Kapitel 2.

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Jonah

Ich wusste noch immer nicht was denn nun das allgemeine Problem war, doch ich würde Mike's Gefühle akzeptieren müsen und versuchte das Thema mit seinem 'Bruder' fallen zu lassen. Auch wenn ich zugegebenermaßen doch sehr neugierig geworden war. weswegen er wohl im Gefängnis gewesen war? Danach fragen würde ich Mike bestimmt nicht, schließlich war er schon wegen einfachen Themen so wütend geworden. Und dann war da noch die fehlende Reaktion seiner eltern, sobald Lucas etwas machte. Es war schon merkwürdig. Ich hatte seine Eltern zwar generell nicht als streng oder so empfunden, doch selbst Mike wurde hier und da mal zurecht gewiesen. Bei seinem Bruder verhielten sie sich jedoch mehr wie Luft.

Grübelnd wanderte ich durch den Flur, auf dem weg in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Mike's Eltern schliefen schon längst und mein Freund selbst war der Müdigkeit ebenfalls verfallen, nachdem wir uns zuvor gemeinsam ausgetobt hatten. Ich fand es wirklich nett von seinen Eltern, dass ich über das Wochenende bei ihnen Schlafen durfte, obwohl sie mich ja eigentlich gar nicht kannten. Ich hatte hier zwar schon oft übernachtet, aber dies war bisher immer heimlich hinter ihrem Rücken geschehen. Meine Eltern hätten wohl darauf bestanden, dass es mindestens eine Woche zuvor abgeklärt werden müsste und wüssten sie, dass Mike mein fester und nicht nur irgendein guter Freund war, so hätten sie uns nicht mal im Traum gemeinsam in meinem Zimmer schlafen lassen. Dabei war es für unsere Jungfräulichkeit auch schon zu spät.

Es war ja nicht so als wenn ich meinen Eltern gern verheimlichte, dass ich schwul war. Ich wusste einfach, dass sie nicht gut darauf zu sprechen waren, weswegen ich es einfach ein wenig hinaus zögern wollte. Selbst wenn es bis zu meinem Achtzehnten Geburtstag geheim bleiben würde. Dann würde ich wenigstens alt genug sein um im Notfall auszuziehen. Vielleicht könnte ich später ja mit Mike.. Nein dafür war es noch zu früh. Überhaupt darüber nachzudenken mit ihm zusammen zu ziehen war aktuell noch viel zu früh. Wir wussten ja gar nicht inwieweit sich die Beziehung noch entwickeln würde.

Seufzend bediente ich mich an den oberen Wandschränken, in denen die Gläser und Tassen geordnet standen und griff nach meiner absoluten Lieblingstasse, die eigentlich Mike gehörte. Ich beschagnahmte sie aber jedes Mal für mich, sobald ich bei ihm zu Besuch war, weswegen es nun nicht nur mehr seine, sondern unsere Tasse war. Müde kramte ich die Milch aus dem Kühlschrank und das Kakaopulver aus dem Vorratsschrank, ehe ich mich daran zu schaffen machte einen Mitternachtstrunk zu mixen. Das ich relativ schnell nicht mehr der einzige hier in der Küche war bemerkte ich erst, als ich die Tasse mitsamt Inhalt in die Mikrowelle stellen und erhitzen wollte, dabei jedoch gegen einen großen Körper stieß, der hinter mir gestanden hatte. Ich erlitt beinahe einen Herzinfarkt, als ich Lucas in die eiskalten Augen blickte. Ich konnte nicht anders, als ihn wortlos weiter anzustarren. Ich fürchtete mich nicht vor ihm, auch wenn Mike mir eingetrichtert hatte, dass ich mich von ihm fernhalten sollte - Dennoch konnte ich in diesem Moment nicht wirklich angst haben. Ich war verwirrt, überrascht und auch ein wenig panisch, denn immerhin hatte ich die Hälfte meines Tasseninhalts auf seinem Shirt verschüttet, doch angst verspürte ich tatsächlich keine.

Ein verräterisches Knacken ließ mich von seinen Augen, die noch blauer als der Himmel selbst wirkten aufsehen und verwundert durch den Raum blicken. Ich versuchte die Quelle dieses furchtbaren Geräusches herauszufinden, bis ich erkannte, dass er seine Zähne schon fast wutentbrannt aufknirschen ließ. Auweia. Jetzt hatte ich ihn doch tatsächlich verärgert.

"I-Ich.. Tut mir Leid. Du hast mich erschreckt und warst plötzlich vor mir." entschuldigte ich mich matt, doch er runzelte nur finster die Stirn. Als ich schon zu glauben begann, dass er gar kein wort mehr mit mir wechselte, medete er sich dann doch noch zur Sprache.

"Was machst du überhaupt hier? Sollten Kinder nicht schon längst schlafen?" zog er mich dunkel auf und so wie beim ersten Mal als ich seine tiefe Stimme zu hören bekommen hatte, durchlief ein Schauer meinen Körper.

"Wen nennst du hier Kind?" erwiderte ich beleidigt und schaffte es sogar seinem gefährlichen Blick standzuhalten. Dieser Typ war das komplette gegenteil von Mike. Bei meinem Freund fühlte man sich auf Anhieb wohl, doch bei seinem Bruder schien man sich instinktiv klein machen zu wollen. Da ich jedoch einen gewissen stolz zu vertreten hatte und vor Mikey's Familie nicht schlechter als nötig dastehen wollte, reckte ich mein Kinn in die Höhe und sah ihn sogar auffordernd an.

"Dann hast du dir hier also keinen Kinder-Kakao zum Schlafen zubereitet?" erwiderte er spitz und ich spürte wie ich unter seinem triumphierenden Blick errötete. Mist.

"Kakao ist nicht nur für Kinder." versuchte ich mich zu verteidigen, doch er nahm mich kein Stück ernst. Insgeheim fragte ich mich selbst, was ich denn bitte mit dieser Unterhaltung bezwecken wollte. Ich musste mit ihm ja eigentlich nichts zu tun haben - Trotzdem wollte ich nicht einfach so wieder zu Mike gehen.

"Ich bin überrascht." begann Lucas nach geraumer Zeit ein Gespräch wieder aufzunehmen und ich blickte verwundert auf, nachdem ich meinen Kakao endlich in die Mikrowelle gestellt hatte.

"Ich hätte nicht gedacht, dass sich jemand für den kleinen Streber interessieren könnte." gab er mir zu verstehen und nun sah ich ihn böse an.

"Mike ist kein Streber und er ist ein wirklich toller Freund." verteidigte ich ihn sofort, doch er grinste nur amüsiert.

"Ja, im hinterher laufen ist er große Klasse." bestätgte er und nun wurde ich richtig wütend. Ich eraubte es niemanden schlecht über Mike zu sprechen. Er war der tollste Mensch auf der Welt und niemand könnte mit seiner gutherzigkeit mithalten.

"Du bist doch nur neidisch, weil sich niemand so rührend um dich kümmert, wie Mike es bei all den anderen tut." rutschte es mir aus meiner blinden wut heraus und bemerkte sofort, dass das ein gewaltiger Fehler war. Ich glaubte schon zu träumen, als Lucas sich der Mikrowelle zuwandte, sie mit beiden Armen anhob und trotz des Steckers in der Wand, den schweren Kasten in meine Richtung schleuderte. Mit einem geschockten Aufschrei wich ich dem Geschoss gerade so aus und starrte ihn anschließend verstört an. Mit einem lauten Knall flog die Mikrowelle erst gegen die gegenüber liegende Wand, ehe sie auf dem Fußboden aufkam. Er hatte eine Mikrowelle nach mir geworfen. Ich wurde mit einer Mikrowelle attackiert!

Ich erinnerte mich wieder an Mike's Worte und schluckte hart. Er war schon in mehr Anstalten gewesen, als ich es mir wahrscheinlich vorstellen konnte und wagte es doch tatsächlich mich noch mit ihm anzulegen. War ich denn von allen guten Geistern verlassen?! 

Wie erstarrt musterte ich den Schrotthaufen auf dem Fußboden und wagte es kaum mich vom Fleck zu rühren. Was würde als nächstes auf mich zukommen? Messer? Und wieso wurde denn niemand von den anderen wach? Ein wenig hilflos blickte ich zur Tür und fragte mich unweigerlich, ob er mir hinterher laufen würde, wenn ich so schnell wie nur möglich losrannte. Der Gedanke war zwar vorhanden, doch ich war wie gelähmt und so starrte ich meinen Gegenüber einfach still schweigend an. Vielleicht verlor er ja das Interesse und ging von selbst?

"Willst du wissen wieso ich weggesperrt wurde?" fragte er plötzlich ganz gelassen, in einem Plauderton, der s gar nicht zu ihm passen wollte.

"Bestimmt hat unser Mikey dir nur das nötigste von mir erzählt, noch dazu hat er die Angewohnheit die Tatsachen zu verdrehen, damit ich noch schlechter da stehe. Ganz schön fies von ihm, oder?" säuselte er und kam so dicht auf mich zu, dass ich glatt jede einzelne Wimper von ihm hätte zählen können.

"Mike lügt? Dann has du also nichts schlimmes getan?" fragte ich naiv und seine Augen blitzten gefährlich auf, ja lachten mich schon fast aus, ehe er unheilvoll flüsterte: "Oh doch. Ich habe einen Menschen abgefackelt."

***

Es tut mir echt mega Leid, dass ich jetzt wieder an etwas anderem arbeite, doch ich versuche See You Again nicht gänzlich zu vernachlässigen. Ich habe einfach das Problem, dass die Ideen, die ich vor einem Jahr noch zu See You Again hatte plötzlich gar nicht mehr so geil wirken und deswegen muss ich mir jetzt was ganz anderes überlegen, ohne dass es zu billig wirkt. Ist gar nicht so leicht. Vor allem habe ich ja schon häufiger erwähnt, wie tief mich das Buch selbst trifft. Aus diesem Grund will ich es so perfekt wie nur möglich haben und nicht einfach irgendwelche Lückenfüller rein stopfen.

Was diese Story angeht - Ich wollte Lucas eigentlich noch brutaler darstellen, doch es soll noch halbwegs realistisch wirken, deswegen wird nach und nach eine Steigerung stattfinden.


Der Sommer meines LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt