Kapitel 10

313 21 2
                                    

Warum passiert das mir? Womit habe ich das verdient?, dachte Tao, als er am nächsten Morgen aufwachte. Der Junge hatte sich mit Mühe ins Bett gequält und sich in den Schlaf geweint. Müde ließ Tao seinen Kopf wieder ins Kissen zurückfallen.
Es klopfte an der Tür. Es war Lisa, mit einem Tablett mit Frühstück in der Hand. ,,Guten Morgen.", grüßte sie fröhlich und stellte das Tablett auf das Nachtschränkchen. ,,Hast du gut geschlafen?", fragte sie und wandte sich zu Tao. Erschrocken hielt sie die Luft an, als sie Tao erblickte. Rote, geschwollene Augen und tiefe, schwarze Ringe darunter. Dazu war Tao leichenblass und sah alles andere als gesund aus. Besorgt legte Lisa eine Hand auf Taos Stirn. ,,Du glühst ja!", rief sie entsetzt aus. ,,Bleib still liegen, ich bringe dir Medizin." Lisa hastete hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. ,,Lisa, geh nicht.", flüsterte Tao erschöpft und schloss seine Augen.
Es verging einige Zeit, bis Lisa wieder zurückkam. In der Hand trug sie ein Körbchen mit Medikamten, hinter ihr ging der Kaiser. ,,Eure Hoheit. Nehmen Sie die Tabletten. Es wird Ihnen dann besser gehen.", sagte sie mit einer Verbeugung und reichte Tao die Tabletten. ,,Du sollst mich Tao nennen.", murmelte Tao undeutlich und nahm gehorsam die Medizin zu sich. ,,Wann wird er wieder fit?", fragte der Kaiser besorgt. ,,Eure Majestät, wenn er die Tabletten regelmäßig zu sich nimmt und ruhig liegen bleibt, wird es ihm in ein paar Tagen besser gehen.", antwortete das Mädchen. ,,Gut, du kannst gehen.", entließ Wu Yifan sie. Lisa verbeugte sich noch einmal und verließ das Zimmer. Wu Yifan blieb alleine mit Tao zurück.

Yifan setzte sich zu Tao auf die Bettkante und legte eine Hand auf desen Stirn. Der Fieber war ein wenig gesunken, trotzdem war Tao noch warm. ,,Fass nich nicht an.", flüsterte Tao kraftlos. ,,Verschwinde, ich möchte dich nicht sehen."
Yifan wäre nicht Wu Yifan, wenn er keine Geduldsgrenze hätte. So sehr er Taos Hilfe benötigte, und versuchte, ruhig mit ihm umzugehen, irgendwann würde seine Geduld platzen, und das geschah jetzt. Wütend packte er Tao an den Schulter und drückte ihn tief ins Kissen. ,,Ich habe dein zwei Tage dein Verhalten mir gegenüber ertragen. Hast du vergessen, wer ich bin?", fuhr er Tao an. Der kranke Junge antwortete nicht, sondern schloss schmerzgeplagt seine Augen, als sich Wu Yifans Nägel in seine Haut eingruben. ,,Du hast es selber so gewollt." Wu Yifan ließ Tao los und stand aus. ,,Die Hochzeit findet in zwei Wochen statt. Bis dahin bist du gesund." Mit diesen Worten ging er aus dem Raum und schoss die Tür hinter sich zu. Während er sich entfernte, hörte Yifan deutlich, wie Tao anfing zu schluchzen. Er wusste, er könnte versuchen, Tao unter anderen Bedingungen auf seine Seite zu bekommen, so wie jeder andere es tat. Doch der Kaiser war zu stolz. Nichts könnte dazu beitragen, sich vor seinem Stolz zu beugen.

,,Yifan?" Der Kaiser schaute auf. Luhan stand im Türrahmen und knetete sich nervös die Hände. ,,Komm rein.", winkte Yifan seinen Bruder rein. Luhan trat vollends ein und setzte sich auf das weiche Sofa, welches an der Wand in Yifans Büro stand. ,,Was ist passiert?", fragte Yifan besorgt, denn Luhan sah nicht glücklich aus. Luhan atmete tief ein. ,,Yifan, was ist Liebe?"

Yifan erstarrte. Er wusste, dass irgendwann die Frage aufkommen würde, dass Luhan anfangen würde, Gefühle zu entwickeln und anfangen, das eigene Leben zu entwickeln.
So sehr Yifan versuchte, Luhan in einem normalen Umfeld aufzuziehen, und nicht so, wie er erzogen wurde, Luhan würde irgendwann erwachsen werden, und Liebe war ein Faktor des Erwachsenwerdens.

,,Liebe. Das ist ein Gefühl.", fing Yifan an. ,,Wenn du jemanden magst, und ein Leben ohne diese Person dir nicht vorstellen kannst." ,,Ich mag dich auch und kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Aber das ist doch keine Liebe.", unterbrach Luhan seinen älteren Bruder. ,,Doch Luhan, das ist nennt man Geschwisterliebe.", antwortere Yifan und lächelte leicht. ,,Aber das ist nicht das, was ich meine.", meinte Luhan. ,,Ich weiß, Luhan.", antwortete Yifan und wurde wieder ernst. ,,Liebe ist ein sehr schönes Gefühl. Es geht über Geschwisterliebe und Freundschaft hinaus. Für die Liebe bist du bereit, alles zu machen, sie einzusperren, damit du sie immer an deiner Seite hast. Aber Liebe kann sehr schmerzhaft sein. Wenn sie dich mit verhassten Augen anschaut und dir den Tod wünscht." Yifan flüsterte am Ende. Seine Augen wurden feucht. Es tat weh. Es tat verdammt nochmal weh, ihr Schluchzen zu hören und ihren Hass zu spüren. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. ,,Wer ist dieser Idiot?", fragte Luhan leise. Yifan wischte sich über die Augen und lächelte traurig. ,,Vergangenheit, kleiner Bruder.", antwortete er. ,,Und jetzt sag mir, warum du diese Frage gestellt hast." Luhan wurde rot. ,,Jemand hat mir seine Liebe gestanden.", sagte er. ,,Und, was hast du gesagt?", fragte Yifan, der sich vorstellen konnte, wer Luhans Verehrer war. ,,Ich hab mich umgedreht und bin zu dir gerannt.", murmelte Luhan verlegen. ,,Ach Luhan.", lächelte Yifan. ,,Wer war das?" ,,Sehun.", flüsterte Luhan. ,,Und, liebst du ihn?" Luhan überlegte. ,,Ja, ich liebe ihn.", antwortete er dann.
,,Dann lauf, und schnapp ihn dir.", forderte Yifan seinen kleinen Bruder auf und stand von seinem Sessel auf. Luhan drehte sich um und wollte gehen, als er sich an Yifan wandte und diesen fest umarmte.
,,Dankeschön.", flüsterte er und verschwand endgültig.

Irgendwo im kaiserlichen Palast, zwischen den Bäumen versteckt, inmitten schöner Blumen, saß ein schlanker Junge auf einer Schaukel. Langsam bewegte er sich vor und zurück und dachte nach. ,,Was war das für eine Reaktion? Was soll ich davon halten?", fragte er sich. Auf einmal ertönten Schritte hinter ihm. ,,Sehun!" Der Junge würde die liebliche Stimme unter allen Stimmen erkennen. Sein Herz machte einen Sprung, doch äußerlich blieb er ruhig auf der Schaukel sitzen und schaute nicht auf. ,,Sehun." Luhan legte seine Hände auf Sehuns Schultern. ,,Es tut mir leid." ,,Was tut dir leid?", fragte Sehun kalt. ,,Das ich weggelaufen bin.", antwortete Luhan ruhig. ,,Ich habe es schon verstanden.", entgegnete Sehun. ,,Nein.", meinte Luhan. ,,Ich wusste nur nicht, was Liebe wirklich war. Ich bin zu Yifan gelaufen und habe ihn gefragt." Sehun stand ruckartig auf und wandte sich an Luhan. ,,Und? Weißt du es jetzt?", fragte er leise. Luhan lächelte. ,,Ich liebe dich auch, Sehun."

Etwas weiter, hinter einem Baum verborgen, stand Yifan und beobachtete die zwei Jugendlichen. Er freute sich für die zwei, doch trotzdem konnte er den Funken Neid in sich nicht unterdrücken. Er wünschte, er könnte auch so mit jemanden sein, jemanden, den er liebte.
Schicksal, warum dauert es solange?, dachte der Kaiser und wandte sich zum Gehen um.

_____________

Beginn der Lesenacht! 🎉

Wanted //Taoris//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt