Alles schmerzte. Mein Kopf dröhnte, meine Muskeln waren verkrampft, meine Kratzer brannten und meine Fleischwunde pulsierte. Ich hörte nur den Wind an den Blättern vorbei rasseln, nicht mehr und nicht weniger. Ich wusste nicht wo ich war und wollte auch nicht die Augen öffnen, das grelle Licht würde mich nur blenden. Dieser eklige Geschmack von Blut und Dreck wollte nicht von meiner Zunge weichen. Widerlich.
Wenigstens war mir warm, eine flauschige Decke kuschelte mich ein.Moment. Eine Decke? Das hatte ich nicht selbst getan! Der Junge, er musste wieder da sein! Wieder, tausende Wörter stürmten in meinem Kopf umher.
Gut oder Böse? Alt oder jung? Mörder oder nicht? Helfer oder nicht? Freund oder Feind?
So viele Fragen auf die ich keine Antwort hatte. Sollte ich es wagen die Augen zu öffnen? Falls es eine Gefahr war, konnte ich sowieso nicht weglaufen. Mein Körper war gerade nicht zu gebrauchen, wenn dann musste ich Mental arbeiten.
Ich machte den Schritt, langsam schlug ich die Augen auf. Erst erkannte ich fast nichts, alles war verschwommen. Doch, da war was. Zwei blaue Punkte über mir. Das Bild wurde schärfer. Aus den zwei blauen Punkten wurden zwei saphirblaue Augen. Die schönsten in die ich je geblickt hatte. Ich nahm alles genau wahr. Die Iris war wunderschön gezackt und seine Pupillen geweitet. Ich sah in ein junges Gesicht. Ein Junge vielleicht meines Alters. Ebenholzschwarze Haare. Blasse Lippen. Kleine Nase. Kein markantes Kinn.
Sein Blick, er war nicht böse, sondern besorgt. Trotzdem war immer noch höchste Vorsicht geboten, erinnerte ich mich. Er hatte mir ziemliche Angst eingejagt. Ich fürchtete mich immer noch vor ihm. Er zuckte kurz mit den Wimpern. Ich erschrak, es könnte immer noch ein Mörder sein. Dank ihm hatte ich diese Wunde.
Ich fing an zu schreien, und krabbelte rückwärts mit meiner letzten Kraft nach hinten. Offenbar schockte ihn das ebenfalls, denn er fing auch an zu schreien. Er setzte sich auf und wir schrien uns gegenseitig an.Kurz darauf durchzog meinen Oberschenkel ein stechender Schmerz. Ich sah an mir hinunter. Ein weißer, fetter Verband schmückte mein Bein. Langsam saugte er das Blut auf. Er wurde hellrot bis dunkelrot. Ich stöhnte auf und krallte mich in den Stoff-Boden. Er streckte eine Hand nach vorne und sah mich an. Er versuchte mich offensichtlich zu beruhigen: „Vorsicht! Was hast du gemacht?! Dein Verband! Wir müssen auf jeden Fall die Nähte wechseln... Das sieht nicht gut aus", er hatte eine sanfte, angenehme Stimme. Er kam auf mich zu und ich rutschte weiter nach hinten. Er stoppte. Was wollte er von mir? Vertrauen? Nein! Aber er hatte mich gerettet, verarztet und böse sah er ganz sicher nicht aus. Ich musterte ihn und die Umgebung. Wir waren in einem grünen Zelt, hinter ihm standen Boxen und zwei Schlafsäcke lagen dort. Neben ihm die zerknüllte Decke und er- er war, nun ja, männlich gebaut. Muskeln aber nicht zu viel, ein leichtes Six-Pack zeichnete sich unter seinem grauen T-Shirt ab. Seine Hose war wohl nicht gerade bequem. Hose, wo war meine Hose?! Neben mir. Ich hatte sie nicht an. Er hatte mich eh schon gesehen, nicht das wichtigste Problem. Ich atmete schnell und kräftig. Der kalte Schweiß hatte sich gelegt. Ich sammelte mich und begann mich auf die Fragen zu konzentrieren.
„W-wo sind wir? Auf dem Campingplatz?" Er nickte. Ich rutschte weiter nach hinten und stoß auf die Zeltwand. Weiter weg konnte ich nicht, der Ausgang war nirgends zu finden.
„Wer bist du? Was machst du hier? Was hast du mit mir gemacht? Warst d-du das in den letzten Tagen??! Das Kaufhaus? Das-das Klingeln? Wie lang war ich weg?! Was willst du von mir?!", sprudelte es aus mir heraus. Er ließ seine Hand sinken. Er sah auch hilflos aus und- Waren das Tränen, die in seinen Augen aufstiegen? „Ein paar Stunden. Hör zu, ich wollte das nicht. Vertrau mir, bitte! Ich wollte nur diese eine Box aufkriegen, als ich mit der Hand abgerutscht bin, da ist nun mal aus dem Gebüsch- Du weißt schon, was ich meine. Es tut mir wahnsinnig leid. Ich- ich hätte vorsichtiger sein müssen. Es war ja klar das du wegrennst, wenn sowas passiert", ich nickte heftig. „Ich war hier auf dem Campingplatz als ich aufgewacht bin, plötzlich waren alle weg", sagte er traurig. Er war einer, der auf meiner Seite war. Er war nett, er war kein Feind, bis jetzt noch nicht. „Du schuldest mir noch eine Erklärung", gab ich zurück, während ich mir mein Bein hielt. Er nickte abermals: „Natürlich. Aber kann ich das machen während ich dir helfe? Du verblutest ja fast."Ich war immer noch misstrauisch aber was brachte es? Ich konnte mich nur wehren, wenn ich wieder gesund war. „O-ok. Ich vertraue dir und du hast Zeit mir alles zu erklären ABER wenn es nur ein Anzeichen dafür gibt, dass du mein Feind bist, kannst du das Vertrauen gleich wieder vergessen!", sagte ich streng.
Er griff zu einem Kasten zu seiner Rechten und holte einen Verband raus, eine Nadel und andere Sachen, die er wohl brauchte. Er setzte sich zu mir und bevor er den Verband berührte, schaute er mir in die Augen: „Das wird wahrscheinlich gleich wehtun. Wie heißt du?" „Phee", antwortete ich: „Und du?" „Lukan-Silvan. Phee, das ist ein schöner Name." Ich lächelte ihn kurz an, bevor ich wieder mein Gesicht verzog.
Er machte den Verband ab und nähte meine Wunde zu. Es tat nicht nur etwas weh, nein, es tat verdammt scheiße weh. Ich krallte mich fester in den Zeltboden und versuchte nicht aufzuschreien. An manchen Stellen ging es, denn die Wunde war noch etwas taub aber weh tat es trotzdem. Ich wusste nicht woher er das konnte aber er machte es sorgfältig und vorsichtig. Immer wenn es schmerzte und ich zusammen zuckte, entschuldigte er sich sofort. Er wirkte irgendwie charmant. Man hab deine Gefühle unter Kontrolle, Phee! Er konnte etwas aushecken, ich durfte mich jetzt nicht verzaubern lassen.
Er begann zu erzählen: „Nun ja, da ich dir noch eine Erklärung schulde, kann ich ja gleich damit anfangen. Aber ich werde die Kurzfassung wählen. Also am ersten Tag bin ich aufgewacht und niemand war da. Ich hab den Wald durchsucht, bin in die Stadt gefahren und in andere Orte. Nichts, alles leer. Das ging noch ein paar Tage so, irgendwann hab ich einfach aufgegeben."
„Du hast niemanden gefunden? Ich auch nicht. Außerdem hab ich schon nach dem ersten Tag aufgegeben", platzte ich dazwischen.
Er fuhr fort: „Nein, niemanden- außer- dich halt. Ich hab dich in der Stadt gesehen am vierten Tag. Du bist wohl zur Bäckerei gelaufen." Ich schmunzelte, ich erinnerte mich wie mich an dem Tag der Heißhunger heimgesucht hatte. „Ich wollte zu dir aber ich durfte nicht, diese Nachrichten haben mich dran gehindert." Ich wurde aufmerksamer: „Du kriegst auch diese Nachrichten? Diese Yoda-Scheiße?" Er schüttelte verwundert den Kopf: „Nein, ich weiß nicht was du bekommst aber ich erhielt immer nur direkte Anweisungen, wie 'Klingel' oder-"
„Du warst das?! Wieso hast du das gemacht? Ich hab mich zu Tode erschreckt! Außerdem- warst du die ganze Zeit bei mir?", ich war außer mir. Er war das!Er wurde etwas panisch: „Nein, nein! Du verstehst nicht. Immer wenn ich mich geweigert hatte, hab ich meine größte Angst gesehen. Ich weiß nicht wie du das siehst aber das war ne ziemliche Herausforderung, ich bin hektisch geworden. Mir gefiel es nicht dich zu beobachten a-"
Jetzt war die Wut wieder da: „Beobachten?! Du hast mich beobachtet?! Im Kaufhaus, das warst du!"
Er bereute es: „Du warst wirklich dicht. Ich hab mich bis jetzt nicht betrunken. Es war schon lustig dir zu zuschauen. Leider bin ich ausgerutscht und gegen diese Regale gekracht. War nicht so schlau." Ich errötete und er grinste: „Fertig. Hab ich den Verband zu fest gemacht?" „Nein", sagte ich und spürte wie meine Wangen pulsierten.„Was ist dann passiert? Oh und kann ich eine Hose haben?", ich war neugierig. Lukan-Silvan setzte sich auf den blauen Schlafsack und ich mich auf den Lilanen. Er kramte eine gemütliche Jogginghose aus einer gelben Box und beendete seine Erzählung: „Als du hierher gefahren bist, wusste ich nicht so Recht was ich tun sollte. Ich habe mich entschieden dich zu beobachten. Hat nicht so hingehauen."
Wir kicherten. „Du solltest schlafen, dann heilen die Wunden am besten."
Nachdem ich mir die Jogginghose angezogen hatte, die gerade so über meinen Verband passte, legte ich mich hin.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass seine Hand näher kam. Ich hatte sie blitzschnell in einem harten Griff. „Fass mich nicht an, während ich schlafe. Ich habe Angst OK? Versteh mich nicht falsch. Ich bin müde, du musst mir morgen mehr erklären." „Ich wollte dich nur mehr zudecken. Entschuldige", entgegnete er und zog die Hand zurück. Wie peinlich. Schnell! Sag was Phee! Ich sah ihm tief in die Augen: „Danke, dass du mich gerettet und verarztet hast. Du hast Recht, ich bin zu misstrauisch... Die letzten Tage waren hart und ich war einsam. Ich fühl mich hilflos. Aber vielleicht können wir das besser gemeinsam durchstehen. Das weiß ich noch nicht. Ich will erstmal schlafen und das Ganze verarbeiten. Ist das... in Ordnung?"
Er nickte nur und drehte sich in seinem Schlafsack um.
Ich war mir nicht ganz sicher ob er wirklich ein Freund war, aber eins war klar: Alleine war ich nicht mehr.
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ALONE
Science FictionSehr Kurze Leseprobe: Die Dornen zerkratzten meine Arme und mein Gesicht, aber ich kümmerte mich nicht darum. Ich rannte aus dem Dickicht, ein paar Meter an dem Campingplatz vorbei, direkt weiter auf einen kleinen Weg, welcher eigentlich gesperrt wa...