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pov. jeongguk


Mit einem erschöpften Seufzen ließ ich die schwere Haustür hinter mir ins Schloss fallen. Meine Tasche fand ihren Weg auf den Boden des Hausflures, wo sich mittlerweile schon die Pfandflaschen stapelten. Das schwache Licht der fast untergegangenen Sonne erhellte die Wohnung kläglich, dennoch schaffte ich es, mir meinen Weg in die kleine Küche des Appartements zu bahnen. 

Der Herbst ließ die Tage immer kürzer werden, die Bäume entlaubten ihre Blätter, die ich jede Woche vom Innenhof kehren musste. Mit jedem Tag schien es ein wenig dunkler zu werden, wenn ich nach Hause kam. Ich vermochte nicht zu sagen, dass es mich störte, aber es war wohl doch ein triftiger Grund, weshalb ich bei der Schicht mit der Zeit immer müder wurde. 

Ich konnte meine Arbeit gut leiden, obwohl es wahrlich nicht das war, wovon ich als kleiner Junge im Sandkasten geträumt hatte. Als Angestellter in der Therme der Stadt wurde ich keinesfalls schlecht bezahlt, konnte den Alltag vergessen, dennoch schien mir das Arbeitsklima ständig auf die Nerven zu gehen. 

Unter uns Arbeitern herrschte meist eine angespannte Stimmung, die wohl den gaffenden Blicken der Gäste geschuldet war, wenn ich in meinen Knielangen Badeshorts in einer der Saunen beim Aufguss mein Handtuch schwung. Nicht nur, dass meine Kollegen mich als jungen, ausgebildeten Neuling nicht sonderlich gut leiden konnten, ich begann immer mehr zu hassen, hunderte von Leuten in den Tiefen der Schwimmbecken zu sehen.

Ich hatte das Wasser geliebt. Nicht zuletzt, weil es mich ruhig und still umgeben konnte. Wasser war für mich etwas, was ich mit niemandem teilen wollte. 

Es ständig in Verbindung mit fremden, anderen Menschen zu sehen, zerstörte die Sichtweise, die ich darauf hatte. Ich begann, meine Arbeit immer mehr mit Gleichgültigkeit zu verrichten, ohne darauf zu achten, wie viel Freude es mir einmal bereitet hatte. Die Tage, an denen ich nach den Öffnungszeiten noch für mich allein im menschenleeren Becken schwimmen war, waren längst vorbei. 

Ich legte meine Schlüssel auf der Küchenzeile ab, bevor ich mich kurz auf ihr abstützte. Mein Kopf hing schwer in meinem Nacken, meine Augen waren geschlossen, die Ohren mit Stille gefüllt. 

Ich sollte mir nichts vormachen. 

Ich hasste diesen Job. Die gaffenden Besucher, die nervenden Kollegen, die Hitze der Sauna, die Schwüle der Schwimmhalle, der salzige Geruch, der meine Nase belegte - all diese Gründe brachten mich dazu, das Schwimmen immer mehr zu hassen. 

Ich wollte weg von dieser Stadt. Nichts schien mich hier zu halten, ich wünschte mir nichts sehnlicher, als in unserem kleinen Dorf M. im See schwimmen zu gehen, die warme südfranzösische Sonne auf meiner Haut zu spüren, während mein Körper am Ufer trocknete. 

Es quälte mich, Madame Dubois schöne Lügengeschichten über das Leben in dieser gottverdammten Stadt aufzutischen. Und dennoch brachte ich es nicht übers Herz, wieder zurück zu kehren, ohne etwas geleistet zu haben. 

Mein Körper stieß sich schwermütig von der Küchenzeile ab, um in mein Schlafzimmer zu wandeln. Es war nicht sonderlich groß, reichte allerdings für mich als einzelne Person völlig aus. Ein kleines Bett, eine Kommode und an der rechten Seite ein Klavier. Es war wahrscheinlich nie ein Ersatz für den schwarzen Flügel im Gemeinschaftsraum gewesen, dennoch spendete es mir ein Stück Heimat, wenn ich sie zu suchen vermochte. 

Ich ließ mich wehmütig auf den kleinen Hocker vor dem Instrument nieder, klappte den Klaviaturdeckel auf und betrachtete still die schwarzen und weißen Tasten. Sie waren bei weitem nicht so abgenutzt und vergilbt wie die des Flügels, hatten einen Kräftigeren Anschlag, aber es genügte, um ein wenig darauf zu musizieren. 

Mein Zeigefinger schwebte über der Klaviatur, bevor er einen beliebigen Ton drückte, weiter hinaufwanderte und eine Melodie bildete. Von A-Moll zu D-Moll, dann in ein reines G-Dur und schließlich zu C-Dur. 

Ich wiederholte diese einfachen Akkordfolgen so lange, bis ich mich erinnerte, welches Stück genau diese beinhaltete. Der Walzer von Chopin. 

Es war wahrscheinlich das erste Lied gewesen, was ich von diesem Komponisten gespielt hatte, war auch im Vergleich zu seinen anderen Stücken ein eher angenehm zu spielendes gewesen, doch die Melodie hatte mich verzaubert. Es hatte mich süchtig gemacht, die Spielweise abzuändern, ich schien nie wirklich zufrieden mit der Version, die ich gerade gespielt hatte. 

Einmal war es ein Walzer, den man betrunken in einem Weinkeller spielte, der die alten Herren mit ihren Bierbäuchen herumschunkeln ließ. Ein anderes Mal war es ein lieblicher Walzer, welcher erklingt, wenn ein verliebtes Paar sich auf einer Fahrt eines Bootes in Venedig in die Augen schaut.  Manchmal auch ein verspielter Walzer, der erklingen würde, wenn Kinder aus der Schule laufen, um so schnell wie möglich lachend zum Kino zu gehen. 

Für mich war es ein so wandelbares Stück gewesen, was nie wirklich falsch klang, aber auch nie wirklich richtig. Ich spielte es, wann immer es mir beliebte, mal so, mal so. 

Als ich heute die Tasten betätigte, trug das Lied wiederum einen anderen Charme. Leicht und beflügelnd. Wahrscheinlich auch ein wenig melancholisch, wenn man es so wollte, obwohl diese Beschreibungen sich wahrlich voneinander abstießen. 

Das Hauptmotiv schien mich wieder an die Tage zurück zu versetzen, an denen ich mit Taehyung war. An den Tag, an dem ich ihm ein Stückchen mehr von meiner Welt hatte sehen lassen. 

Das Lied spielte nun mit meiner nostalgischen Erinnerung, die ich an ihn hatte. Es hatte einen Charakter bekommen, den ich nicht mehr von ihm Waschen könnte. Jedes Mal, wenn ich es von fort an spielen würde, könnte ich nur an ihn denken. 

Meine Finger zitterten und wurden schwach, als der Moment des gemeinsamen Abends vor mein Inneres Auge trat. Ich wurde nicht mehr so nervös, wie ich es damals vor ihm geworden war, lediglich erdrückt von all den Gewissensbissen, die in meinem Kopf schwebten. 

Ich schickte meine Hände immer unkoordinierter über die schwarzen und weißen Tasten, bis ich schließlich das Lied ausklingen ließ. 

Eine Weile blieb es still im Raum. Die Klänge hallten dumpf an den engen Wänden wider. Ich schluckte schwer, bevor ich bemerkte, dass meine Nasenflügel anfingen zu zittern. Langsam nahm ich meinen Fuß vom rechten Pedal, was alle bisher noch nachklingenden Töne verstummen ließ.

Ich sah nach rechts an die Kante des Klavierdeckels, wo er damals seine Unterarme aufgestützt hatte, doch er war nicht da. Ich wollte mir einbilden, ihn zu sehen, aber ich durfte nicht. Ich konnte mir selbst keinen Streich spielen und in dem Glauben leben, er wäre immer noch bei mir, obwohl es schmerzte, weil ich mir doch nichts sehnlicher wünschte. 

Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, bevor sie auf eine der weißen Tasten tropfte. Ich atmete zitternd aus, presste meine Lippen fest aufeinander.

Meine Hände verdeckten mein Gesicht und versuchten, die lautlosen Schluchzer zu verstummen, bevor ich anfing, hemmungslos zu weinen. 

Er würde mir nie mehr beim spielen zuhören. 


[30/3/19]

thanks for reading.

je t'aime | taeggukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt