Kapitel 7.

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Jonah

Ich starrte mein leeres Blatt nieder und schien in meiner eigenen Dimension festzuhängen. Was hatte ich nur getan? Was in drei Teufels Namen hatte ich bloß getan?! Wie konnte ich Mike nur so hintergehen? Nein, ich hatte ihn nicht nur betrogen, sondern auch noch auf widerlichste Weise verraten. Wie konnte ich bloß seinen eigenen Bruder küssen? Vor allem nachdem er so darauf bestanden hatte, dass ich ihm fern blieb. Hatte er etwa geahnt, dass Lucas etwas von mir wollte? 

Ich schämte mich so sehr für diesen Fehler, für diesen Verrat, der das Ende unserer Beziehung unweigerlich einleiten würde. Er würde es mir niemals verzeihen. Ich hatte sein Vertrauen zutiefst missbraucht und würde jegliche Entscheidung seinerseits akzeptieren müssen. Doch ich wollte ihn nicht verlieren. Niemals wollte ich Mike aus meinem Leben verlieren, denn er war mir so wichtig wie die Luft zum atmen nötig war. Mike war doch meine große Liebe.. und ich liebte ihn noch immer über alles! Seufzend fuhr ich mit den Händen über mein Gesicht und ließ den Unterricht gänzlich an mir vorbei ziehen. Ich musste es ihm sagen. Mir war klar, dass ich es ihm persönlich und am besten so schnell wie möglich sagen musste, denn alles andere würde es nur schlimmer machen. Ich hatte jedoch angst. Ja, welch ein verdrehtes Szenario. Lucas, der wie eine tickende Bombe vor mir stand könnte in mir niemals dieses Gefühl von angst auslösen, welches ich nun vor einer Begegnung mit Mike empfand. Vielleicht hatte ich wegen dieser angst auch darauf gehofft, dass Mike mir noch ein paar Tage aus dem Weg gehen würde, damit ich zeit hatte, um eine vernünftige Erklärung einzustudieren. Es blieb aber keine Zeit mehr. 

Kaum war die Mathestunde, in der ich keine einzige Sekunde zugehört hatte, um erwartete mich Mike bereits vor dem Klassenraum. 

"H-Hey. Können wir reden?" begrüßte er mich schüchtern und ich konnte förmlich spüren wie mein Herz sich verkrampfte. Ich schluckte hart und nickte angespannt. Er wusste es noch nicht, sonst würde er bestimmt anders mit mir reden. Ich musste es ihm sagen. Scheiße... ich musste, aber ich konnte nicht. Ich durfte ihn nicht verlieren. Wir wollten doch zusammen ziehen und uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen. Ich wollte nicht, dass dieses eine Jahr unserer Beziehung auch das letzte war. Ich wollte doch noch so viel mit ihm erleben.. Ich wollte ihn glücklich machen. Glücklicher als es jemand anderes je könnte.. und doch hatte ich es letzte Nacht gänzlich zerstört, denn ich hatte mich nicht einfach nur küssen lassen, sondern hatte es erwidert. Ich hatte verflucht nochmal erwidert, denn es hatte sich gut angefühlt und ich hasste mich selbst dafür, dass ich so empfand. Dabei empfand ich für Lucas nicht einmal etwas. Zumindest nicht so wie ich etwas für Mike empfand. 

"Es tut mir Leid. Ich weiß, ich habe letztens überreagiert und es war kindisch von mir dich einfach so aus dem Haus zu werfen." begann Mike schuldbewusst, sobald wir uns etwas abseits der restlichen Schülerschaft unterhalten konnten. Allein seine Worte ließen das schlechte Gewissen förmlich in mir explodieren, doch dieser eingeschüchterte Blick, den er mir zuwarf trieb mir die Tränen in die Augen. Ich hatte alles kaputt gemacht. Lucas hatte alles kaputt gemacht. Wieso musste er gestern auch vorbei kommen? Wieso hatte er mich nicht einfach in Ruhe gelassen? 

"Nein.. Mir tut es leid." begann ich mit erstickter Stimme und zog ihn in meine Arme. Ich klammerte mich wie ein ertrinkender an ihm fest und hoffte darauf ihn niemals wieder los lassen zu müssen. Hoffte darauf, dass er niemals verschwinden und mich somit untergehen lassen würde. 

"Es tut mir so leid. Du musst mir glauben.. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Es tut mir so leid." murmelte ich dicht in sein Haar und hatte fürs erste nicht mehr vor ihn gehen zu lassen. 

"Es war ja keine große Sache. Ich habe mich auch ziemlich blöd verhalten, also lass es uns einfach vergessen, okay. Mach dir nicht so einen Kopf deswegen." erwiderte Mike gutgläubig und lächelte mich sogar aufmunternd an, doch mir war nur noch mehr nach heulen zumute. Ich musste es ihm sagen. Jetzt. Sofort. Ich durfte ihn nicht anlügen. Er hatte es nicht verdient von mir so belogen zu werden... und doch kam kein einziger Ton über meine Lippen. Stattdessen nickte ich nur und tat das was ein Paar nach einer Versöhnung für gewöhnlich tat. Ich küsste ihn und verglich ihn sofort mit den Lippen, die ich letzte Nacht geküsst hatte. Da war kein Kribbeln.. kein Schauer, der meinen Körper fast sinnlich streichelte. 

Der Sommer meines LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt