Völlig erstarrt ließ Peter seinen Blick über sein Zuhause wandern. Es lag alles in Trümmern. Man erkannte die Umrisse des Hauses noch, obwohl die Steine überall verteilt wurden, schätzungsweise ein Umkreis von vierhundert Metern. Aber Peter war schon immer schlecht im Schätzen gewesen, deshalb würde er nichts darauf verwetten. Ein paar Meter hinter dem Gartenzaun, den man auch nicht mehr erkennen konnte und von dem Peter nur anhand einzelner, auf dem Boden liegender Latten zusammen puzzeln konnte, wie er früher verlaufen war, stand ein Baum. Nun ja, jetzt stand er nicht mehr. Das einzige, was auf den Baum hinwies, war ein riesiges Loch im Boden, das entstanden sein musste, als jemand den Baum entwurzelt hatte. Wehmütig dachte Peter an all die Stunden, die er auf dem Baum verbracht hatte. Die Schaukel, die seine Eltern für ihn aufgehangen hatten.
Seine Eltern.
Bis jetzt hatte er sich stur geweigert, auch nur eine Sekunde an sie zu denken. Er wusste, sie waren Zuhause gewesen. Sie hatten ihm per Eule mitgeteilt, was sie vorhatten, nämlich ihren Hochzeitstag gemütlich zu zweit feiern. Zuhause. In dem Zuhause, das jetzt nicht mehr existierte.
Peter trat näher, ohne es wirklich zu wollen. Es war, als würde eine fremde Macht ihn steuern. Unter keinen Umständen wollte er sehen, was ihn erwartete, aber er konnte einfach nicht anders. Er musste es wissen.
Das Schlafzimmer von Peters Eltern hatte sich im Erdgeschoss befunden. Peters im ersten Stock. Insgesamt war es ein kleines Häuschen, aber Peter hatte es immer gemocht. Es war sein Zuhause, das seiner kleinen Familie. Jetzt konnte man nicht mehr erkennen, welches Zimmer welchen Nutzen hatte, allein Peters Gedächtnis leitete ihn zu einem Trümmerstapel, von dem er vermutete, dass es zum Schlafzimmer seiner Eltern gehörte. Etwas blitzte unter einem Haufen Schutt und Steinen auf. Ohne nachzudenken bückte er sich und schob alles unter einiger Anstrengung beiseite, sein Zauberstab vergessen in seiner Tasche. Er hob den kleinen Gegenstand auf und pustete einmal drüber. Es war die Uhr seiner Mutter, die sie immer gebraucht hatte. 'Sonst vergesse ich den Kuchen im Backofen', hatte sie gesagt und dann gelacht, ein schönes, melodisches Lachen. Es war, als könnte Peter es immer noch hören, dabei war es komplett still um ihn herum. Kein Lachen, keine Menschen, nicht mal Vögel, die sonst immer hier zwitscherten und die Peter als Kind immer geweckt hatten. Darüber hatte er sich jedes Mal erneut aufgeregt und bei seiner Mutter beschwert, die ihn meistens beruhigt und einen Keks als Trost für das Frühe Wecken in die Hand gedrückt hatte. Sein Vater durfte davon nichts wissen. Peter nahm an, die Zerstörung hatte die sonst so fröhlichen Vögel vertrieben. Der Junge wünschte sich irgendwas, irgendein Geräusch, das ihm das Gefühl gab, nicht komplett allein zu sein, aber nicht mal der Wind wollte leises Rascheln verursachen, er blieb einfach weg und ließ ihn zurück. Es kam ihm vor, als wäre er der letzte Mensch auf der Welt. So einsam hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt.
Als ihm bewusst wurde, dass hier kein anderes Lebewesen abgesehen von ihm war, wünschte er sich irgendwas anderes. Er wünschte sich eine schönere, nicht so düstere Aussicht. Oder ein Geruch, der nicht von Zerstörung und Zerfall zeugte. Er wünschte sich, ein anderes Leben zu führen. Er wünschte sich, nicht er selbst zu sein. Er wünschte sich, nie wieder dieses Gefühl der Leere in sich zu tragen. Nie wieder so schwach zu sein, wie in dem Moment, als er die Leichen seiner Eltern auf dem Boden liegen sah.
Oder zumindest das, was von ihnen übrig war. Peter konnte im Nachhinein nicht sagen, was er noch gemacht oder noch gesehen hatte. Mit dem Bild seiner toten Eltern vor Augen war er einfach irgendwann in einem Wald aufgetaucht. Er wusste nicht, wie er dahin gekommen, ob er gelaufen oder appariert war, er wusste nicht, was er hier wollte, warum es ihn hierher geführt hatte. Aber in dem Moment, als er zusammen brach, auf den Boden fiel und sich wieder und wieder übergeben musste, versprach er sich etwas. Wer auch immer das getan hatte, würde dafür büßen. Und Peter war es völlig egal, welchen Preis er bezahlen musste, um das zu erreichen.
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Neumond ~ Wolfstar
FanfictionDas ist die Fortsetzung meiner Geschichte "Mondlicht ~ Wolfstar". Inhaltsangabe bleibt so kurz wie eh und je: Remus Lupin. Sirius Black. Die wirklich wahre Geschichte. Die Rechte für diese immer noch fantastische Welt gehören J. K. Rowling.