Kapitel 4

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Ohne jegliche Motivation öffnete ich die Haustür und betrat den großen Eingangsbereich unserer Villa. Ja mein Dad verdiente besser als nur gut mit seiner Firma und man könnte sagen wir gehörten zu den wohlhabendsten Familien der Stadt. Doch das wussten zum Glück nicht viele. Eigentlich sogar niemand. Es gab auch keine Anzeichen durch die man vermuten könnte, dass ich mehr Geld besaß als andere, denn ich trug weder Marken Klamotten noch war ich total arrogant und abgehoben. Ich hörte wie in der Küche etwas zu Bruch ging, weswegen ich mich direkt dorthin begab. Der Anblick der sich mir dort bot, war nichts neues für mich. Mein Dad stand neben einer Kommode auf der normalerweise eins unserer alten Familienfotos lag. Eins aus den Zeiten in denen Mom noch am Leben war. Jetzt lag das Foto zwischen Scherben auf dem Boden. Zuerst hatte er mich nicht bemerkt, doch jetzt schaute Dad auf und etwas in seinem Blick veränderte sich von Trauer zu Wut. Meine Intuition rat mir, so schnell es geht nach oben zu rennen und mich in meinem Zimmer einzuschließen, aber der Anblick des Fotos lähmte mich und ich fühlte mich bewegungsunfähig. Meine Augen füllten sich mit Tränen und wie durch einen Schleier, der meine Sicht verschwimmen ließ sah ich wie Dad einen Schritt auf mich zu machte. Die Luft um ihn rum roch schon von weiterem nach teurem Whiskey. Das erklärte auch sein Lallen als er versuchte so herablassend wie möglich etwas zu sagen, was sich wie „Daran bist einzig und allein du Schuld, du kleines Miststück!" anhörte.

Die erste Träne verließ meinen Augenwinkel und ich machte  zaghaft einen Schritt nach hinten. Dabei wisperte ich ganz leise „nein". Doch das hätte ich nicht sagen dürfen und im Nachhinein bereute ich diese Worte zutiefst, denn sofort holte Dad aus und und verpasste mir eine Ohrfeige. Meine Schläfe pochte unangenehm und der blaue Fleck an meinen Wangenknochen brannte wie Feuer während weitere Tränen über meine Wangen liefen. Dad packte mich grob an den Haaren, was einen starken Schmerz auf der Kopfhaut auslöste und zwang mich somit ihn anzusehen. „Du wagst es mir zu widersprechen? Ausgerechnet du?" knurrt er bedrohlich und schlug meinen Kopf mit solch einer Wucht gegen die Wand, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Meine Knie gaben nach und ich ließ mich langsam an der Wand zu Boden gleiten. „Du bist nichts Wert! Nichts, hörst du? Du bist so erbärmlich!" brüllte Dad und trat immer wieder auf mich ein. Ich wimmerte leise und krümmte mich bereits vor den Schmerzen, die meinen ganzen Körper Einnahmen. Ein letztes mal schlug er mir seine Faust mitten ins Gesicht und ein metallener Geschmack breitete sich in meinem Mund aus.  Daraufhin verschwamm meine Sicht endgültig. Die erlösende Dunkelheit zog mich immer näher zu sich, bis sie mich vollkommen umgab und mein Bewusstsein mich verließ.

Begleitet von dem stetigen Hämmern in meinem Kopf, wurde ich wach. Noch immer lag ich zusammengekauert auf dem Küchenboden. Keuchend setzte ich mich erst hin, um kurz darauf aufzustehen. Das war eher unklug, denn sofort musste ich mich festhalten um nicht gleich wieder umzukippen. Geplagt von Schmerzen kehrte ich die Scherben auf dem Boden zusammen. Ein Blick auf die Wanduhr zeigte mir, dass es bereits Mittwoch Nachmittag war und der Unterricht für heute sowieso schon beendet wurde. Um eine schnellere Wirkung zu erzielen, nahm ich mir direkt zwei Aspirin Tabletten aus dem Wandschrank, welche ich mit viel Wasser runterschluckte.

Auf dem Weg zu meinem Zimmer stellte ich fest, dass Dad zum Glück bei der Arbeit war. Deshalb hatte ich heute seit langem mal wieder einen Tag nur für mich. In meinem Zimmer ging ich sofort zum Kleiderschrank und holte mir ein frisches Top und eine bequeme Shorts raus. Vor dem Spiegel entledigte ich mich meiner Kleidung und wollte mich gerade anziehen als mein Blick an meinem Spiegelbild hängen blieb. Kurz erstarrte ich vor Schreck. Überall auf meinem Oberkörper waren große Hämatome verteilt und von violett bis dunkelblau sind alle Farben dabei gewesen . Auf die Stellen, die besonders schlimm aussahen, schmierte ich eine heilende Creme die bewirkte, dass die blauen Flecken schneller verblassten. Danach desinfizierte ich einen Kratzer der entlang meiner Schläfe verlief. Nachdem ich mit allem fertig war zog ich mich an, legte mich behutsam auf mein Bett und ließ meinen Gedanken freien Lauf.

Immer wieder fragte ich mich, wieso das alles ausgerechnet mir passieren musste. Ich fragte mich ob ich irgendwann mal etwas getan haben könnte, das eine Erklärung dafür wäre wieso ich diese Qualen Tag für Tag durchleben musste. Doch mir fiel nichts ein. Und das war es, was mir noch mehr zu schaffen machte. Denn wenn ich nichts getan habe, dann bedeutete es, dass es an Dad lag. Dass er mich nicht liebte. Und das konnte ich nicht wahr haben. Jeden Abend betete ich dafür, dass es wieder so wird wie früher. Ich betete dafür dass mein Dad wieder der Alte wird, mich in den Arm nimmt und mir beruhigende Worte zuflüstert, wenn mir alles zu viel wird, so wie er es früher getan hat. Und mit den Gedanken an diese winzig kleine Hoffnung darin, dass alles wieder gut wird, trat ich aus dieser Welt und flog in das Land der Träume...

Ruby Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt