Chapter 1 - Flügelmädchen

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Helles Licht. Weiße Wände. Der stechende Geruch von Desinfektionsmittel. Überall Wissenschaftler. Bella lag gefesselt auf einem Operationstisch. Sie hasste es. All diese Wahrnehmungen. Es erschien zu grell, zu unwirklich. Doch leider war es genau das Gegenteil. Schmerzhafte Realität. Das Mädchen auf der Liege sollte auch keine Operation zu Gunsten ihrer Gesundheit erhalten. Dies war nämlich kein Krankenhaus, sondern eine Forschungsstation für Übernatürliches.

Bella Luna war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 14 Jahre alt. Sie hatte braune Haare die ihr bis zu den Hüften reichten und dunkle, braune Augen. Doch es gab einen Unterschied, der sie definitiv und offensichtlich von den anderen 7.9 Billionen Menschen aussortierte. Er war auch ihre Fahrkarte in dieses Forschungslabor. Aus ihrem Rücken sprossen riesige Adlersflügel. Sie waren gewaltig, geradezu mächtig und striffen beim Gehen den Boden. Ihre Aura verhalf Bella meist zu Respekt. Auch wenn sie meistens nicht sichtbar waren. Wenn das Mädchen die Flügel ausbreitete, war jeder doppelt so lang wie ihr Arm. Die pechschwarzen Federn schimmerten im grellen Licht der Neonröhren. Ja, richtig. Nachtschwarze Flügel. Bella war also kein richtiger Engel, mit Heiligenschein und strahlend weißen Flügeln, sondern ein Gefallener.

Bella schien es, als ob sie schon eine Ewigkeit an dieses Bett gefesselt war. Die Wissenschaftler sprachen nicht mit ihr und anscheinend war das Mädchen ein sächliches Objekt für die Forscher, denn sie musste sich angesprochen fühlen, sobald ein Wissenschaftler "das Projekt" erwähnte. Bella hatte aufgehört gegen ihre Fesseln anzukämpfen, denn sie hatte bereits blutige Knöchel und Handgelenke, von den, in ihr Fleisch gegrabenen, Riemen. Das Zeitgefühl hatte sie schon längst verlassen, sie könnte schon ein halbes Jahr hier sein. Für die Wissenschaftler war sie ein Schatz, denn der schwarze Engel war der Beweis für Übernatürlichkeit und die Existenz von Fabelwesen. Das Mädchen lag nun also wie immer gefesselt auf dem OP Tisch und wartete auf die nächsten Untersuchungen oder sonstige Experimente.

Warum sie noch nicht den Verstand verloren hatte? Die Erinnerungen hielten sie davon ab. Die Schönen. Früher hat sie oft unter einem feuerroten Himmel auf einer Klippe gesessen und hat der Sonne beim Untergehen zu gesehen. Anschließend wartete sie auf den Mond. Sie erzählte ihm wie ihr Tag war, was ihr gefallen hat und was nicht. Auch wenn es albern klang, doch das Mädchen hatte sich schon immer zu ihm hingezogen gefühlt. Er war ein guter Zuhörer, der Mond. Nie unterbrach er sie, sondern lauschte geduldig und tröstete sie mit seinem Licht. Früher war auch immer ihre Mutter dabei gewesen und diese hatte ihr und dem Mond Geschichten vorgelesen. "Kann der Mond denn reden?", hatte die Kleine ihre Mutter gefragt. "Aber natürlich. Du musst nur genug Hoffnung in dir tragen.", hatte diese geanwortet. "Und wo kriege ich die her?", hatte die Kleine verwirrt gefragt. Die Mutter lachte. "Die hast du bereits. Verliere sie nie. Wenn du dich einmal wirklich einsam fühlst, wird der Mond für dich da sein. Hörst du?" "Ja, Mama.", hatte das Kind geantwortet. Die ältere Frau hatte gelacht und durch die braunen Haare ihres Kindes gewuschelt. Nur wenige Monate später verstarben beide Eltern an Krebs. Im Waisenhaus zog sich die Kleine zurück und verschloss sich gegen jegliche Art der Kontaktaufnahme. Mit 12 floh sie aus den strengen Fängen der Erzieher und lebte fortan in einer kleinen, verlassenen Hütte in Mitten eines nahegelegenen Waldes. Die Tiere hatten sie akzeptiert und aufgenommen, denn auch sie bemerkten, dass dieses Mädchen kein normaler Mensch war. Sie spürten ebenfalls die Aura der Flügel, auch wenn sie sie anfangs nicht sehen konnten. Noch vor ihrem Tod gab Bellas Mutter ihr ein Amulett mit einem pechschwarzen Stein. Obsidian besaß die Macht, die Kräfte der Engel zu bündeln und diesen zu wiederstehen. Doch anders als Feen, die in Berührung mit Eisen Schmerzen empfanden, fügte Obsidian Engeln keinen Schaden zu. Dieses Amulett versteckte die Flügel vor den Augen neugieriger Sterblicher. Hier im Wald konnte das Mädchen ihre Flügel die ganze Zeit sichtbar lassen und das tat sie auch. Sie wollte den Tieren zeigen, dass sie anders war und es klappte.

Eine andere Erinnerung, die ebenfalls in diesem Wald geschah, war das tägliche Fliegen mit einem Adler. Bella hatte sich mit dem Adler angefreundet und begleitete ihn oft auf die Jagt. Er lehrte ihr durch Vorzeigen das richtige Gleiten, Lenken, den Sturzflug und die Nutzung der Luftströme. Sie bauten eine enge, innige Bindung auf und gebrauchten, bis auf den täglichen Ruf zum Treffen, nur die Blicksprache.

Eines Tages, als sie ihn wieder begleitete, traf sie ein Betäubungspfeil in den Arm. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass ein junger Mann sie vor 2 Tagen bei ihren üblichen Runden gesehen hatte. Verstört und verwirrt hatte dieser dann das Forschungsinstitut für Übernatürliches zur Hilfe gerufen. So ist sie hier gelandet. Aber zurück zu den Erinnerungen...Ja, sie liebt ihre Flügel sehr. Sie helfen ihr nicht durchzudrehen, sie geben ihr Halt. Und genau dieser beschützte sie vor dem Wahnsinn.

Die Wissenschaftler betraten den Raum, heftig diskutierend. Einer rief: "Das könnt ihr nicht machen!" Ein anderer: "Das ist unmenschlich!" Und wieder ein anderer: "Es ist ja kein Mensch!" Spätestens da wusste Bella dass es um sie ging. Sie hatte schon viele Untersuchungen gehabt, aber noch nie haben sich die Wissenschaftler so heftig gestritten. *Es scheint heute eine andere Art von Experiment zu sein*, dachte Bella. Sie sollte Recht behalten...

The Angel of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt