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Monate vergingen und Remus fühlte sich schrecklich. Aus zwei Gründen. Erstens hatte er die Person, in die er sich verliebt hatte, nicht mehr in seinem Leben. Zweitens wusste er, dass er der Grund für Tonks' Misere war. Ihr Haar war ohne Farbe und auch sonst wirkte sie kraftlos und motivationslos. Alles war seine Schuld. Aber es war besser so. Sonst würde er ihr komplettes Leben ruinieren. So würde sie in naher Zukunft über ihn hinweg sein. Hoffentlich.

Tatsächlich war es gar nicht so einfach. Das merkte er daran, wie er sich schwer tat, darüber hinweg zu kommen. Natürlich machte Tonks es ihm extra schwer. Indem sie einfach immer präsent war, nicht nur in seinen Gedanken, sondern auch in der Realität.

"Remus, können wir reden?"

Er starrte in ihre einzigartigen Augen und seufzte. Dann trat er beiseite und ließ sie durch die geöffnete Tür eintreten. Wieso musste sie vorbei kommen? Hätte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen können?

"Remus, ich..."

Ihre Stimme brach ab. Tonks klang schwach, ein wenig kränklich sogar, und als ihre dumpfen Augen traurig auf den Boden sahen, weil sie nicht wusste, was sie sagen wollte, brach es Remus das Herz. Entgegen all seiner Gehirnzellen, die ihm davon abrieten, trat er an sie heran und legte eine Hand an ihre Wange. Sanft zwang er sie dazu, aufzublicken.

"Es tut mir leid", flüsterte er reuevoll und zog sie näher an sich und umarmte sie. "Wirklich, es tut mir leid."

Energisch stieß sie ihn von sich und sah ihn an. "Es tut dir also leid? Ich verstehe es nicht, wirklich. Du... Du leidest doch genauso wie ich. Dir geht es auch nicht gut. Warum kannst du dann nicht einfach mit mir zusammen sein? Es würde uns beiden gut tun!"

Seufzend fuhr sich Remus mit beiden Händen übers Gesicht. Sirius' Bild war unweigerlich in seinem Kopf aufgetaucht. Das machte das ganze noch komplizierter.

"In deinen Worten liegt schon der Haken. Ich leide nicht genauso wie du. Ich denke... Ich denke, dir ergeht es schlimmer. Aus dem einfachen Grund, dass ich mein Herz schon vor Ewigkeit an jemanden verloren habe."

Tränen traten in Tonks Augen und sie trat einen Schritt zurück. "Aber du meintest... Du meintest, du seist in mich verliebt."

Wieder seufzte der Werwolf auf. "Das bin ich auch. Aber egal wie viel du mir bedeutest, du würdest immer nur die zweite Wahl sein. Und das kann ich dir nicht antun. Es wäre nicht fair von mir."

"Und wenn ich niemand anderen will? Wenn es mir egal ist, dass du mich nie so sehr lieben wirst wie eine andere, dass ich immer nur die zweite Geige spielen werde?"

Kaum merklich zuckte Remus zusammen. Eine andere. Sirius war kein Mädchen, keine Frau. Er war ein Mann. Bzw. er war ein Mann gewesen, bevor er gestorben war. Jetzt gab es nichts mehr von ihm, seine Überreste waren durch den Bogen gefallen und auf ewig verschwunden.

"Wenn du...", Remus räusperte sich. "Wenn du meine Geschichte kennen würdest, würdest du mich hassen. Du würdest angeekelt sein und du würdest nichts mehr mit mir zu tun haben wollen."

Herausfordernd sah Tonks ihn an. "Glaubst du wirklich, dass ich, wenn dein Werwolfdasein kein Problem für mich ist, von irgendwas anderem abgeschreckt werde?"

Ohne zu zögern nickte Remus. Natürlich dachte er das. Er war mit einem Jungen zusammen gewesen, hatte mit ihm geschlafen, hatte ihn geliebt und tat es immer noch.

"Wir werden es nie herausfinden, wenn du es mir nicht erzählst."

Tonks hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und ihn auffordernd angeguckt. Als er keine Anstalten machte zu reden, verdrehte sie ihre Augen. "Bitte, Remus. Ich will ein Leben mit dir. Und diese ganzen Ausreden... Wenn ich wüsste, dass du nicht das gerinste für mich empfindest, dann würde ich dich in Ruhe lassen. Aber ich seh es dir doch an. Dich lässt das hier nicht kalt und du sagst ja selbst, dass du Gefühle für mich hast. Willst du deinem eigenen Glück im Weg stehen?"

Neumond ~ WolfstarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt