Schweig still Trolley!

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Doch selbst nachdem wir die Mensa verlassen hatten, zog Lilly mich weiterhin hinter sich her. Langsam war ich echt genervt. Ach was, genervt war gar kein Ausdruck! Erst Deamon, dann Lilly. Ich war doch keine Reisetrolley!

„Hör auf mich so hinter dir her zu schleifen! Ich bin doch kein Trolley! Außerdem muss ich zurück in die Mensa! Erstens muss ich Deamon sagen, was ich von ihm halte und zweitens hab ich Hunger! Ich will was essen! Jetzt! Sofort! Ich..”
„Schade, dass du kein Trolley bist”, unterbrach mich Lilly, „dann würdest du nämlich nicht so unendlich viel reden. Und jetzt komm weiter. Eigentlich wollten wir und doch eh im Nr. 1 treffen. Ich muss dir sowieso unbedingt noch was erzählen!”

Beleidigt über ihren Vergleich mit dem Trolley fiel meine Antwort recht kurzgebunden aus, „Schön, das geht auch später. Hunger!”
„Nein geht es nicht. Es geht um Deamon! Außerdem gibt es heute eh nur Salat und Brokkoli.”
„Lügnerin! Ich hab doch vorhin die Nudeln auf dem Teller von Klara gesehen! Und wenn es um Deamon geht, interessiert es mich gar nicht.”
„Lügnerin! Wer hat sich denn nur wegen ihm in ein verschrecktes Kaninchen verwandelt? Huh? Und jetzt beeil dich endlich, sonst ist Nr. 1 schon von den 5. Klässlern besetzt. Die traun sich was. Kein bisschen Respekt haben die!”, schnappte Lilly entrüstet und musste anschließend erstmal tief Luft holen. Sie konnte sich echt schnell in Rage reden.

Zur Erklärung... Nr. 1 war ein Gebüsch auf unserem Schulhof. Aber nicht irgendein Gebüsch... Nein, ein ganz besonderes Gebüsch. Die Zweige waren so nach oben gewachsen, dass sie ein Dach über einer Höhle bildeten, welche gerade groß genug war für uns beide. Diese Höhlen waren durch, natürlich ebenfalls überdachte, Gänge verbunden.

Allerdings war dieses Höhlensystem seit neustem von diesen 'respektlosen, rotzfrechen' 5 Klässlern besiedelt welche, genau so wild wie in dem Klassenraum, fangen spielten. Und tatsächlich, als wir ankamen kam tatsächlich gerade einer der 'Buschmenschen' aus dem Dickicht gekrochen. Lilly hob nur resigniert eine Augenbraue und zog mich weiter zur nächstgelegenen Bank.

„Dann eben auf gesittete Art und Weise”, ließ sie verlauten und schwieg anschließend. Doch nach 5 Minuten intensivem Schweigen, hatte ich endgültig genug.
„Willst du mir nun erzählen, warum du mich wie eine Verrückte hinter dir her gezerrt hast oder muss ich auf diese weltbewegende Info verzichten?”
Doch anstatt zu antworten reckte Lilly ihr Gesicht in Richtung Himmel. Würde wenigstens die Sonne scheinen, dann würde Lilly nicht so bekloppt aussehen. Aber so streckte sie ihr Gesicht genießerisch den schwarzen Wolken entgegen. Besorgt sah ich nach oben. Es war eine einzige Finsternis und was besonders gruselig war... Die eine, besonders dunkle Wolke sah aus wie ein Auge!

Oh man, ich hatte eindeutig zu viel über diese komische Sekte nachgedacht. 'Die Finsternis', wer kommt überhaupt auf so einen, komplett bescheuerten, Name?! Ich mein da...

„Ach menno, ich dachte du betteslt noch bisschen, aber du tust ja gar nicht dergleichen”, maulte Lilly neben mir und unterbrach so meinen Gedankengang. Verwirrt schaute ich sie an. Ich hatte schon wieder komplett vergessen, worüber wir geredet hatten. Anscheinend war mein Blick ziemlich eindeutig denn sie stöhnte nur genervt und brachte mich dann mit einem „Deamon”, zurück auf unser Thema.

„Oh große Lilly, würdest du mir die Ehre erweisen und...”
„...mit mir tanzen?!”, unterbrach mich Lilly prustend.
„...und mir Mitteilung erteilen über deine famosen Erfahrungen?”, setzte ich, möglichst geschwollen da wieder an, wo Lilly mich zuvor unterbrochen hatte.
„Nun gut ich bin Mal so gnädig. Aber auch nur, weil ich es dir unbedingt erzählen muss.”
Ich zog nur meine beiden Brauen in die Höh, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendeine höhere Macht sie dazu zwang.

„Also... Deamon ist wohl irgendwie in so einer komischen Sekte, was total heiß klingt wenn du mich fragst... Aber”
„Ich frag dich aber nicht!”, unterbrach ich sie schnell, in der Hoffnung so einem Redeschwall des allerfeinsten vorzubeugen. Doch meine Bemühungen kamen zu spät, sie war schon mittendrin. Und so kam es, dass sie meinen Einwurf gar nicht registrierte, sondern munter und  fröhlich immer weiter plapperte.

„Aber ich mein, man hört ja oft, dass Sekten schlecht sind. Das stellen, wenn ich so drüber nachdenke auch alle Filme so dar. Zum Beispiel Rubinrot... Diese Gruppe ist ja schon echt gruselig! Aber Gideon ist schon ein echtes Schnittchen!” Ich riss erschrocken meine Augen weit auf.
„Genau wie Deamon der is ja auch ein ganz schöner Schnuckel. Aber Luke ist ja sogar noch heißer als Deamon und das muss was heißen.” In diesem Moment schaltete ich einfach auf Durchzug und nahm, endlich, nur noch einzelne Wortfetzen wahr.
„Wirklich total schnuckelig!....Ob er wohl weiß, dass es mich gibt?....Er ist soo toll!...Das ist so extrem!”

Ab und zu sah ich dann halt mal nach, ob sie überhaupt noch atmete. Als ich gerade einen prüfenden Blick riskierte, bemerkte ich, wie Lilly mich abwartend anblickte. Mist! Anscheinend hatte ich eine Frage nicht mitbekommen.

Ich überlegte gerade, wie ich mich aus dieser brenzligen Situation retten könnte, als mich ein Blick auf die Uhr unverhofft zu meiner Antwort brachte.
„Du Lilly, lass uns später weiter reden, wir müssen zurück ins Schulhaus!”
Mit diesen Worten sprang ich auf und verließ, beinahe Fluchtartig den Schulhof.
„So leicht kommst du mir nicht davon”, war das letzte, was ich von Lilly hörte, bevor ich im Gebäude verschwand.

Im Auge der Finsternis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt