XVII - Überleben

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- Killian - 

Killian wusste, dass es ein Fehler gewesen war, nach Italien zu reisen, daher war er nun heilfroh, endlich wieder am Flughafen in Rom zu sein. Ein Schritt in Richtung Amerika und weg von dem Chaos hier.
Die letzten Tage hatte er damit zugebracht, seinen Vater auf den neusten Stand seiner Arbeit zu bringen, während dieser ihm kontinuierlich vor Augen führte, dass er alles falsch machte. Sein Vater würde nie zufrieden mit ihm sein.
Nach all den Jahren der fehlenden Anerkennung hatte Killian mit dem Gedanken abgeschlossen, seinem Vater zu imponieren. Daher war er froh, mittlerweile auf der anderen Seite der Welt zu leben. Das erleichterte ihm Vieles.

Als letzter bestieg Killian das Flugzeug in Rom und ließ sich auf seinen Platz in der Business-Class fallen. Glücklicherweise saß niemand neben ihm, sodass er den Flug über endlich in Ruhe schlafen könnte. Sein alter Herr hatte ihm den letzten Nerv geraubt.
Bei einer Stewardess bestellte er einen Wodka ohne Eis, um ein schnelleres Einschlafen zu fördern. Kurz darauf kam sie hüfteschwingend zurück und reichte ihm einen durchsichtigen Plastikbecher. 
"Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?", flötete sie melodisch. Doch wie immer war Killian nicht in der Stimmung, Smalltalk zu betreiben, oder der Kleinen Hoffnungen auf einen heißen Flirt zu machen. Also antworte er knapp mit "Nein danke" und kippte den billigen Fusel in einem Zug herunter.


Stunden später torkelte Killian immer noch müde aus dem Flughafengebäude und stieg in eines der wartenden Taxis. Leider hatte er nur wenige Stunden schlafen können, da der Flug sehr turbulent gewesen war und ihn alle paar Minuten aus seiner Ruhe gerissen hatte. Und das obwohl er noch fünf weitere Becher Wodka getrunken hatte.
"Wo darf ich Sie hinfahren?", fragte ein älterer Inder freundlich und blickte ihn durch den Rückspiegel an. Killian setzte bereits an, ihm seine Adresse zu nennen, als Ivorys Bild vor seinem inneren Auge auftauchte und ihn schließlich dazu veranlasste, dem Taxifahrer ihre Adresse durchzugeben.

Wie auch in den letzten Tagen schwirrte sie ihm immer wieder im Kopf herum und machte ihn schier wahnsinnig. Im Gegensatz zu sonst hatte er noch weniger Geduld mit seinem Vater gehabt und war auch allen anderen Menschen mit Übellaunigkeit begegnet. 
Es nervte ihn gewaltig, dass sie in seinen Gedanken umherspukte und ihn regelmäßig veranlasste, etwas gegen die Wand zu werfen. Aber er wusste, wenn er wieder in ihrer Nähe war, würde ihre innere Ruhe sich auf sein Gemüt übertragen. Und danach sehnte er sich besonders nach diesen anstrengenden Tagen mehr, als nach allem anderen. 

Als der Wagen schließlich zum Stehen kam, überreichte er dem verdutzten Fahrer einen Hunderter, schob ein "Passt so" hinterher und stieg mit seiner Reisetasche aus dem Taxi.
Allein der Gedanke, Ivory gleich wieder zu sehen, ließ ihn wieder etwas freundlicher werden. Gleichzeitig stieg eine unbekannte Nervosität in ihm auf, sodass er sich schnell eine Kippe zur Entspannung gönnte. 
Vielleicht hält sie der Zigarettengeruch davon ab, mir zu nahe zu kommen, dachte er, als er einen letzten tiefen Zug nahm und den Stummel in den nächstgelegenen Schneehaufen warf, wo er dampfend erlosch.

Wie immer stand die große Eingangstür offen, sodass Killian nicht einzubrechen brauchte. Er befürchtete immer, dass sie ihm nicht aufmachen würde, wenn er hier unten stand und nicht oben, direkt vor ihrer Wohnungstür. Immerhin meldete er sich nur sporadisch bei ihr und gab ihr auch sonst kaum einen Grund, Sympathie für ihn zu entwickeln.
Wenn sie nur wüsste, dass ich das zu ihrem eigenen Schutz tue, dachte er seufzend.

Hastig eilte er die Stufen des Treppenhauses hinauf, war jedoch nicht einmal aus der Puste, als er den obersten Stock erreichte. Sein Herz klopfte dennoch schneller als sonst und wurde zu einem ohrenbetäubenden Pochen, als er die leicht geöffnete Wohnungstür von Ivorys Apartment in der Dunkelheit ausmachen konnte. Sie würde niemals die Tür ohne Grund offen stehen lassen, es sei denn...

Jägerin Band 1 - Zwilling *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt