Kapitel 10

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Robert und Sebastian sahen mich interessiert an, darauf wartend wie ich zu dem ganzen Thema stand. Am liebsten würde ich mir vorher die Meinung der beiden anhören, um noch mehr Hintergrund zu der Beziehung zwischen den zwei Geheimorganisationen zu bekommen und das ganze so besser abwägen zu können. Die beiden Leiter waren sehr kontroverser Meinung, was mich unsicher werden ließ, angesichts der Antwort die ich ihnen geben sollte.

In Stephens Augen konnte ich deutlich die Überzeugung sehen, dass es eine gute Idee war, bei den Kingsman nach Hilfe zu fragen. Ich konnte ihn auch verstehen, wahrscheinlich würde ich in seiner Position die gleiche Entscheidung treffen, immerhin waren sie für so viele andere Leute verantwortlich. Aber andererseits war ich durch den Weg, wie ich die Kingsman schlussendlich verließ, persönlich ziemlich abgeneigt der Organisation gegenüber. Stephen sah mich genauso abwartend wie die beiden anderen Männer an, dabei ruhig in seinem Stuhl zurückgelehnt.

Noah hingegen saß mit verschränkte Armen auf seinem Platz, den Blick stur auf die Tischplatte vor sich gerichtet. Seine Mimik sprach tausend Bände, man konnte deutlich sehen, dass er strikt dagegen war die Kingsman um Hilfe zu bitten. Die Frage die sich mir stellte war, was er vorhin damit gemeint hatte, dass sie keine Antwort bekommen hatten, als sie früher schon einmal um ihre Hilfe gebeten hatten. Am liebsten würde ich ihn danach fragen, ob er mir sagen würde, um was sie gebeten hatten, aber dadurch würde ich die ganze hitzige Diskussion von eben nur noch einmal auflodern lassen und wer weiß welche Aussagen sich die beiden dann an den Kopf werfen würden. Wobei ich auch nicht wirklich darauf erpicht bin gleich meine Meinung zu dem ganzen zu sagen, dass würde wahrscheinlich wieder genauso in einer Debatte enden.

Aber ich musste nun mal zugeben, dass ich mehr auf Stephens Seite stand, als auf Noahs. Sie hatten nun mal, nach eigener Aussage, keine Ideen mehr und wussten nicht mehr weiter. Noch weitere Tage verstreichen lassen, in denen sie spurlos durch die Gegend irrten, während ihre Angreifer jemanden neues entführten, hatte überhaupt keinen Sinn. Ich war zwar selber genauso wenig erpicht darauf noch einmal einem Kingsman gegenüber zu stehen und würde deswegen gerne Noah recht geben, aber das wäre für die ganze Organisation gesehen, nur ein Risiko und auf eine gewisse Weise Selbstsabotage.
Die Frage wem der Kingsman ich am meisten vertraute, brauchte ich mir eigentlich gar nicht stellen. Wenn wir einen von ihnen nach Hilfe fragten, würden sowieso alle davon erfahren, immerhin agierten sie als Gruppe und es würde sicherlich als Verrat angesehen werden, wenn einer von ihnen ohne dem Wissen der anderen Informationen heraus gab. Als Noah ungeduldig mit dem Fuß zu wippen begann, deutete ich dies als Zeichen für mich endlich eine Antwort zu geben. Angespannt setzte ich mich auf meinem Stuhl zurecht und warf einen letzten, zweifelnden Blick zu Noah, welcher immer noch angebissen auf den Tisch starrte. Seufzend drehte ich mich schlussendlich zu Stephen, um ihm zu antworten. Dabei war ich darauf bedacht ihm nur einen Rat zu geben und es nicht als Anweisung oder dergleichen klingen zu lassen: „Also wenn Sie sich wirklich Hilfe von den Kingsman holen wollen, würde ich mich bei Merlin melden und nicht direkt bei Arthur. Merlin hatte immer ein offenes Ohr für mich und mir bei meiner ersten Kandidatur auch geholfen eine Wohnung zu finden und mir auch bei der Bank einen Termin gemacht, damit ich dort alles regeln konnte. Wenn Sie sich direkt an Arthur wenden, kann ich mir, so wie ich ihn kennengelernt habe, durchaus gut vorstellen dass er Sie eiskalt abwimmelt. Merlin hingegen könnte für Sie in einem Gespräch in Ruhe mit Arthur darüber reden und ihn eventuell auch davon überzeugen, dass es das beste wäre, in dieser Sache zusammen zu arbeiten."
Kurz blickte mich Noah und schüttelte leicht merklich den Kopf, ehe er sich seinem Kollegen zu wand und nun diesen beobachtete. Stephen erwiderte seinen Blick und für einen Moment starrten sich die beiden stumm an, ehe Noah sich wieder abwendete. Einen Augenblick bedachte Stephen seinen Kollegen noch mit einem vermeintlich enttäuschten Blick, bevor er sich zu Robert und Sebastian drehte: „Schaffst du es für Sebastian eine sichere Verbindung zu Merlin herzustellen, von der die restlichen Kingsman vorerst nichts mitbekommen? Versuche in ihrem System den Computer mit dem er arbeitet zu finden, wenn du das Tablet oder dergleichen eines anderen erwischt können wir uns gleich eingraben gehen. Wenn Miss Featherstone meint es sei die beste Entscheidung mit Merlin in Kontakt zu treten dann machen wir das auch."
Na toll, danke auch dafür. Wenn die Idee mit Merlin in die Hose ging oder Robert den falschen Computer erwischte und wir Probleme mit den Kingsman bekamen, war das ganze dann wohl auf meinem Mist gewachsen. So viel zum Thema nur einen Rat geben und nicht gleich auf dumme Ideen bringen. „Sebastian du klärst ihn dann über unsere Situation auf, vielleicht schaffst du es ja ihn dazu zu bringen, dass er für uns bei Arthur vorspricht." Die beiden Herren nickten und standen dann wortlos auf, um den Raum zu verlassen. Bitte, bitte Gott im Himmel durfte ich auch gehen und musste nicht mit den beiden Leitern alleine hier bleiben, welche wahrscheinlich gleich wieder zu streiten beginnen würden.
„Sie vertrauen den Kingsman immer noch?", fragte Noah mit einem skeptischen Unterton, während er mich misstrauisch anblickte. Ich schüttelte langsam den Kopf, bevor ich ihm antwortete: „Nein, den Kingsman nicht. Nur Merlin, weil er wirklich immer da war, wenn ich ihn um Hilfe gebeten habe. Wenn ich mich jemals wieder bei einem von denen melden müsste, würde ich ihn wählen. Er setzt sich immer für seine Meinung ein und behandelt alle gerecht und respektvoll. Meiner Meinung nach wäre er der viel bessere Leiter als Arthur." „Dass du einfach nicht damit aufhören kannst.", meckerte Stephen und sah seinen Kollegen böse an. „Was mischt du dich eigentlich schon wieder ein?", fuhr ihn Noah an und warf ihm einen giftigen Blick zu. Hab ich doch gewusst, dass das gleich wieder weiter gehen würde. Können die mich mit dem ganzen nicht einfach in Ruhe lassen und mich wegschicken wie die beiden anderen auch? „Noah wir können nichts mehr tun. Wir sind am Ende mit unserem Latein. Wenn wir uns jetzt keine Hilfe holen tappen wir weiterhin im Dunkeln und werden niemals Ryan und seine Leute finden, geschweige denn sie hinter Gitter bringen." „Jetzt kann ich ja sowieso nichts mehr dagegen machen, du hast ja Robert schon los geschickt, damit er Kontakt zu Merlin aufnimmt. So viel zum Thema wir treffen Entscheidungen gemeinsam!", erwiderte sein Kollege und bedachte ihn mit einem eisigen Blick. „Vier von fünf Leuten in diesem Raum waren der Meinung, dass wir die Kingsman um Hilfe bitten sollten, also von dem her bis du demokratisch gesehen einfach mal überstimmt worden. Dein Ego wird es dieses eine Mal überleben!", schnaubte Stephen und stand dabei von seinem Stuhl auf, wahrscheinlich um den Raum zu verlassen. Ich betete dafür, dass er auch gehen würde, damit ich genauso verschwinden und dieser unangenehmen Situation entschwinden konnte. Blöderweise war mein Mundwerk mal wieder schneller als mein Gehirn und ich hörte mich keine Sekunde darauf schon selbst sagen: „Naja, wenn man es genau nimmt hab ich nur erklärt, wen ich um Hilfe bitten würde, falls ich jemals auf sie angewiesen wäre. Ehrlicherweise habe ich überhaupt keine Lust darauf noch einmal etwas mit den Kingsman zu tun zu haben." Sofort schlug ich mir mit der Hand vor den Mund und blickte Stephen einen Moment erschrocken an: „Entschuldigen Sie!" „Da! Da hast du es!", frohlockte Noah und sah dem anderen triumphierend in die Augen. „Selbst dann hätten wir dich noch überstimmt. Sieh es einfach ein Noah, die Kingsman sind unsere letzte Hoffnung auf einen Hinweis, der uns endlich ein Stückchen näher zu Ryan bringt!", war das einzige was Stephen noch sagte, bevor er auch schon den Raum verließ und die Tür hinter sich zu schlug. Unsicher warf ich einen Blick auf Noah, welcher kopfschüttelnd auf seinem Stuhl saß und laut aufseufzte: „Auch wenn Stephen es hier so hinstellt, als würde ich mir zu gut dafür sein andere um Hilfe zu fragen, so ist es nicht. Ich wäre der letzte der unnötig lange hinauszögern würde die Hilfe anderer zu erbitten, aber bei den Kingsman hege ich einfach eine tiefe Abneigung." Kurz entwischte mir ein zustimmendes Nicken, wovon ich jedoch hoffte, dass er es nicht bemerkt hatte.

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