Kapitel 1

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Mit großen Augen schaute Tao sich um. Überall liefen Menschen herum, Autos hupten, Hunde bellten, Kinder lachten, die Omas schimpften über die lauten Nachbarskinder und die Straßenmusikanten erfeuten sich über die Münzen, die mitleidige Spaziergänger ihnen in die Hüte warfen.
Tao war das erste mal in einer chinesischen Stadt. Die Städte in Korea waren klein und sehr altmodisch. Die Traditionen wurden streng gehalten, Wehe, man setzt sich über sie hinweg. Von den überwältigen Eindrücken der Großstadt fühlte sich Tao klein, ermutigend fasste er an den Griff seines verborgenen Schwertes. Tao war ein guter Kämpfer. In Korea galt er als einer der besten. Die Neugier trieb ihn nach China. Dort wurden alle vier Jahre Wettbewerbe veranstaltet, wo Soldaten, Hobbykämpfer und Lehrlinge aus dem ganzen Reich sich messen konnten. 
,,Hey." Tao drehte sich um. Ein Junge stand vor ihm. Der Junge war etwas kleiner als er, und seine Haare waren auch kürzer. Anstatt bis über die Hüfte zu fallen, ging dessen Zopf grad mal über die Mitte seines Rückens.
,,Hi.", grüßte Tao zurück. ,,Ich schätze, du bist neu hier.", sagte der Junge und verbeugte sich. ,,Kim Jongin mein Name, die meisten nennen mich aber Kai." ,,Lee Zitao, aber Tao reicht auch.", stellte sich Tao vor und verbeugte sich ebenfalls. ,,Was führt dich hierher?", fragte Kai und strich sich eine der schwarzen Stränen zurück. ,,Die Neugier und der Umgang mit dem Schwert.", antwortete Tao und grinste. Kai lächelte zurück. ,,Ich schätze also, du bist auch einer der berühmten Drachenkämpfer."
Drachenkämpfer. So hieß die chinesische kaiserliche Armee. Nur die besten der besten konnten der Armee beitreten. Tao schüttelte den Kopf. ,,Bei uns nennt man das Soldat, aber das bin ich auch nicht. Hobbykämpfer nenne ich diesen Begriff.", antwortete er. ,,Du bist Koreaner?" Verwundert hob Kai eine Augenbraue. Tao nickte. ,,Wenn du meinst."
Auf einmal ertönte ein lautes Gegröle. Eine Menschenmenge versammelte sich um ein paar junge, stark aussehende Männer. ,,Was passiert da?", fragte Tao neugierig. ,,Rivalenkämpfe.", antwortete Kai und lachte über Taos verwirrten Blick. ,,Spaß, sie wollen sich nur im Kampf messen. Willst du zuschauen?" Ihm war Taos freudige Auffunkeln in den Augen nicht entfallen. Tao nickte begeistert. ,,Dann komm."
Die beiden näherten sich dem Kreis und drängelten sich nach vorne.

Die Kämpfe gingen schnell vorbei. Ein großer Mann mit großen, spitzen Gesicht, riesigen Kopf und einer Narbe zwischen den Augenbraue sah spöttisch auf die Besiegten Herausforderer, die auf den Knien entwaffnet um Gnade baten. Der Sieger schaute auf und blickte höhnisch auf die Zuschauer. ,,Möchte wer noch mit mir kämpfen?" Seine Stimme und die Stille der Zuschauer verieten Tao, dass der Mann schon sehr viele Siege und Kämpfe hinter sich hatte. ,,Traut sich niemand? Das ist ja langweilig.", sagte der Mann. ,,Hier, ich möchte.", rief jemand. Es war Tao. ,,Du?" Der Mann blickte herabblickend auf Taos Statur. Tao war etwas dünn und sah trotz seiner Größe etwas schmächtig aus. Tao nickte. ,,Tao, bist du des Wahnsinns? Das ist der unbesiegbarste Mensch in dieser Stadt.", zischte Kai Tao zu. Tao zuckte gleichgültig mit den Schultern. ,,Und den Titel werde ich ihm nehmen.", antwortete er mit kampflustigen Funkeln in den Augen. Er trat in den Kreis. ,,Soll ich es dir ein wenig leichter lassen?", fragte der Mann gespielt besorgt. Die Zuschauer lachten, doch Tao ließ sich nicht davon beirren. ,,Och musst du nicht, Elefantenkopf.", provozierte ihn Tao. Die Menge verstummte völlig. Vielleicht sah Tao schwach aus, doch er war ein hübscher Junge, der seine 20 Jahre noch nicht erreicht hatte. ,,Junge, hör auf, bevor er dich tötet!", rief jemand warnend aus der Menge. ,,Hier wird niemand getötet, hier wird nur ein Angeber besiegt!", antwortete Tao. Die Provokationen zeigten ihre Wirkung. Wütend stürmte der Mann auf ihn zu, die Schwertspitze genau auf Tao gerichtet. Flink wisch ihm Tao aus. Immer wieder griff der Mann Tao an, doch Tao wirbelte immer wieder davon, provokant grinsend. Und das reizte den anderen Kämpfer sehr. ,,Willst du ständig abhauen, oder auch richtig kämpfen?", fuhr er Tao an. Dieser blieb ihn gegenüber stehen. ,,Ich kann auch richtig, wenn du den Kampf schnell beenden willst.", antwortete Tao. ,,Ohne Waffen?", lachte Mann auf. Taos überlegendes Lächeln wurde durch eine ernste Mimik ersetzt. ,,Mit Waffen.", sagte er und zog seinen Schwert heraus. Dem Mann und den Zuschauern klappte der Mund auf. Taos Schwert unterschied sich deutlich von dem der chinesischen Hobbykämpfer. Diese waren ungepflegt und billig, da die Kämpfer ihr Geld lieber für andere Sachen verschwendeten. Taos Schwert hingegen glänzte und funkelte, edel aussehende Steine schmückten den Griff, der geschmeidig in Taos Hand lag und geheimnisvolle Muster durchzogen die Klinge. Auch war die Spitze spitz, und die Seiten scharf, wovon man ausgehen konnte, dass der Besitzer des Schwertes das Gegenstand liebte und pflegte. Die Besonderheit des Schwertes war jedoch der Griff. Die hübschen Steine schienen nur eine teure Dekoration sein, den sie lenkten vom Ende des Griffes ab. Dieser war etwas länglich und verlief sich am Ende zur einer scharfen Spitze.
,,Woher hast du dieses Schwert geklaut?", fragte Taos Gegenüber respektvoll. ,,Sowas kannst du dir nicht leisten." ,,Da hast du Recht." Liebevoll fuhr Tao mit einem Finger leicht an der scharfen Seite des Schwertes, worauf dieser sofort anfing zu bluten. ,,Doch ich habe es weder geklaut, noch gekauft. Ich habe es selber hergestellt."
,,Der Kaiser sollte das Schwert besitzen, nicht ein einfacher fremder Junge wie du. Oder wenigstens ich.", sprach der Mann etwas wütend. ,,Ach." Tao hob eine Augenbraue hoch. ,,Zuerst musst du mich besiegen, um das Schwert zu erhalten." ,,Nichts leichter als das. So wie du dein Schwert hälst, kannst du auch nicht kämpfen." In dem Punkt hatte der Chinese Recht. Tao hielt sein Schwert wie ein Kind, welchen man zum ersten mal in seinem Leben ein solches Gegenstand in die Hand drückte. Schwer und unerfahren. ,,Willst auch einen Beweis?", fragte Tao. Der Mann schüttelte den Kopf. ,,Dein Aussehen ist Beweis genug. Und jetzt her mit den Schwert.", antwortete er. ,,Spaßverderber.", murmelte Tao und streckte sein Schwert dem Mann hin. ,,Da, nimm ihn." Der Mann trat auf Tao zu und wollte ihn das Schwert aus der Hand reißen, als Tao mit einer geübten Bewegung das Schwert plötzlich einmal kreisen ließ und dem Mann an den Hals legte. ,,Aber zuerst muss du mich besiegen." Wütend brüllte der Mann auf, zog sein Schwert und stürzte sich auf Tao. Der Kampf begann. Einige der professionellen Zuschauern merkten sofort, das Tao mit seinem Gegner spielte. Er neckte ihn, ließ diesen an sich rankommen und vertrieb ihn wieder. Es machte ihm Spaß, seinen Feind zu reizen, und das merkte derjenige auch. Er versuchte seine Strategie von stumm kämpfen auf die listige Art zu wechseln. Er blieb stehen. ,,Junge, kämpfen heißt, schnell zu besiegen, oder schnell zu verlieren.", sagte er. ,,Du ziehst das alles nur unnötig in die Länge und verlierst deine Kraft." Tao, der ebenfalls stehen geblieben ist, lachte nur. ,,Aber so macht es kein Spaß.", meinte er. ,,Aber wenn du unbedingt willst," sein Gesichtausdruck wurde ernst und kalt, ,,dann lass uns das schnell beenden." Der Mann sah nur, wie Tao auf ihn zuflog. Er versuchte, diesen mit seinem Schwert abzuwehren, doch Taos Schwert strich ihm kurz über die obere Seite des Handgelenk und drehte sich einmal um dessen Schwert. Ein kurzer Ruck und ein sportlicher Tritt von Taos Seite aus und sein Gegner war entwaffnet und sank auf die Knie. Sein Schwert flog einige Meter von ihm weg. Der Mann sah auf sein Handgelenk, das stark blutete, obwohl Taos Schwert es nur kurz gestreift hatte. ,,D-du..W-wie?", stotterte der Mann. Tao hielt die Schwertspitze an den Hals des besiegten Gegner. ,,Du wolltest es doch schnell, oder nicht?", fragte er kalt. ,,Aber wie?" Der Verlierer, so wie die Zuschauer konnten nicht glauben, wie Tao es geschafft hat, den Unbesiegbaren zu besiegen. ,,Weißt du?" Tao steckte sein Schwert wieder ein und hockte sich vor dem Mann. Er hob dessen Kinn mit seinen Fingern auf. ,,Mein Lehrer sagte einst, dass in allen Kampfschulen diesselben Kampftechniken und dieselben Waffen angewendet werden. Und da beschloss ich, mir das Kämpfen selbst beizubringen.", antwortete er leise. ,,Und niemand kann meine Künste anwenden, denn sie passen sich nur mir an, genauso wie mein Schwert."
,,Gegen ein großes Heer kommst du nicht alleine an.", sagte der Mann vor Tao verbissen. ,,Och, das wollte ich schon immer ausprobieren. Gegen zwanzig riesige Bären habe ich gekämpft und besiegt. Gegen ganze Gruppen von Kriminellen habe ich auch gewonnen. Und ich werde immer siegen. Denn mein Name," Tao senkte seine Stimme, ,,ist Lee Zitao. Diesen Namen kennt noch niemand in deinem Land, doch bald wird er durch die ganze Welt erschallen und sogar der Kaiser wird sich mit Respekt vor mir niederknien."

Wanted //Taoris//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt