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Vereint

Kapitel 13

Als ich zum ersten Mal richtig Angst hatte


Natürlich nicht. Natürlich ist er nicht gekommen. Zu schön wär's auch gewesen, hätte er mich besucht, meine Hand gehalten und mir Mut zugesprochen. Stattdessen zittere ich vor Aufregung und Nervosität vor mich hin und weiß nichts mit mir anzufangen. Ich weiß, was passieren wird. Mir wird ein Lungenflügel entnommen. Der, in dem der Tumor festsitzt. Mein Herz rast und ich versuche, mich zu beruhigen. Meine letzten Atemzüge mit kompletter Lunge. Langsam stehe ich auf und gehe zum Fenster, um es zu öffnen. Tief atme ich durch und genieße für ein paar Sekunden die kalte Luft in meinem Brustkorb, bis ich allerdings husten muss.

Schon in diesem Moment geht die Tür auf und ich drehe mich um. Schwester Choi lächelt mich an. „Bist du bereit?", fragt sie mich. Ich nicke leicht. „Ich denke ich bin es. Ich muss es sein. Selbst wenn ich nicht bereit wäre, würden Sie mich mitnehmen." Daraufhin seufzt sie nur und schaut auf mein Bett. Ich lege mich hinein und sie schiebt mich aus dem Raum. Während wir zu den OP-Räumen fahren, schaue ich mich um. Kann Yoongi denn jetzt nicht einfach hier auftauchen, bevor ich in diese Hölle geschoben werde? Kann er nicht einfach herkommen und meine Hand nehmen, mir sagen, dass alles gut gehen wird? Schwester Choi schiebt mich in einen OP-Saal und Doktor Kim empfängt mich mit einem Lächeln. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich Angst hatte. Unglaubliche Angst. Nicht vor Doktor Kim oder vor dem Skalpell mit dem er mich aufschneiden würde. Nein, ich hatte unglaubliche Angst davor, zu sterben.

Ich werde an ein paar Geräte angeschlossen. „Wie fühlst Du Dich, Mila?" Ich weiß ehrlich gesagt keine passende Antwort, weshalb ich nichts darauf antworte. „Wir werden deinen Brustkorb aufschneiden, dein Brustbein teilen und dann deinen linken Lungenflügel entfernen. Mach dir keine Sorgen. Ich bin sicher du kommst durch." „Trotzdem können Sie es nicht versprechen.", sage ich, ohne ihn anzuschauen. „Nein, das kann ich nicht. Aber ich kann 200% geben."

Schon bekomme ich eine Maske auf mein Gesicht. „Zählen Sie bitte von 10 runter.", sagt die assistierende Ärztin und ich schaue in das blendende Licht über mir. „10." Wird das das letzte sein? „9." Das letzte, was ich sage? „..8." Meine Augen fallen langsam zu, das Licht wird dunkler. „...7." Was, wenn ich sterbe?

* * *


Yoongi's Sicht

Nervös reibe ich meine Hände aneinander, stütze meine Ellenbogen auf meinen Knien ab. Ich atme tief durch und hebe meinen Blick, um Liz anzuschauen, die neben mir sitzt. „Denkst du, es wird alles gut gehen?", fragt sie voller Besorgnis. Ich lege meine Hand auf ihren Rücken. „Ich bin mir sicher. Mila ist eine Kämpferin." Ich lächle sie an, obwohl ich innerlich kaum still bleiben kann. Was ist, wenn etwas schief läuft?

„Yoongi. Wir müssen noch reden." „Worüber?" „Na über das-.." „Nein. Ich habe bereits gesagt, dass es in Ordnung ist." „Aber-.." „Keine Widerrede." Liz schaut mich mit einem leichten Lächeln an. „Danke. Du hast ihr das Leben gerettet, Yoongi. Ist dir das eigentlich klar?" Ach? Hab ich das?

Sie nimmt mich in den Arm und schluchzt in mein Ohr. Leicht verziehe ich das Gesicht. Ich bin nicht so der Typ dafür, lange von jemandem umarmt zu werden. Ich fühle mich eingeengt, als wenn mich jemand erdrücken würde. Zum Glück löst sie sich nach einigen Sekunden und wischt sich mit einem Tuch die Tränen von den Wangen. Tief atme ich durch und schaue in Richtung der Tür, durch die es zu den OP-Sälen geht. Sie muss durchkommen. Sie muss einfach. So schwer kann das doch nicht sein, oder? Es ist doch einfach nur aufmachen, rausholen und wieder zumachen oder? Da kann doch nichts schief gehen.. oder?

* * *

Mir tickt jemand auf die Schulter. Sofort schrecke ich aus meinem Traum und schaue mich um. Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon sitze. Vielleicht zwei oder drei Stunden? Ich hebe meinen Blick und stehe dann auf, als ich den Doktor vor mir stehen sehe. „Doktor.. wie-..", fange ich an, doch er hebt die Hand, damit ich verstumme. Besorgt schaue ich ihn an. „Ist etwas passiert? Oh mein Gott ist sie tot?", fragt Liz hysterisch. Mein Herz fühlt sich schwer an und ich kann den Kloß in meinem Hals nicht hinunterschlucken. In meinem Bauch bildet sich ein großer Knoten und ich kann spüren, wie mir schlecht wird, wenn ich daran denke, dass Mila tot ist.

Doch Doktor Kim, so wie ich es auf seinem Schild lesen kann, lässt seine Hand sinken. „Die Operation ist wie geplant verlaufen. Wir hatten keine Komplikationen. Allerdings möchte ich gerne mit Ihnen sprechen." Mir fällt ein Stein vom Herzen, der Kloß läuft wie Wasser durch meinen Hals und der Knoten in meinem Magen löst sich. Stattdessen stellen sich meine Armhaare auf und mein Körper kribbelt. Ich will sie sehen. Unbedingt. Sofort. Was ist mit mir los? Das muss aufhören.. Soweit darf es nicht kommen.

„Ist es etwas schlimmes?", fragt Liz und hat ihre Finger ineinander verschränkt. „Nein. Es ist nur, dass wir von jeder Operation eine Videoaufnahme erstellen und wir Mila's OP gerne als ein Beispiel und auch Lernvideo für Studenten rauszugeben. Natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind." Liz schaut kurz zur Seite und überlegt. „Mhh.. kann ich mir das noch überlegen?" „Aber natürlich.", sagt er und verschwindet dann. Das wars? Wo ist Mila? Können wir sie sehen? Ich schaue ihm nach. Vielleicht ist sie noch im Aufwachraum und uns wird gesagt, wenn sie in ihr Zimmer kommt oder sowas..

Doch plötzlich kommt eine Krankenschwester auf uns zu. „Chang Mila?", fragt sie. Liz nickt eifrig. „Meine Tochter." Die Krankenschwester schaut mich erwartungsvoll an. „Meine Freundin." Ja ich weiß. Stimmt gar nicht. Aber die hätte mich niemals mitgehen lassen, wenn ich das M weggelassen hätte.

Sie nickt und geht dann los. Liz und ich folgen ihr. Meine Knie fühlen sich komischerweise an, wie Wackelpudding und ich kann ehrlich gesagt auch nicht sagen, ob das davon kommt, dass ich Mila gleich endlich wiedersehe, oder weil ich sie ‚meine Freundin' genannt habe.

Vereint || BTS SUGA Fanfiction || m.yg #wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt