XXI - Vertrauen

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Der aromatische Geruch von frischem Kaffee weckte Ivory am nächsten Morgen aus einem relativ ruhigen Schlaf, was unter den gegebenen Umständen beinahe an ein Wunder grenzte.
Flatternd öffnete sie ihre Augen und erblickte Killian, der soeben mit einem kleinen Tablett an ihr Bett herantrat.

Erinnerungen an den vergangenen Abend durchfluteten ihre Gedanken und auf einmal war sie auch ohne Koffein hellwach. Der Kuss.
Eine leichte Hitze breitete sich in ihrem Körper aus, während ihre Wangen sich rot verfärbten. Peinlich berührt drückte sie ihr Gesicht ins Kissen und hoffte inständig, dass er nichts bemerkte.

"Hey, guten Morgen. Ich hab dir Frühstück gebracht. Allerdings hab ich es nicht selbst gemacht, sondern aus der Kantine mitgehen lassen." Ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinem schönen Gesicht aus, als er das Tablett mit dampfendem Kaffee, zwei Croissants und etwas Butter auf einem Beistelltisch absetzte.

Ivory konnte die Situation nicht richtig fassen, denn noch nie hatte ihr jemand Essen ans Bett gebracht, geschweige denn, sie so liebevoll am Morgen geweckt.
Abgelenkt beobachtete sie das Spiel seiner Muskeln, die unter seinem eng anliegenden Kurzarm-Shirt hervorschauten, das bei weitem zu viele Details seines unglaublichen Körpers preis gab.

Kurz bevor er sich auf den Stuhl neben ihr fallen ließ, senkte sie ertappt den Blick. Ein unsicherer Teil von ihr sorgte sich, dass er den Kuss von gestern bereute und sie mit dem Frühstück nett darauf hinweisen wollte, dass er doch nicht an ihr interessiert war.
Außerdem fühlte sie sich furchtbar und sah bestimmt noch schlimmer aus. Innerlich war sie jedoch stolz, dass sie gestern Nachmittag noch geduscht hatte, sonst wäre ihr diese Situation noch unangenehmer, als sowieso schon.

"Also", er bedachte sie mit zögerlichen Blicken, ehe er weiter sprach, "mein Dad hat mich gebeten, deine Verbände zu wechseln und Wundsalbe aufzutragen."
Er suchte nach Anzeichen für Reue in ihrem Gesicht, das konnte sie genau erkennen, doch es gab nichts, das sie bereute. Allein die Erinnerung an den fantastischen Kuss ließ sie nach mehr gieren.

Er räusperte sich nervös und zauberte damit ein kleines Lächeln auf Ivorys Gesicht, das sie allerdings hinter der großen Kaffeetasse verbarg. Erwachsene Männer, die das Böse bekämpften und dennoch vor körperlicher Zuneigung eingeschüchtert wurden, waren ihr am liebsten.
"Natürlich nur, wenn das für dich okay ist", schob er hinterher. Er wirkte beinahe angespannt, so hatte sie ihn noch nie erlebt. 

Erst nachdem sie einige Schlucke des schwarzen Gebräus getrunken hatte, wobei sie ihn nicht aus den Augen ließ, antwortete sie möglichst lässig: "Klar, kein Problem".
Innerlich jedoch pochte ihr Herz in einem nervösen Takt, was zum Teil wohl auch an dem starken Kaffee lag, der durch ihren Kreislauf pulsierte.

Als sie die Tasse geleert hatte, band sie sich die wirren Haare zu einem einigermaßen ordentlichen Zopf, damit Killian Zugang zu allen Wunden hatte und diese versorgen konnte.
Wie ein Panther schlich er durch den Raum und sammelte einige Utensilien zur Behandlung zusammen, bevor er ihr half aufzustehen.

Mit einer unerwarteten Zärtlichkeit beseitigte er den Mull an ihrem Hals und den Unterarmen. Jedes Mal, wenn seine Finger sie berührten, sandte er Blitze durch ihren Körper und sie musste sich zusammenreißen, nicht jedes Mal zu stöhnen.
Seine elektrisierende Nähe ließ sie zeitweise sogar vergessen, was für ein traumatisches Erlebnis sie noch vor einigen Nächten durchleben musste.

Als er jedoch begann, die Salbe auf ihre noch teils offenen Wunden zu geben, verebbte jegliche Anziehung und wurde durch brennenden Schmerz ersetzt. Sie sog scharf die Luft ein, als er an ihrem Hals ankam und sie aus ihrer Sicht ein wenig zu grob verarztete.
"Sorry", murmelte er konzentriert, mit vorsichtigen Bewegungen darauf bedacht, ihr nicht noch mehr Qualen zu bereiten.

Jägerin Band 1 - Zwilling *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt