Warnung

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|•JORDAN•|

„Wach auf, du Schlampe!", schreit irgendein Spacken in mein Ohr. Sam. Das kann nur er sein.
Ich drehe mich grummelnd um, halte mit vor Schmerzen den Kopf.
„Fuck, mein Schädel", murmele ich, während ich versuche, die Augen zu öffnen.
„Wer saufen kann, kann auch aufstehen und zur Schule", verkündet mein sogenannter bester Freund und zerrt mich auf die Beine.

Vollkommen überfordert lasse ich mich von ihm ins Bad schieben. „Klamotten liegen auf der Waschmaschine. Wenn du in 10 Minuten nicht fertig bist, komme ich rein und helfe dir" Er zwinkert mir einmal zu, ehe er die Tür hinter sich schließt und verschwindet.

Wo bin ich nochmal?
Ach ja, bei Sam!
Das sind wohl gestern doch ein paar Bier zu viel geworden...

Murrend ziehe ich meine Klamotten aus, steige in die Dusche und genieße das Kalte Wasser sofort.
Gestern habe ich bei Sam so viel getrunken, dass ich nicht mehr laufen konnte und eingepennt bin.
Wahrscheinlich hat Sam mich nicht nachhause gebracht, weil er keine Lust hatte, mit meinem Dad zu streiten, da dieser ihn nicht leiden kann.
Es wundert mich ehrlich gesagt, dass Dad beim Abendessen zu Clarissa meinte, dass es okay sei, dass Caleb schwul ist, immerhin hasst er meinen besten Freund, der quasi bei uns aufgewachsen ist, ja erst, seit er weiß, dass er hin und wieder mit Männern schläft.
Naja wie auch immer...

Ich steige wieder aus der Dusche, als ich fertig bin, und ziehe Sams Klamotten an, die auf der Waschmaschine liegen.
Das Shirt spannt ziemlich, aber so treten meine Muskeln nur noch besser hervor, also ist es schon okay.Ich

„Alle Heteros: Schwänze einpacken, ich komme!", höre ich dann den Idioten von draußen rufen und greife schon mal nach meiner Zahnbürste, die ich hier habe.
Ich wohne hier quasi, wenn mein Dad auf Geschäftsreisen ist, was er eigentlich immer ist, daher habe ich hier alles, was ich brauche.
Die Tür geht auf, Sammy kommt rein und schaut mich enttäuscht an. „Schade, wollte dir beim Schrubben helfen", lacht er keck, wofür er einen leichten Schlag erntet.

Er macht sich daran, seine Haare zu stylen, ich beende meine Zahnreinigung und rubble meine Haare mit einem Handtuch trocken. Natürlich stehen sie jetzt total ab, aber ich finde diesen Look irgendwie lässig. Noch einmal durchfahren und -zack- fertig.

Ich betrachte mich im Spiegel. Es wundert mich echt nicht, dass die Ladies auf mich abfahren, allerdings bringen Calebs Worte mich irgendwie zum Nachdenken.
Das, was er da beschrieben hat, dieses Herzflattern, das hatte ich noch nie.
Okay, ich bin 17, ich muss nicht schon mal verliebt gewesen sein, aber ich will es auch mal wissen.
Ich will so richtig Liebeskummer haben. Vielleicht klingt das jetzt krank oder masochistisch, aber es geht mir mehr um dieses Gefühl. Ich will es auch mal spüren.
Möglicherweise liegt es auch einfach daran, dass ich seit dem Tod meiner Mutter Probleme damit habe, Gefühle zuzulassen. Ich will wieder etwas spüren, etwas echtes, etwas, das was bedeutet, aber ich habe auch Angst davor.

„Worüber denkst du nach?", fragt Sam, als er fertig gestylt ist.
Ich zucke mit den Schulten. „Dies und das"
Sammy zieht die Lippen kraus, was ziemlich lustig aussieht und weswegen ich schmunzeln muss.
„So, das will ich sehen.", meint er dann zufrieden und legt einen Arm um mich.
Er packt seine Schulsachen und wir gehen zu seinem Auto.

Darin angekommen, muss ich einfach eine Frage stellen. „Sammy?"
„Mh?" Er sieht weiterhin konzentriert auf die Straße, ich weiß aber, dass er zuhört. „Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du auch auf Männer stehst?"
Er schielt kurz zu mir rüber, wahrscheinlich, weil er so verwundert ist über die Frage, dann seufzt er. „Ich habe es schon immer irgendwie gewusst, aber ich wollte es mir lange nicht eingestehen. Ich habe keine Ahnung, ob du das noch weißt, aber bei deinem 11. Geburtstag habe ich dich geküsst. Du hast mich geschlagen und ich habe geheult..."
Das weiß ich tatsächlich noch und es tut mir bis heute leid.
„...Ich habe dir das nie erzählt, aber es war deine Mum, die mich getröstet hat. Sie meinte, es wäre okay, dass ich anders bin und sie liebt mich trotzdem. Vorallem, weil ich besonders bin. Sie hat gesagt, dass du noch zu klein bist, um es zu verstehen, aber, dass du auch irgendwann feststellen wirst, dass es nicht schlimm ist anders zu sein. Ich weiß nicht mehr alles, was sie gesagt hat, aber ich kann immernoch ihr aufmunterndes Lächeln vor mir sehen. Immer, wenn ich an mir selbst zweifle, denke ich an deine Mum."
Ich bemerke, dass seine Stimme brüchig wird, also lege ich eine Hand auf seine Schulter. „Sie hat dich geliebt als wärst du ihr eigener Sohn, Sammy"
Sam nickt, schnieft einmal und sieht weiterhin auf die Straße. „Weißt du, was sie noch gesagt hat? Sie hat gesagt, dass du mich immer lieb haben wirst, egal, was ich tue." Dann lächelt er und auch ich muss das tun. „Natürlich, Sam. Du bist wie mein Bruder"

„Hast du deshalb etwas dagegen, dass ich mit Caleb in der Kiste war?", fragt er vorsichtig.
Ich seufze. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, warum ich mich deshalb so anstelle, aber es geht nun mal um Caleb. Bei dem Arschloch ist sowieso alles anders.
„Ich weiß es nicht. Ich bin einfach ausgerastet... Es tut mir leid, Sammy, aber ich will trotzdem nicht, dass du es wieder machst. Es gibt so viele andere Jungs und Mädchen, da musst du doch nicht unbedingt meinen Stiefbruder knallen."
„Vielleicht bist du eifersüchtig", meint er, woraufhin ich humorlos auflache. „Klar, ich würde ja so gerne mit dir ficken"
„Ich meine nicht auf ihn, sondern auf mich", erklärt er ruhig und wirft mir einen kurzen Seitenblick zu.
Ich sehe ihn verwirrt an. „Ehm, dir ist schon klar, dass ich den Typen erst seit Sonntag kenne. Ich kann ihn ja nicht mal leiden, wieso sollte ich da eifersüchtig sein? "
Sammy beginnt zu grinsen.
Ich hasse sein grinsen.
Dann will ich ihn am liebsten eine reinhauen.
„Vielleicht war es ja Liebe auf den ersten Blick und du versuchst es zu verleugnen, indem du denkst, es sei Hass"
Ist er jetzt Psychologe geworden oder was?

Ganz bestimmt nicht. Er hat mit seiner Mum händchengehalten. Ich versteh nicht mal wieso, immerhin schämt sie sich total für ihn, weil er schwul ist. Also eine schlechtere Mutter gibt es ja wohl nicht. Diese Frau regt mich total auf. Weißt du was sie zu ihm gesagt hat? Du sollst nicht mit Männern schlafen! Kannst du nicht einmal normal sein?!" Ich verstelle meine Stimme, sodass Sam jetzt eigentlich lachen müsste, doch das tut er nicht.
„Ist seine Mum echt so?"
Ich nicke. „Ich glaube, er checkt das gar nicht. Er ist voll lieb zu ihr, aber sie... Ich mag diese Frau nicht. Außerdem hat mein Dad sie geküsst." Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche, meine Wut zu unterdrücken.

Wir kommen auf dem Schulparkplatz an, Sam zieht den Schlüssel aus der Zündung und sieht mich zum ersten Mal, seit wir in das Auto gestiegen sind, richtig an. „Du solltest diese Wette beenden, Joe. Du merkst es nicht, aber das wird euch beiden nicht guttun, vertrau mir."
Hä? Wie kommt er denn jetzt auf diese Wette?
Apropos Wette: Das habe ich ihm noch gar nicht erzählt. „Denise meinte, solange die Wette läuft, dürfen er und ich keinen Sex mehr haben. Nicht mal masturbieren, Alter." Ich stoße verzweifelt die Luft aus. „Aber ich will diese Wette gewinnen und ich will, dass er sich in sein Loch zurück verpisst"

„Joe" Sam seufzt und beugt sich etwas zu mir, um mich eindringlich anzusehen. „Wenn du die Wette gewinnst, brichst du ihm das Herz."

(Keine) Liebe auf den ersten Blick  (BxB)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt