Kapitel 2

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Mit einem riesigen Kater wachte ich am nächsten Morgen in meinem Bett auf. Wie ich hierhin gekommen war wusste ich nicht mehr. Neben mir lag Alice und schlief friedlich. Ich grinste teuflisch. Mit einem Ruck stand ich auf, hielt mir aber sofort meinen Kopf. Bevor ich mit meiner Aufwachaktion startete brauchte ich Aspirin. Nachdem ich mir die Tablette eingeworfen hatte und ein Glas kaltes Wasser in den Händen hatte ging ich die Wendeltreppe wieder nach Oben. Alice schlief immer noch. Ich grinste. Ich wollte gerade auf sie zu gehen als mein Fuss sich im Teppich verhedderte und ich so mit einem lauten Platsch auf den Boden aufkam. Das Wasserglas hatte ich mir, bei meinem Sturz, ins Gesicht geschüttet. So viel Pech konnte auch nur ich haben. Alice sass auf dem Bett und lachte mich aus. Ich fand das Ganze nicht so witzig und stand grummelnd auf. «Das nennt man vorzeitiges Karma.» brachte Alice durch heftige Lachkrämpfe geschüttelt raus. Ich musste mitlachen. «Was ist denn hier los?» Teresa stand im Türrahmen und sah uns verstört an. Wir mussten noch mehr lachen. Teresa war meine Gastmutter und die liebste Person auf Erden. «Wie auch immer. Serena pack deine Sachen wir müssen in 2 Stunden am Flughafen sein.» Unser Lachen endete abrupt. Ich schluckte und Alice nahm meine Hand. «Ich helfe dir,» sagte sie und ich nickte stumm. Nun war es so weit ich musste wieder zurück nachhause wie ich dieses Wort doch hasste. London ist mir schon im ersten Monat mehr zuhause gewesen als Los Angeles in 16 Jahren. Wir waren schnell fertig mit packen, viel gab es nicht das meiste war schon vorgeschickt worden. Ich hatte mich in der Zwischenzeit umgezogen und geduscht. Ich trug eine zerlöcherte schwarze Jeans, ein dunkelgrünes, bauchfreies Top und eine Lederjacke. Meine Haare lagen offen auf meiner linken Schulter. Ich schleppte meinen schwarzen Koffer nach unten. Dort warten alle meine Freunde. Sie sahen verkatert aus und ich lächelte bei dem Anblick. Ich werde sie alle vermissen. Nachdem viele Tränen geflossen sind und ich mich von jedem verabschiedet hatte kam der schwerste Teil, ich musste mich von Alice verabschieden. «Wenn du mich nicht jeden Tag anrufst werde ich rüberkommen und dir eine verpassen,» drohte sie mir unter Tränen. Ich nickte und wischte mir meine Tränen weg. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel geweint wie heute. «Hier, « Alice steckte mir einen Zettel zu. «Du wirst hoffentlich weiter trainieren, auf dem Zettel ist die Adresse einer Trainingshalle. Gnade dir Gott, wenn du aufhörst zu kämpfen. In allen Aspekten deines Lebens. Lass dich nicht unterkriegen und falls etwas ist kannst du mich anrufen. Iss viel Gemüse und-« Sie wurde unterbrochen als sie von ihrem Freund Jasper an seinen Bauch gedrückt wurde. «Sie ist kein Kleinkind mehr, Alice.» Ich lächelte und umarmte nochmals alle. Alice hielt ich lange im Arm bis die Zeit knapp wurde und mich meine Gasteltern ins Auto zogen.

Ich hatte mich nun auch von meinen Gasteltern verabschiedet, aber weniger emotional. Ich mochte sie, aber ich habe sie nie nah genug an mich rangelassen, dass sie mir ans Herz gewachsen waren. Ich war es nicht gewohnt eine Elternrolle zu haben. Daher wusste ich nicht viel mit meinen Gasteltern anzufangen.

Nach einem nervenaufreibenden Flug, da mir so ein kleines Kind die ganze Zeit in die Rückenlehne gehauen hatte, kam ich in Los Angeles an. Ich hatte es nicht eilig in den Abholbereich zu kommen. Daher liess ich mir Zeit und versuchte mich darauf vorzubereiten meine Familie wiederzusehen. Ich hatte meinen schwarzen Koffer nach langem Suchen gefunden und zog ihn hinter mir her. Ich trat durch die Glastür in den Abholbereich. Ich sah mich um. Viele hielten Schilder mit Namen hoch, ich lass sie mir alle durch. Auf keinem stand mein Name. Vielleicht könnte ich ja wie vom Erdboden verschluckt werden und ich könnte wieder zurück in meine Heimatsstadt. London. Mir viel eine Jungsgruppe auf die alle genervt aussahen. Ich sah sie mir genauere an. Drei von ihnen hatten braune Haare und erinnerten mich stark an meine Brüder. Der Rest war ein gemischter Haufen von Jungs. Ich nickte unmerklich. Das mussten sie sein. Nur konnte ich Marc nirgends erkennen. Am Anfang meines Austauschjahres hatten wir viel Kontakt, doch das ebbte ab und irgendwann telefonierten wir nur noch ganz selten. Bevor ich abgeflogen war, war er ein Nerd, genauso wie ich. Doch 1 Jahr konnte jemanden schnell ändern. Ich selbst als bestes Beispiel. Ich lief zielstrebig auf die Gruppe zu. Als ich vor ihnen zum Stehen kam, sahen mich alle verwirrt und anzüglich an. Ich wusste dass ich jetzt hübscher war als vor einem Jahr. Ich war nicht mehr so rundlich. Hatte einen Schnelldurchlauf durch die Pubertät gemacht und dank Alice zog ich mich nicht wie der letzte Penner an. Sie erkannten mich wohl nicht. Was auch nicht überraschend war. «Hey Babe ich bin Marc und du bist?» Ich sah zu dem Jungen der das gesagt hatte. Das konnte nicht Marc sein! Erstens hatten wir uns immer über solche Sprüche lustig gemacht. Zweitens war dieser Marc durchtrainiert und man sah nichts mehr von dem alten Marc. «Marc das ist ziemlich eklig. Ich dachte wir sind so etwas wie Geschwister?» Verwirrt zog er eine Augenbraue nach oben. «Ich bin Einzelkind,» sagte er. Ich verdrehte die Augen. «Benutz dein Hirn und denk ein einziges Mal nach.» sagte ich und während er nachdachte sah ich mir die anderen Jungs an. Alle durchtrainiert und ich tippte stark auf Möchtegern Badboy. Ein paar kamen mir sogar noch bekannt vor. Es waren alle Freunde von meinen Brüdern. «Serena?» Ich blickte Marc wieder an. «Richtig geraten.» Ich applaudierte falsch. «Wie ist das möglich?» Fassungslos sahen mich alle an. Ich zuckte mit den Schultern und tätschelte Marcs Wange. «Es ist möglich, da ich es möglich gemacht habe.» War meine Antwort und ich fühlte mich im Moment ziemlich klug und überlegen, dabei war der Spruch nicht wirklich originell. «Du hast dich verändert,» sagte wieder Marc und ich verdrehte die Augen. «Nein wirklich?» sagte ich übertrieben sarkastisch. «Können deine Freunde eigentlich auch reden oder sind sie stumm geworden.» Ich deutete auf die Jungs. Diese fassten sich nach meinen Worten wieder. «Wir können reden,» zischte Colin. Er war der Älteste. «Das höre ich. Aber meiner Meinung nach, kommt nur Scheisse raus.» gab ich im gleichen Tonfall zurück. Es wurde mir langsam zu blöd. «Können wir nachhause?» Ich setzte das Nachhause in Anführungs- und Schlusszeichen. Colin sah mich noch kurz verwundert und wütend zugleich an bevor er vorging. Ich schleifte meinen Koffer hinter mir her. Ein Junge aus der Gruppe nahm in mir ungefragt ab, doch ich beschwerte mich nicht, da er doch ziemlich schwer war. Ich verlangsamte mein Tempo um neben Marc laufen zu können. «Wie gehts dir?» fragte ich Marc da mir die Stille unangenehm wurde. «Du fragst mich ernsthaft wie es mir geht?» Fassungslos sah er mich an. Ich nickte und er schnaubte. «Du hast Muskeln bekommen,» versuchte ich erneut ein Gesprächsthema zu finden. «Lass es lieber Serena. Du tauchst nach einem Jahr wieder auf und siehst so aus als wolltest du jeden Jungen auf diesem Planeten aufreissen.» Ich wurde leicht wütend. « Ich hoffe für dich, dass du mich nicht gerade indirekt eine Schlampe genannt hast. Das haben die Wenigsten unbeschadet überstanden.» Ich verschnellerte mein Tempo wieder und fischte mein Handy aus meiner Handtasche. Ich rief Alice an. «Hey Babe.» sagte sie und ich musste leicht lächeln. «Hey Baby wie gehts?» fragte ich und sah mich um. Wir waren aus dem Flughafen Gebäude raus und standen nun am Eingang zum Parkhaus. «Mir geht es scheisse. Ich vermisse dich.» -«Ich vermisse dich auch. Was machst du gerade?» Ich blieb stehen da die Jungs ebenfalls stehengeblieben sind. «Nichts Wichtiges. Wie ist das Widersehen gegangen?» fragte Alice. Ich schnaubte. «Alle sind noch grössere Arschlöcher geworden als sie es ohnehin schon waren.» Ich bemerkte wie mich einige der Jungs böse anschauten, doch es war mir egal. «Sind sie wenigstens heiss?» Ich verdrehte die Augen. «Das ist deine zweite Frage zu meiner Familie? Wirklich?» - «Ich bin doch auch nur eine Frau.» kam es von ihr und ich lachte. «Eine vergebene Frau, das hast du vergessen.» - « Jaja.» plötzlich wurde mir mein Handy aus der Hand gerissen und ich fuhr wütend herum. «Was soll das?» keifte ich meinen Zweitältesten Bruder Erik an, der das Handy an sein Ohr drückte. «Hör zu. Wer auch immer du bist. Meine Schwester hat kein Interesse mehr an dir. Falls du sie wieder anrufst komme ich und breche dir alle deine Finger. Kapiert?» drohte er Alice. Momentmal, dachten sie etwa, dass Alice ein Junge ist? Erik beendete das Gespräch und streckte sich MEIN Handy in SEINE Jackentasche. «Was soll die Scheisse?» fragt ich wütend und versuchte an seine Jacke zu kommen. Er wich mir gekonnt aus. « Ich habe nur deinem Freund klargemacht, dass er meine kleine Schwester nicht mehr belästigen soll.» sagte er simpel und machte einen Schritt auf die Seite da ich immer noch versuchte an mein Handy zu kommen. «Ich bin nicht mehr deine Schwester,» fauchte ich wütend. Kurz sah ich Trauer in seinen Augen, doch es wurde durch Wut abgelöst. «Und ob du das bist! Jetzt steig in den Wagen ein.» Perplex sah ich ihn an als er sich in sein Auto setzte. Ich blieb stehen und suchte Marcs Auto. Ich schlug die Beifahrertür wieder zu die mir mein Bruder geöffnet hatte und stampfte wütend zu Marcs Wagen. Er öffnete und ich setzte mich mit verschränkten Armen auf den Beifahrersitz. «Idioten! Alles Idioten!» schimpfte ich wütend vor mich hin. Marc lachte. «Tut mir leid wegen vorhin,» sagte er nach einer Weile. «Schon wieder vergessen. Aber auch nur, weil du mein bester Freund bist.» Er lachte und ich schmunzelte. «Wie war es in London?» Ich bekam einen verträumten Ausdruck im Gesicht und fing an zu erzählen. Die kriminellen Sachen liess ich aus. Das musste er nicht unbedingt wissen. Als wir bei mir ankamen, war ich nicht einmal bei der Hälfte angelangt und die Fahrt dauerte 2 Stunden. «Ich hol dich morgen ab, Prinzessin.» sagte er. «Wieso?» - «Wir haben morgen wieder Schule. Die Sommerferien sind schliesslich vorbei.» Ich verzog mein Gesicht. Schule. Bäh. «Na gut,» seufzte ich und schloss die Autotür. Er winkte und fuhr weg. Ich drehte mich zu meinem zuhause um. Auch wenn es das nie war. Es war ein weisses Haus. Hatte etwas von einer Villa, doch es kam nicht protzig rüber. Hinter dem Haus befand sich ein Pool und ein Garten. Meine Eltern arbeiten viel. Doch es störte mich nicht. So musste ich sie nicht lange ertragen. Ich hatte nie das Gefühl gehabt, dass sie wirklich Kinder wollten. Colin und Eric waren zwar gewollt gewesen doch die hatten sie auch nur bekommen um das Bild einer perfekten, stereotypischen, amerikanischer Familie zu haben. Finn war ein Ausrutscher, der aber nicht weiter schlimm war. Als ich dann auch noch kam, waren sie bereits mit ihren anderen Kindern mit den Nerven am Ende und mich liess man daher links liegen.

Ich lief auf den Eingang zu im Türrahmen stand Finn. Finn war mein drittältester Bruder. Ich wollte an ihm vorbeigehen, doch er zog mich ihn eine Umarmung. Ich versteifte mich. «Ich habe dich vermisst,» murmelt er und ich schnaubte verächtlich. Er liess mich los und verschwand im Haus. Etwas verwirrt darüber, dass er mich vermisst haben soll trat ich ein. Es sah alles genauso aus wie ich es verlassen hatte. Links das Schuhregal, rechts die Jacken. Ich ging auf mein altes Zimmer. Auch hier hatte sich nichts verändert. Mein Zimmer war mittelgross und die Wände waren blau gestrichen. Ich sollte eigentlich ein Junge werden. Vielleicht war ich deshalb nicht willkommen in der Familie? Ich schüttelte den Kopf und fing an meine Kartons auszupacken, die in der Ecke gestapelt waren. Ich würde mir nicht noch einmal das Grübeln wieso mich meine Brüder ausschlossen nie wieder antun. Nach 2 Stunden warf ich mich auf mein altes Bett, es quietschte nicht so wie früher unter meinem Gewicht, sondern blieb ruhig. Mit einem glücklichen Lächeln schlief ich ein.

Nerd to BadgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt