Kapitel 8

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Meine Füße schmerzten, doch das Adrenalin in meinen Adern ließ mich nicht stoppen. Dazu kam noch die stetige Angst, verfolgt zu werden. Auch wenn das Blut schon längst getrocknet war, pochte der Schnitt an meinem Hals unaufhörlich. Alles was ich wollte, war mich in meinem Bett zu vergraben und die Angst hinter mir zu lassen. Aber ich wusste, dass es nicht so kommen würde . Dad sollte mittlerweile längst zuhause sein und wenn er bemerkte, dass ich unterwegs war, bedeutete das für mich nichts Gutes.

Nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen;- und den Eingangsbereich durchquert habe vernahm ich ein Geräusch aus dem Wohnzimmer. Meine Neugier gewann die Oberhand über meine Vernunft, und ich begab mich dorthin, wo ich jemanden auf einem der Sessel zusammengekauert sah. Bei genauerem Hinschauen bemerkte ich, dass es sich bei der Person um meinen Dad und bei dem Geräusch um sein Schnarchen handelte. Die Luft um ihn herum stank nach Alkohol und ich versuchte flach zu Atmen, um den Würgereiz du unterdrücken. Seufzend machte ich mich daran, ihm seine Schuhe auszuziehen und ihn mit einer Decke zuzudecken. Danach beugte ich mich zu ihm runter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Wieso machst du dich nur so kaputt Dad? Wir hätten alles zusammen durchstehen können und stattdessen zerstörst du dich so? Merkst du nicht, dass ich dich brauche? Hörst du, ich brauche dich! Mehr als alles andere..." beendete ich meinen geflüsterten, kleinen Vortrag. Wieso ich mir nach allem was er mir angetan habe noch Sorgen um ihn machte? Weil er mein Dad war und ich die Hoffnung darin, dass wir eines Tages doch glücklich werden können, nicht aufgeben konnte. Ich wollte und konnte nicht akzeptieren, dass es für immer so bleiben würde. Es zerriss mir das Herz ihn so kaputt zu sehen, so gebrochen. Denn das war er letztendlich: Ein gebrochener Mann, der den Tod seiner Frau nicht verkraften konnte und lieber vor den Gefühlen davon rannte anstatt sich ihnen zu stellen. Ein gebrochener Mann, der seine Sorgen mit Alkohol verdrängte, ohne auch nur einen Gedanken an seine Tochter zu verschwenden. Daran, wie sie sich vielleicht dabei fühlte. Aber vielleicht wäre es auch zu egoistisch von mir zu erwarten, dass er nach alldem noch an mich denkt. Eine Träne lief über mein Gesicht. Ich konnte es nicht verhindern und ein Schluchzer verließ meine Kehle.

Dad begann sich zu bewegen und öffnete brummend die Augen. Ich hatte ihn anscheinend geweckt. Resigniert und in der Erwartung, dass mich gleich der erste Schlag treffen würde, senkte ich meinen Kopf. Doch es war kein Schlag, der mich traf, nein, es war seine Hand, die mich berührte und mir die Träne von der Wange strich. Lallend und mit einem Unterton, den ich zuerst gar nicht deuten konnte fragte er mich „Ruby, Schätzchen, bringst du mich ins Bett?". Würde ich es nicht besser wissen, würde ich denken es läge Liebe in seiner Stimme, aber das konnte gar nicht sein, oder? Seit Jahren zeigte Dad mir keine Liebe mehr, weshalb sollte er jetzt wieder damit anfangen? Das ergab keinen Sinn, aber dennoch griff ich ihm unter die Arme und zog ihn auf die Beine. Von der Last seines Körpergewicht keuchend, schleppte ich ihn mehr oder weniger die Treppe hoch und legte Dad in sein Bett. Behutsam zog ich die Decke über ihn und stellte fest, dass er schon wieder eingeschlafen war. Mit einem gewisperten „schlaf gut, Dad, ich hab dich lieb." verließ  ich sein Zimmer und trat in mein eigenes.

Dieser Tag war mehr als nur anstrengend. Erschöpft ließ ich den schwarzen Rucksack von meinen Schultern sinken und setzte mich auf mein Bett . Moment mal,... schwarzer Rucksack? Hatte ich nicht vor der Party meine Handtasche mitgenommen? Verwirrt tastete ich nach dem Reißverschluss und zog diesen mit einem Ruck auf. Nun konnte  ich den kompletten Inhalt betrachten und das was ich dort sah, konnte ich im ersten Moment gar nicht benennen. Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich schlug mir die Hand vor den Mund. Denn in dem Rucksack, befanden sich mehrere Beutel befüllt mit weißem Pulver. Kokain. Und davon nicht gerade wenig. Ich musste die Taschen vertauscht haben, kurz bevor ich vor den Männern davon gelaufen bin und ich meine vermeintliche Handtasche vom Boden aufgehoben habe. Was soll ich nur mit so einer großen Menge Kokain machen? Wieso es die Männer hatten ist ja wohl klar. Ich bin Zeugin eines Drogendeals geworden und als ob das noch nicht genug wäre, hatte ich die gesamte Ware auch noch gestohlen. Das es unabsichtlich war spielte dabei keine Rolle. Ich musste das Kokain schnellstmöglich loswerden, jetzt stellte sich nur noch die Frage wie? Nehmen konnte ich es schlecht selbst, auch wenn die Versuchung da war und zur Polizei konnte ich damit auch nicht. Es befanden sich meine Fingerabdrücke auf dem Rucksack und wer glaubte schon einem Mädchen mit gut eineinhalb Kilo Kokain? Genau, niemand! Ich könnte... nein, das wäre viel zu gefährlich! Obwohl was hätte  schon schlimmstenfalls passieren können, wenn ich die Männer suche um es Ihnen zurück geben? Ich hätte sterben können...
Aber die Sehnsucht nach etwas aufregendem war größer als meine Befürchtungen, und so siegte das Verlangen über den Verstand. Das es eine komplett dumme Idee gewesen ist, war mir durchaus bewusst und trotzdem griff ich in den Rucksack und durchsuchte ihn nach Hinweisen auf den Besitzer. Und siehe da, kurze Zeit später fand ich ein Schild im Inneren. Darauf standen einzig und allein zwei Buchstaben.

C.B.


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Ruby Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt