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Als Remus die Nachricht erhielt, dass Voldemort besiegt war, war er erleichtert. Dann hörte er, dass Lily und James Potter tot waren, und war entsetzt. Dass Harry überlebt hatte, stimmte ihn wieder teilweise freudig, aber dann lief es ihm eiskalt über den Rücken. Wenn James und Lily tot waren, konnte das nur eins bedeuten: Sirius hatte sie verraten.

Glauben wollte er es nicht. Und als dann auch noch überall stand, dass Sirius Black Mörder von zwölf unschuldigen Muggeln und zudem noch Peter Pettigrew sein sollte, wusste er wirklich nicht, was mit ihm los war. So viele widersprüchliche Gefühle hatte er selten, weshalb er zu dem einzigen Mann ging, dem er vertraute. Albus Dumbledore.

"Ah, Remus, ich hatte Sie erwartet", begrüßte der Schulleiter seinen ehemaligen Schüler und deutete mit einer Hand auf einen der immer noch vorhandenen Sessel vor seinem Schreibtisch. Dieses Mal wollte Remus aber nicht sitzen, er war zu unruhig.

"Stimmt es? Was man sagt?"

Über seine Halbmondbrille hinweg sah der silberhaarige Mann ihn an. Dann seufzte er. "Ich befürchte ja. Alles, was gesagt wird, ist wahr."

Auf der Stelle brach Remus in Tränen aus, worauf er wortlos von Dumbledore ein Taschentuch gereicht bekam.

"Was passiert mit Harry?", fragte er, sobald er sich beruhigt hatte.

"Der ist bei seinen Verwandten."

"Verwandten? Verwandten im Sinne von Petunia? Petunia Evans? Oder Dursley oder was auch immer ihr Name ist?"

"Ja, genau in diesem Sinne."

Sprachlos sah Remus den alten Mann an. Das konnte der doch nicht ernst meinen. Er merkte, wie Wut in ihm aufstieg und zwang sich, ruhig zu bleiben. Vollmond konnte nicht immer als Ausrede zählen.

"Professor", versuchte er ihn mit vernünftigen Argumenten umzustimmen, "Lily hat mit mir über ihre Schwester gesprochen. Sie hasst Hexen und Zauberer. Harry wird es dort nicht gut ergehen. Bitte, Professor, überlegen Sie es sich."

"Ich verstehe Ihre Bedenken, Remus, aber ich habe meine Gründe."

Es fiel dem Werwolf unheimlich schwer, sich zusammen zu reißen. Was dachte der Mann sich dabei? Einfach so über Harrys Zukunft zu entscheiden?

Aber er selbst hatte auch nicht das Recht, über Harry zu entscheiden. Sirius war der Patenonkel. Sirius.

"Sir", begann Remus stockend und schluckte schwer. "Was ist mit Sirius?"

"Wie gesagt, alle Gerüchte sind leider wahr."

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas tun würde. Er hat James geliebt, wie seinen Bruder."

"Ah", machte Dumbledore und setzte sich hin, was den Werwolf dazu veranlasste, ebenfalls Platz zu nehmen. Seine Beine konnten ihn kaum tragen. "Sein tatsächlicher Bruder, also der, mit dem er blutsverwandt ist, hatte sich aber entschlossen, einen anderen Weg zu wählen. Es war immer nur die Frage, welchem Bruder er folgen würde."

Remus schwieg. Er glaubte es nicht. Wollte es nicht glauben, nicht einsehen.

"Remus", sagte der Schulleiter mitfühlend und zögernd, "er hat gelacht. Als die Muggel gestorben und die Ministeriumsleute angekommen waren, hat er gelacht."

Zittrig atmete Remus ein, bevor er die nächste Frage stellte. "Was ist mit Peter?"

Erneut zögerte Dumbledore, bevor er antwortete. "Das größte Stück, was von ihm gefunden wurde, ist sein Finger."

Damit wurde Remus schwarz vor Augen und er fiel vom Stuhl.

***

Es vergingen zwölf Jahre, bevor er wieder etwas von Dumbledore hörte. In dieser Zeit besuchte er das Grab seiner Eltern ziemlich oft und war auf der Suche nach einer Arbeit. Viele wollten ihn natürlich nicht bei sich arbeiten lassen. Er war immerhin ein Werwolf. Aber Arbeit war nicht sein größtes Problem. Er hatte alle seine besten Freunde in einer Nacht verloren und er konnte nicht damit umgehen. Mit der Zeit wurde es besser, aber verarbeitet hatte er die Ereignisse von der Nacht des 31. Oktobers noch nicht. Es war ihm unmöglich. Ein paar Mal hatte er versucht, Frank und Alice zu besuchen, aber sie so verwirrt zu sehen, brach ihm sein Herz noch mehr. Also ließ er es bleiben.

Neumond ~ WolfstarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt