Kapitel 2

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Den restlichen Weg über herrschte betretenes Schweigen im Auto. Aus dem Fenster blickend dachte ich fieberhaft darüber nach, was ich tun sollte.
Ich führte momentan das perfekte normale Leben. Ich hatte ein Haus, ein Auto, zwei ausgeglichene Hunde und keine Geldprobleme dank dem Erbe meiner Eltern und meinem Job. Wenn ich jetzt den Tutorea Libertatem bei ihrem Problem half, was auch immer sie sich darunter vorstellten, ging ich das Risiko ein, meinen momentanen Lebensstandard zu verlieren und mich selbst in Gefahr zu bringen. Außerdem bekam ich schon alleine bei dem Gedanken an Ryan und was in den paar Tagen in seiner Gefangenschaft passiert war, Herzrasen und Schweißausbrüche.  Die Tutorea mussten doch dafür Verständnis haben, dass ich dieses Risiko, noch einmal in seine Fänge zu geraten, nicht eingehen konnte oder wollte? Vor allem weil ich mehr oder weniger einen großen Teil dazu beigetragen habe, dass seine Mission die Kingsman zu töten schief gegangen war. Wer wusste da schon was er mir antun würde wenn er herausfand, dass ich nun der nächsten Geheimorganisaton half? 

Eine Frage blieb jedoch in meinem Kopf hängen, auf welche ich keine Antwort wusste, jedoch wollte ich die Stille in dem Auto nicht unterbrechen. Wenn wirklich Ryan hinter dem Allem steckte, wieso tat er das und wie konnte er das alles überhaupt planen und durchführen? Nach dem gescheiterten Übergriff auf die Kingsman war er in den Hochsicherheitstrakt eines Gefängnis gewandert, wo er den Rest seines Lebens verbringen durfte. Er konnte doch nicht die Mittel und Möglichkeiten haben, dass er das Alles aus dem Gefängnis heraus durchgezogen hatte. Er musste dabei entweder Hilfe von Außen haben, welche sich regelmäßig Aufträge und Informationen von ihm holte oder was noch viel schlimmer wäre, war er eventuell gar nicht mehr hinter Gittern, sondern auf freiem Fuß. Wenn zweiteres zutraf, tat ich mein Bestes dabei, wenn ich den Tutorea Libertatem half, denn so konnte ich jedenfalls dazu beitragen, dass Ryan so schnell wie möglich wieder eingesperrt wurde. Ansonsten war ich mir sicher, dass er nach einer erfolgreichen Mission sicherlich auch mich aufsuchen und töten würde. Ich stand also in gewisser Maßen Schach Matt, egal wie ich mich entschied, die Gefahr bestand so oder so, dass Ryan früher oder später auch bei mir auftauchen würde. 


Aber ich konnte sowieso nicht nein sagen, wenn sie nach meiner Hilfe fragten, auch wenn ich mir bewusst war, dass ich mich so direkt in Gefahr begeben würde. Nur der Gedanke zu wissen, dass Menschen starben und ich nichts dagegen unternahm, sondern mein normales Leben einfach weiter lebte, machte mich jetzt schon verrückt. Für mich blieb keine andere Möglichkeit als ihnen zu helfen, ansonsten würde ich mir einerseits für immer die Frage stellen, ob Ryan bei seiner Mission erfolgreich gewesen war und was passiert wäre wenn ich ihnen doch geholfen hätte. Natürlich, ich wusste nicht was sie sich unter helfen vorstellten oder ob ich überhaupt irgendwelche nützlichen Infos für sie hatte, aber einfach weg sehen und so zu tun, als würde ich von nichts wissen, war auch keine Option. Jedenfalls nicht für mich.

Mittlerweile waren wir in einem belebteren Bezirk Londons angekommen und ich runzelte die Stirn, als der Mann das Auto vor einem verglasten Hochhaus zu stehen brachte. Was wollten wir hier? Das konnte doch unmöglich ihr Hauptquartier sein, es war mitten in der Stadt, total ungesichert. Wie genau verteidigten sie es im Falle eines Angriffes? Wortlos zog der Mann den Zündschlüssel ab und stieg dann aus dem Auto. Für einen Moment blieb ich noch sitzen, einen Blick auf das Handschuhfach gerichtet. Wer garantierte mir überhaupt, dass der Mann mir bis jetzt die Wahrheit gesagt hatte? Wer wusste, ob er nicht ein Handlanger von Ryan war, mit der Mission mich für seinen Boss umzulegen? Oder vielleicht war er auch von den Kingsman und sollte testen, wie dicht ich halten konnte? Obwohl, woher hatten die Kingsman auf einmal die detaillierten Informationen über das was damals geschehen war? Und warum sollten sie sich diese ganze Hintergrundgeschichte einfallen lassen? Um zu wissen, ob ich kein Wort über die Organisation verlieren würde, wäre es schlauer gewesen mich gleich von Beginn als Feind zu konfrontieren und nicht wie jemanden, der meine Hilfe brauchte.

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