Ein Notizbuch

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In den Kerkern Hogwarts, besser gesagt, die Schlafgemächer des Hauses Slytherin, lag ein Mädchen zu später Stunde, an der alle anderen Schüler bereits tief schliefen, noch hell wach. In ihrer Hand hatte sie ein Notizbuch. Der Einband dieses Buches war in einem warmen Gelb gehalten und gab keinerlei Hinweise darauf, was es in seinem inneren, zwischen den Pergamentseiten, für Informationen beinhaltete. Bevor sie dieses Geheimnis enthüllte, strich das Mädchen nachdenklich über den Buchdeckel. 

Ein Junge hatte ihr dieses Notizbuch gegeben. Ein wirklich sonderbarer Junge. Er hatte ihr erzählt, womit er seine Freizeit und die Zeit, die er vielleicht lieber für seine Schulaufgaben hätte nutzen sollen, verbrachte. Es war nicht Quidditch oder ein Duellierclub, wie viele andere Jungs, die an Ansehen gewinnen wollten. Er stellte auch nicht mit seinen Freunden Mädchen nach, auch spielte er nicht Zaubererschach oder verbrachte seine Stunden in der Bibliothek, um möglichst viele Bücher zu lesen und sich akademisch fortzubilden. Das hatte er durchaus versucht, hatte der Junge ihr erklärt. Die ganze Bibliothek war er durchgegangen auf der Suche, nach bestimmten Informationen. Aber die wenigen Bücher, die er gefunden hatte, hatten ihn nicht im Geringsten zufrieden stellen können. Und so hatte er seine Suche nach draußen verlegt. War in den Wald gegangen, hatte die Pflanzen durchkämmt, in der Erde gebuddelt und zwischen den Baumrinden geschaut. 

"Weißt du wie viele unterschiedliche es gibt? Das ist unglaublich, ich mache das seit der ersten Klasse und doch gibt es eigentlich jedes Mal etwas neues zu entdecken!", hatte er aufgeregt gesagt. Etwas ungeduldig hatte das Mädchen die Stirn gerunzelt. "Ja, aber was? Du erzählst nichts Konkretes, Scamander!" Er hatte sich verlegen auf die Lippe gebissen und dann in seinen Mantel gegriffen. "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, deswegen...", er schien kurz mit sich zu ringen, nicht sicher, ob er es wirklich tun sollte. So viel lag ihm an diesem Buch. Doch dann seufzte er nur und reichte es ihr. Sein Heiligtum, wusste sie überhaupt, wie viel ihm dieses Buch bedeutete? Vermutlich nicht. Doch er hatte so ein Gefühl, ein Gefühl, das er nicht mit Worten hätte stützen können...und doch, dass das richtig war. "Deswegen, sieh einfach hier nach, vielleicht findest du ja etwas, das dich interessiert. Ich weiß, ich bin kein richtiger Forscher oder so, aber naja...gibst du es mir dann zurück, wenn du es dir angeschaut hast?"

Dem Mädchen stand kurz im Sinn, eine stechende Bemerkung darauf zu machen, so wie sie es sonst gewohnt war, doch irgendwie war das Verlangen danach, gemein zu dem Jungen zu sein, nicht vorhanden. Zumindest jetzt nicht. Deswegen hatte sie bloß verhalten genickt und das Buch entgegen genommen. 

'Scamander weiß zumindest, wie man jemanden neugierig machte, das musste man ihm lassen.', dachte Leta, als sie nun das Buch Aufschlug. Damit gelang ihm gleich weit mehr als der Mehrheit ihrer Lehrer. 

Leta hatte nicht damit gerechnet, was sich nun vor ihren Augen auftat. Eine magische Skizze eines Bowtruckles, die sich naturgemäß bewegte. Um die Skizze herum war die ganze Seite beschrieben. Es war eine kleine, krakelige Schrift. Tag Eins, las Leta. Heute bin ich auf dieses Geschöpf in unserem Garten gestoßen. Ich habe Mum gefragt, was es ist und sie erklärte mir, dass es sich um einen Bowtruckle handelte. Mehr konnte sie mir aber nicht dazu sagen, deswegen hab ich  es fortan beobachtet. Es ist erstaunlich, was für feine Glieder es hat. Offensichtlich ist es... und so ging es weiter, Seitenweise hatte Scamander seine Beobachtungen und Theorien um den Bowtruckle herum notiert. Hin und wieder veranschaulichte er es mit einer Skizze. Und was machte Leta? 

Sie las. 

Sie las und las, blätterte und blätterte. Als sie mit den Notizen zu dem Bowtruckle durch war, stieß sie auf weitere Geschöpfe. Manche davon kannte sie. Den Flupperwurm, den Gnomen, den Hippogreifen...doch was dazu stand, das war ihr zuvor nie begegnet. Beobachtungen, die man nur machen konnte, wenn man sich die Geschöpfe genau ansah und das hatte Scamander offenbar. Haargenau hatte er jedes mögliche Detail notiert. 

A Taker (Newt Scamander)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt