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Vereint

Kapitel 30

Schuldgefühle


Ich kann es nicht oft genug lesen. Nach 5 mal kann ich die Schrift kaum noch lesen, weil meine Tränen meine Sicht verschwemmen. Ich bin schuld. Da steht es schwarz auf weiß. Ich bin schuld, dass sie Schmerzen hatte. Ich bin schuld, dass sie sich gequält hat, die ganze Zeit. Wieso habe ich nichts gemerkt? Wieso habe ich nicht mehr auf sie geachtet? Ich war so ignorant, so egoistisch. Mich hätte es treffen sollen.

Das Buch lege ich zur Seite. Am liebsten würde ich es verbrennen, einfach vernichten. Vielleicht kann ich dann auch meine Schuldgefühle vergessen. Mit wackeligen Knien stehe ich auf, muss mich an der Wand abstützen, damit ich nicht umfalle. Als ich etwas sicherer auf den Beinen stehe, greife ich sofort nach meinem Telefon und rufe Liz an. Nach drei mal Tuten geht sie ans Telefon, ihre Stimme ist gedämpft, aber emotionslos. ,,Yoongi?" ,,Wir müssen es verbrennen.", sage ich nur und muss ein paar Sekunden länger als sonst auf ihre Antwort warten. ,,Wovon sprichst du?"

,,Von dem Tagebuch. Es muss weg." ,,Aber wieso das denn?" ,,Weil halt." Sie antwortet nur mit einem ,,Hm." Es würde sie nur kaputt machen, wenn sie diese Worte lesen würde. ,,Darf ich es denn wenigstens einmal lesen?" ,,Nein." ,,Aber wieso-.." ,,NEIN!" Dann lege ich auf. Mein Atem hat sich verschnellert, mein Gesicht ist heiß und meine Augen tränen schon wieder. ,,Mila, bitte komm zurück.." Ich bemerke überhaupt nicht, dass ich es sage, während ich auf das Telefon schaue. Sie ist in meinem Herzen, aber trotzdem nicht bei mir. Ich verstehe das einfach nicht, ich akzeptiere es einfach nicht. Obwohl es keinen Sinn macht, nehme ich das Buch nochmal in die Hand und lese den Teil, der mir gewidmet ist, nochmal Wort für Wort durch. Sie sagt, ich bin ihr Lebensretter. Wieso fühle ich mich dann so, als wäre ich der Grund für ihren Tod? Oder bin ich schuld für ihr Leben gewesen? Sie meint, dass sie es akzeptiert hat, aber wieso hatte ich immer das Gefühl, dass sie weiterkämpfen will. Sie will loslassen und aufhören zu kämpfen. Hat sie sich aufgegeben, weil ich zu viel Druck auf sie ausgeübt habe? Habe ich zu viel von ihr erwartet? Es reicht ihr aus, was sie mit mir erlebt hat? Aber mir reicht es nicht aus. Es gibt so viel, was ich noch mit ihr erleben will. Beziehungsweise wollte.

Sie sagt, ich trage Liebe in mir und dass ich sie jetzt jemandem anders geben soll. Aber wenn ich das gar nicht will? Meine Liebe ist nur für sie. Sie ist etwas besonderes und ich bin niemand, der jeden seine Liebe einfach so gibt. Sie ist und bleibt die einzige, die meine Gefühle verdient. Ich soll glücklich sein und versuchen, nach vorne zu schauen? Bitte. Solange sie nicht vor mir steht, schaue ich runter. So wie ich es immer gehasst habe, wenn jemand nach unten schaut, so tue ich es nun selbst. Es gibt keinen Grund mehr. Nichtmal die Jungs können mich von meinem Verlust ablenken. Ohne sie kann ich nicht mehr weitermachen. Wie soll ich meine Texte rappen, wie soll ich von Liebe singen und tanzen, wenn der Grund für meine Motivation einfach weg ist? Wenn ein ganzer Teil von mir weg ist? In dieser kurzen Zeit hat sie mir so viel gegeben, wie niemand anders. Nichtmal die Jungs. Meine Gefühle sind einfach mit mir durchgegangen und ich habe mich in dieses Mädchen verliebt. Und jetzt soll ich sie einfach so gehen lassen? Nein. Nein das geht einfach nicht. Ich soll für mich kämpfen, sagt sie. Aber habe ich das nicht die ganze Zeit? Habe ich nicht die ganze Zeit für mich gekämpft? So fühlt es sich an. Als hätte ich für mich gekämpft, und nicht für sie. Denn direkt im nächsten Satz sagt sie, dass ich loslassen soll, damit sie sich nicht mehr quälen muss. Habe ich losgelassen, als ich sie geküsst habe? Ihre Lippen.. Auch wenn es nur kurz war, an das Gefühl von ihren weichen Lippen an meinen, kann ich mich immer noch genau erinnern. Sie war ungeküsst. Auch die ganze Zeit, in der wir zusammen waren, haben wir uns nicht geküsst. Wir hatten keinen Sex. Nichts. Ich habe sie auch so geliebt. Solche Dinge sind bei uns irgendwie nicht nötig gewesen. Wir haben uns andere Dinge gegeben.

,,Ich liebe dich von ganzem Herzen. Nicht mehr wie ein Fan, sondern wie eine Frau."

Oh mein Engel.. Meine Frau. Ich hätte sie zu meiner Frau gemacht. Irgendwann hätte ich es getan. Wenn meine Zeit als Idol vorbei gewesen wäre, dann hätte ich sie gefragt, ob sie mich heiraten will. Und dann hätte ich ihr die schönste Hochzeit auf dem ganzen Planeten geschenkt. Ich hätte ihr alles gegeben, wonach sie sich sehnt. Und ich? Ich sehne mich nach ihr. Nach ihrem Duft und ihren Augen, die ich nicht mehr sehen durfte, seit Monaten schon nicht. Ich will sie zurück.

,,Wir sehen uns irgendwann wieder, und ich kann es kaum erwarten."

Ich auch nicht. Ich kann es auch nicht erwarten. Nach einigen Minuten schließe ich das Buch und lege es weg. Ich bin versunken in meinen Gedanken, wie schon lange nicht mehr.


Vereint || BTS SUGA Fanfiction || m.yg #wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt