Kapitel 16

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Cassies Sicht

Ich bin schon wieder am Weinen. Ich habe die ganze Woche geweint, denke ich benommen und reibe mir über die Wangen. Man möchte meinen, dass meine Tränenvorräte langsam aufgebraucht sind.

Ich nehme an, dass ich heute einen guten Grund habe, zu weinen; ich bin auf Matts Beerdigung. Ich habe mir selbst heute Morgen geschworen, dass ich nicht weinen werde, dass ich stark für Katherine und Cho sein werde. Aber als ich den Sarg langsam in die Erde versinken sehe, kann ich nicht verstehen, wie ich erwarten konnte, nicht zu weinen.

Ich kann jemanden laut in der Menge aus dunkel gekleideten Menschen weinen hören und es erinnert mich schmerzhaft an das Quidditch-Spiel. Dieses blöde, nutzlose Quidditch-Spiel…

Dumbledore hat am Anfang der Beerdigung ein paar Sachen gesagt, aber ich habe nicht aufgepasst. Nichts davon ist wirklich wichtig; nichts kann das Geschehene ändern.

Katherine zittert neben mir, also lange ich hinüber und drücke kurz ihre Hand. Ich weiß, dass es ihr nicht gut geht. Ihr geht es noch schlechter als Cho und mir. Als wir den Lehrer zusehen, wie sie feierlich ihre Zauberstäbe in Richtung eines Dreckhaufens schwingen, um das Grab zu füllen, fühle ich, dass ich mehr für Katherine tun sollte. Die letzten paar Tage hat sie nichts anderes getan, als in unserem Gemeinschaftsraum zu sitzen und ausdruckslos aus dem Fenster zu starren. Nachts, während ich verzweifelt versucht habe, zu schlafen, kann ich Katherine weinen hören.

Die Sonne scheint viel zu fröhlich heute. Es sollte regnen, denke ich; mehr Tränen fallen, als die Professoren Matts Grab fertig gefüllt haben. Heute sollte nichts glücklich sein, so fühlt es sich an.

Beinahe alle Schüler sind hier. Nur ein paar Slytherins wollten nicht kommen, aber ich werfe es Draco nicht vor. Wir wissen beide, dass es besser ist, wenn er von der Beerdigung wegbleibt.

Die Leute beginnen, vom frischen Grab wegzugehen, als Katherine verliert, was auch immer sie vorher an Kontrolle hatte. Sie fängt an, laut und abgehackt zu heulen und einige Leute drehen ihre Köpfe und schauen sie mitleidig an. Sanft packe ich sie an der Schultern und führe sie weg von der Menschenmenge, Cho nimmt ihre andere Hand. Wir halten unter dem Schatten der nahen Eiche, unsere Rücken zur Schülermenge, um Katherine vor ihren Blicken abzuschirmen.

Ich reibe beruhigend über ihren Rücken, als sie in meinen Umhang weint. Cho klammert sich an Katherines linke Hand. Keine von uns sagt irgendwas, während sie endlos lange an meiner Schulter heult.

Schließlich beruhigt sie sich genug, um nur noch zu schniefen und etwas Schluckauf zu haben, also schiebe ich sie weg und streiche ihr Haar aus ihren Augen. Ich schaue ernst durch meine eigenen Tränen auf sie hinunter und frage: „Bist du okay?“

Katherine lacht düster und kurz, als sie kalt antwortet: „Was denkst du denn?“

Wenn das ein andermal gemacht hätte, hätte ich sofort zurückgeblafft. Aber stattdessen schweige ich und Cho wirft sacht ein: „Cassie versucht nur zu helfen.“

Katherine reibt wütend ihre Augen und antworte mit einem schuldigen Unterton: „Ich weiß, ich … ich kann nicht glauben, dass er fort ist.“

Ich beiße auf meine Lippe, erdrücke sie in einer Umarmung und flüstere: „Ich auch nicht, Katherine. Aber es wird wiedergut.“

Wir bleiben dort unter dem Baum, nur wir drei, schweigend und trösten uns mit der Anwesenheit der anderen. Ich schließe meine Augen, mehr Tränen rinnen meine feuchten Wangen hinunter, und ich wiederhole still für mich, Es wird wieder gut, es wird wieder gut…

~*~

Dracos Sicht

Ich sitze am der kalten und leeren Kamin, reibe erschöpft mein Gesicht, als plötzlich Marcus Flint mit ein paar anderen Slytherins hereinplatzt und alles verändert.

Ich schaue nur auf, weil er mich überrascht; ich dachte, jeder wäre bei der Beerdigung. Ich widerstehe dem Zwang, meine Augen zu verdrehen, als Flint sich neben mich auf das Sofa plumpsen lässt. „Nun, Kumpel“, grinst er mich an und schaut zwei andere Slytherins an, ein Grinsen auf seinem Gesicht. Während er sich zu mir dreht, fährt er fort: „Heute ist ein guter Tag.“

Ich lehne mich vorwärts, lege meine Ellbogen auf meine Knie, um so weit weg von Flint wie nur möglich zu sein. „Gut für dich.“

„Du verstehst nicht“, sagt Flint und seine Freunde lachen. „Du weißt nicht, warum heute ein wirklich guter Tag ist.“

„Erleuchte mich“, antworte ich trocken und sorge mich nicht im Geringsten darum.

Flint lehnt sich zurück und verschränkt die Finger hinter seinem Kopf, in einer lässigen Art und Weise. Er grinst wieder und sagt: „Es ist ein guter Tag, weil ich nicht rausgeworfen wurde.“

Ich weiß, dass er auf meine Frage wartet und antworte widerwillig: „Was hast du diesmal angestellt?“

„Das errätst du nie“, schmunzelt Flint. Als ich keine Anstalten mache, zu raten, fährt er stolz fort: „Ich war derjenige, der diesen Ravenclaw-Hüter vom Besen geschlagen hat.“

Ich höre ihn die Worte sagen, aber mein Gehirn will sie nicht verarbeiten. Flint missdeutet mein schockiertes Schweigen als Bewunderung und gluckst: „Jaah, war ich. Dachte, Hooch hat mich diesen Klatscher schlagen sehen, aber ich hatte wohl Glück, denk ich.“

Mit den Zähnen knirschend starre ich ihn kalt an. Flint sieht es und glotzt verwirrt zurück. „Was ist dein Problem, Kumpel? Niemand wird ihn vermissen. Er war ein Schlammblut, er hat es verdie–“

Es gibt einen lauten Knall, der durch die Luft vibrieren zu scheint, als meine Faust seinen Kiefer trifft. Flint fliegt über die Armlehne des Sofas und knallt vor den Füßen seiner Freunde mit einem harten Klatschen auf den Boden.

Ich fühle mich so blind, blind vor Wut, als ich den winzigen Kaffeetisch weg kicke und auf Flint draufspringe. Ich halte ihn fest und schlage ihm noch einmal fest auf die Nase und fauche in sein Gesicht: „Fick dich, Flint. Fick dich!

Er greift sich an seine blutende, gebrochene Nase und stammelt ängstlich: „Warum – warum kümmerst du dich um ein–“

„Weil jemand, den ich sehr liebe, ihn sehr gern hatte“, schnappe ich kalt. „Und sie ist wirklich durcheinander, weil er jetzt fort ist und das ist deine Schuld.“

Flints zwei Freunde kapieren plötzlich, dass sie ihm aufhelfen sollen, springen nach vorne und reißen mich grob von ihm weg. Flint streicht sich über die Nase und rutscht weg von mir. Dann kommt er irgendwie auf die Beine. Er grinst durch das Blut und sagt: „Hast wohl eine Freundin, Malfoy?“

Ich versuche, zu ihm zu kommen, um ihn sinnlos zu schlagen, aber seine dämlichen Freunde lassen mich nicht los. Ich blaffe frustriert: „Halt verdammt nochmal die Fresse. Ich würde mein Maul an deiner Stelle nicht aufreißen, Flint. Du bist so doof, du musstest ein Jahr wiederholen; was für eine Frau würde sowas wollen?“

Flint blitzt mich an, rast dann auf mich zu und rammt sein Knie in meinen Magen. Jegliche Luft entweicht aus meinen Lungen und ich falle zu Boden. Ich umklammere meinen Magen. Ich kann mich kaum zurückhalten, nicht vor Schmerz loszuschreien, aber ich schaffe es, still zu sein. Ich will Flint die Befriedigung nicht geben.

„Du bist so eine Schwuchtel, Malfoy“, spottet Flint leise und seine Freunde lachen. Er gibt mir einen letzten schmerzhaften Tritt in den Bauch, ehe er und die anderen den Gemeinschaftsraum verlassen.

Ich presse meine Augen zusammen und jammere lautlos, während ich meinen Bauch halte. Ich liege dort, überdenke, was ich gerade getan habe, als ich bemerke, dass ich laut zugegeben habe, dass ich Cassie liebe.

Und ich bereue es nicht. 

Hateful Love (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt