt