Kapitel 10

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Krist warf das Skript frustriert neben sich und legte seinen Kopf in den Nacken, wo er seine Augen schloss.

Sie hatten die Nachuntersuchung für seinen Fuß hinter sich gebracht und er war froh, dass er nun wieder ohne Gehhilfen auskommen konnte. Außer einer unterstützenden Bandage, die er noch eine Weile tragen sollte, bis alles komplett verheilt war, hatte er keine Einschränkungen mehr. Natürlich sollte er es dennoch nicht gleich wieder übertreiben.

Es bedeutete, dass er sich wieder voll auf seine Arbeit konzentrieren konnte, was ihn zurück zu dem Skript brachte, und der Rolle die ihm wie eine unüberwindbare Hürde verpönte.

Dabei sollte wirklich nichts dabei sein.

Es wäre sogar eine weitaus tiefsinnigere Rolle als die, die er damals in SOTUS gespielt hatte.

Normalerweise mochte er solche Herausforderungen, denn nichts trieb einen weiter voran, als sich in seinen Rollen immer neu erfinden zu können.

Er mochte die Transformation.

Doch hier stand er wie vor einer Wand und es ärgerte ihn, weil er selbst nicht wusste was er tun musste, um darüber zu kommen.

„Alles in Ordnung Khun?" Krist gab ein Seufzen von sich, über diese Frage von Prachaya.

Sie steckten schon ein paar Minuten im Stau und kamen nicht wirklich voran.

„Ich befürchte ich werde mein Vorsprechen für diese Rolle zurückziehen müssen." Es würde in zwei Tagen stattfinden und egal wie sehr er es auch versuchte, er bekam einfach kein Gefühl für seinen Charakter.

„Woran liegt es?" Da Prachaya auch sein vorübergehender Manager war, konnte er sich auch mit ihm über diese Dinge austauschen. Dieser wusste um welches Vorsprechen es sich handelte, hatte er Krist's Termine und anliegende Projekte gut im Auge.

„An mir. Ich fühle gar nichts, wenn ich versuche mich in den Charakter hineinzuversetzen. Anstatt ich dessen Wesen zu greifen bekomme, komme ich mir nur als Beobachter vor. Wie soll ich so glaubhaft erscheinen?"

„Hat es etwas mit der sexuellen Orientierung der Rolle zu tun?" Krist zog irritiert seine Augenbrauen zusammen über diese Annahme.

Er hatte kein Problem mit der Orientierung.

Auf der anderen Seite, woher sollte Prachaya das wissen? Nur weil er vor über 10 Jahren mal einen anderen Kerl vor der Kamera geküsst hat, hieß das nicht, dass er automatisch kein Problem mit der Thematik hatte. Immerhin war es nur ein Akt für die Serie gewesen.

Das Paradoxe war, dass einige solcher Produktionen darauf bestanden, das diese Rollen ausschließlich von Heterosexuellen gespielt wurden. Kein Hetero Mann, sollte sich dadurch unwohl fühlen müssen, tatsächlich von einem schwulen Kollegen geküsst oder berührt zu werden. Diese Art von Liebe zu unterstützen, war in solch einem Fall nur Scheinheiligkeit, die dazu diente gutes Geld von den Fans dieser Serien und Filme einzustreichen.

Es war eben nichts weiter, als ein Schauspiel.

„Ich habe kein Problem damit. Ginge es danach, mit welchem Geschlecht man sich ständig umgibt, um klarzustellen, was man bevorzugt, könnte ich mir „Ace" auf die Stirn schreiben. Ich bin in dieser Hinsicht einer der langweiligsten Typen für die Presse." Nicht, das er in der Vergangenheit nicht die ein oder andere Dame an seiner Seite gehabt hätte. Doch am Ende war es nie bedeutungsvoll genug gewesen, das er wirklich daran festhalten wollte. Irgendwann war es ihm dann einfach zu aufwendig geworden und er hatte sich damit abgefunden, vorerst allein zu bleiben.

Prachaya raunte verstehend.

„Liegt es daran, dass sie potenzielle Partner mit ihrer Starrköpfigkeit in die Flucht schlagen, noch bevor mehr hätte draus werden können?", piesackte dieser ihn daraufhin, was Krist ein abfälliges Schnalzen von sich geben ließ.

„Nur zu ihrer Information, wenn ich wollte könnte ich jedes Wochenende mit jemand anderem ausgehen. Ich habe nur einfach nicht die Zeit für diese Art von Lebensstil. Ich werde mich schon bemühen, wenn es mir jemand wert ist." Krist schickte Prachaya einen selbstgefälligen Blick über den Rückspiegel.

„Es ist ja nicht so, das Mr. Good Looking hier, ein beneidenswertes Liebesleben aufzeigen könnte, oder?"

Eigentlich hatte Krist mit einer gekonnten Gegenantwort gerechnet, doch war alles was er erhielt ein seltsamer Blick der ihm das Gefühl gab, das sein Kommentar Terrain betrat, auf dem er nichts zu suchen hatte.

Dann setzte sich der Verkehr endlich wieder in Bewegung und Krist blieb wieder für sich mit seinen Gedanken, während der Wagen weiterfuhr.



***

Trotz aller Zweifel hatte sich Krist dennoch an dem Vorsprechen versucht.

Doch er spürte über die gesamte Zeit, dass er sich nicht in der Rolle befand. Er hatte gehofft, dass es womöglich anders verlaufen würde, wenn er einen Partner vor sich hatte. Aber letztendlich war das Gegenteil der Fall gewesen.

Er hatte ein Problem.

Nicht erst seit er diese Rolle vorgeschlagen bekommen hatte.

Nein, dieses Problem trug er nun schon einige Jahre mit sich herum und da es ihn selbst einfach nur frustrierte, hatte er es irgendwann zur Seite geschoben und versucht zu ignorieren.

Bis er glaubte, dass es sich über all die Zeit vielleicht von selbst aufgelöst habe, weswegen er diese Rolle auch versuchen wollte.

Doch nun musste er erneut feststellen, dass sich nicht viel geändert hatte.

Er hatte nicht gelogen, als er Prachaya sagte er habe kein Problem damit einen homosexuellen Charakter zu spielen.

Selbst privat, stand er dieser Sache offen gegenüber und fand durchaus selbst einmal einen anderen Mann attraktiv oder sympathisch genug, das es sein Interesse ein wenig wecken konnte.

Aber die Realität sah eben so aus, das es stets dabei geblieben war und er sich lieber auf sichere Distanz hielt.

Er war geübt darin, sämtliche Avancen schon im Vorfeld abzublocken, sobald es auch nur auf einen winzigen Flirt hinauslief.

Denn meist war der Schlag Mann, der Interesse an ihm hatte, einer der Dominanz gewohnt war. In ihm sah man meist nur das hübsche Gesicht und damit automatisch den passiven Part.

Es war der sicherste Weg, ihn dazu zu bringen sich abzuwenden.

Wo auch die Wurzel seiner komplizierten Unsicherheit lag.

Sobald er in solch eine Situation geriet, ging er auf Abwehr.

Und genau das, war mit dieser Rolle passiert.

Für sich allein, hatte er diesen Druck nicht wahrnehmen müssen, doch sobald er einem potenziellen Drehpartner vor sich gehabt hatte, schaltete sich dieser Instinkt wie von selbst dazu.

Es schien wie ein Schutzmechanismus zu sein, denn er selbst nicht steuern konnte.

Am Ende hatte seine Verdrängung nur geschlafen und ihn glauben gemacht, seine Last hätte sich in den Staub aufgelöst, unter der sie sich die vergangenen Jahre befunden hatte.

Nur hatte er erneut erkennen müssen, dass ein Trauma eben doch mehr war, als nur schlechte Erinnerungen.

Egal ob es nur darum ging etwas vorspielen zu müssen.

In diesem Fall, den ergebenen Liebhaber seines temperamentvollen Partners.

Sich einem anderen Mann gefügig zeigen, verband er irgendwo stets mit Entwürdigung.

Entwürdigung die er selbst schon hatte erdulden müssen und die nun Schuld an seinem verqueren Gefühlsleben trug.

Er sah sich nicht als jemand, der komplett die Kontrolle in einer Beziehung haben musste, damit es für ihn funktionierte. Solch eine Beziehung, ging wohl in den allerwenigsten Fällen positiv von sich.

Dennoch brauchte er Gewissheit, dass man ihn nicht in eine Ecke drängen würde.

Er wollte ein durchschaubares Geben und Nehmen in einer Beziehung und auch im Bett.

Er wollte sicher sein können, das ein Partner ihn verstand und vor allem respektierte in seinen Wünschen.

Doch das klang wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.

Trotzdem, mit weniger konnte er sich nicht wohl fühlen.

Mit einer Frau war es einfacher, wenn auch bis jetzt nicht das wonach er tatsächlich suchte.

Ihm war klar, dass er diese Rolle nicht bekommen würde und er war im Endeffekt auch froh darüber.

Dennoch kratzte es auch an seinem Stolz als Schauspieler.

Prachaya schenkte ihm einen fragenden Blick, als er in den Wagen stieg, der ihn zu seinem nächsten Termin bringen sollte.

Krist schüttelte nur den Kopf als Antwort.



Der Tag neigte sich dem Ende zu und Krist schaute noch immer ziemlich gedankenverloren, als er ihn schließlich zurück nach Hause fuhr.

Dieser hatte sich nicht erklärt, was der Grund für seine Stimmung war und er hatte ihn somit auch in Frieden gelassen.

Sie waren keine fünf Minuten von dessen Behausung entfernt, als dieser ein Seufzen hören ließ, während er weiterhin nur aus der Seitenscheibe schaute.

„Reiß dich endlich zusammen.", murmelte dieser daraufhin und straffte sich ruckartig, als habe er einen Entschluss gefasst.

„Eine Idee, wo man sich etwas die Zeit vertreiben kann? Ich könnte etwas Ablenkung vertragen.", fragte dieser ihn darauf und Singto schaute ihn sich einen Moment über den Rückspiegel überlegend an.

„Was dagegen, wenn ich mich mit einklinke in dieses Vorhaben?" Ihm war klar, dass der erste Gedanke den Krist auf diese Frage haben würde, der wäre, das er ihn wohl nicht so recht aus den Augen lassen wollte, was durchaus mit einer ablehnenden Antwort enden konnte.

Doch Krist überraschte ihn, indem er ein leichtes Lächeln zeigte. „Soll ich es als Überstunden ansehen?" Singto lächelte nun ebenso. „Kommt darauf an, wie viel Ärger mir bevorsteht."



Letztendlich hatte Krist einfach nur gemeint, dass er es ihm überlassen würde, wohin sie dieser Abend führen sollte. Es gab viele Möglichkeiten in dieser Stadt, worauf sie sich schließlich auf dem Talad Rot Fai Ratchada, einem von Bangkok's Nachtmärkten wiederfanden.

Jedoch hatte er Krist vorgeschlagen, sich etwas leger anzuziehen und mit Sommer-Beany und einer einfachen Brille, etwas von seiner bekannten Identität abzuschwächen. Zumindest würde man ihn so nicht gleich auf Anhieb erkennen, schaute er nun eher aus, wie ein junger chinesischer Studenten Tourist, wenn man nicht zu genau hinsah.

„Als wäre ich der Einzige, der hier Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde.", hatte dieser ihm allerdings noch mit einem stichelnden Unterton mitgeteilt, nur um daraufhin vor ihn zu treten und ihm ohne Scheu durch die Haare zu wuscheln. Dann hatte er ihm seine Brille abgenommen und aufgefordert, das dunkle Jackett auszuziehen.

Schließlich knöpfte er ihm noch Hemdmanschetten auf und raffte die Ärmel ein stückweit nach oben.

Mit einem letzten prüfenden Blick nickte er zufrieden.

„Schon besser."

Sie hatten den Wagen in dem angrenzenden Parkhaus untergebracht. Er hatte auf einem der oberen Decks geparkt, von dem aus ihnen schon die bunten Dächer der unzähligen Stände ins Auge fielen, die verbunden mit den Lichtern des Marktes, beinahe etwas Märchenhaftes vermittelten. Krist nahm die Gelegenheit wahr, die ihnen die Aussicht hier bot und machte ein paar Bilder mit seinem Smartphone, bevor er sich ihm mit einem zufriedenen Schmunzeln wieder zuwandte und sie das Parkhaus verließen.

Was diesen Markt ebenfalls zu etwas Besonderen machte, war seine mannigfaltige Auswahl an Global Cuisine, das von traditioneller thailändischer Küche, bis hin zu internationalen Gerichten aller Art reichte, dass es sich lohnte Hunger mitzubringen.

Es war auch nicht das übliche Flair eines simplen Straßenmarktes, sondern hatte eher etwas von einem übergroßen Flohmarkt, mit all den Secondhand- und Vintage-Angeboten, die man hier erwerben konnte.

Sie bewegten sich gemächlich durch die Menge, fand Krist immer etwas das seine Neugier oder sein Interesse weckte.

Es war zeitweilen amüsant ihn dabei zu beobachten.

Wenn er mit großen Augen etwas inspizierte, wie diese seltsame Kuckucksuhr, die er drehte und wendete, als gäbe es ein verstecktes Geheimnis darin zu entlüften. Die alte Dame, die diesen Stand führte, hatte sie ihm schließlich abgenommen und mit einem separaten Schlüssel aufgezogen. Der Kuckuck, der daraufhin aus seinem Kämmerlein geschaut kam, hatte Krist dieses kindliche Funkeln in die Augen gelegt, während er ihm die Uhr mit einem freudigen Grinsen zugedreht hatte, damit auch er diesem Spektakel folgen konnte.

Krist hatte die Uhr nicht gekauft, aber dafür eine Perlenhalskette die er seiner Mom schenken wollte.

Anschließend hatte er sich für ein Schälchen Bua Loi entschieden.

Singto hatte leicht den Kopf darüber geschüttelt, was ihm einen schmollenden Ausdruck von Krist eingebracht hatte, bevor dieser ihm, reichlich unerwartet, einen Löffel der bunten Kügelchen vor die Nase hielt. Er war so überrascht von dieser Geste gewesen, das er es angenommen hatte, ohne wirklich darüber nachzudenken.

Krist strahlte zufrieden über seinen Erfolg, der auch darauf beruhte, dass er ihn nun nicht mehr aufziehen konnte, nachdem er selbst davon gekostet hatte.

Es wurde geschäftiger um sie herum, je länger sie sich umschauten, was es schwieriger machte zusammen zu bleiben, wenn man nicht aufpasste.

Wieder war es Krist der dieser Situation entgegen wirkte, indem er ihm bei einer seiner Entdeckungen einfach am Ärmel griff und ihn in die Richtung mitzog in die er zu gehen gedachte.

Es war ein Stand mit allerlei Figuren die zwischen Kitsch bis hin zur dezenter Raum oder Garten Dekoration reichten. Singto hatte keine Ahnung was Krist hier ins Auge gefallen sein mochte, aber er ließ ihm seine Zeit. Eine eingehende Nachricht lenkte seine Aufmerksamkeit darauf und er sich auf sein Smartphone konzentrierte.

Nicky hatte ihm geschrieben.

Erneut gab es Probleme.

Er atmete etwas frustriert durch. Solche Dinge waren immer ein Ärgernis, das man nicht ignorieren sollte.

Nach einer knappen Antwort, steckte er das Gerät wieder weg.

Er vertraute darauf, dass die Jungs es im Griff hatten.

Krist indes schaute ihn abwartend an, hatte er sich wohl genug umgesehen und sie zogen somit weiter.

Mit einer guten Portion Hähnchenspieße, setzten sie sich schließlich etwas abseits des Treibens.

Es blieb eine Weile Still zwischen ihnen, während sie sich ihren Imbiss widmeten.

„Danke.", hörte er Krist irgendwann sagen. „Es tat wirklich gut, mal einfach etwas umherzuziehen." Singto nickte verstehend. „Ich hätte da noch eine Idee. So als Abschluss des Abends.", bot er ihm an, dem Krist mit einem kurzen Schulterzucken begegnete. „Warum nicht."



Prachaya hatte daraufhin ein kurzes Gespräch mit jemandem am Telefon geführt und brachte ihn, nach einer ungefähr zehnminütigen Fahrt, zu einem der schickeren Hotels der Stadt.

Dieser hatte sich auch noch nicht erklärt, als sie den Fahrstuhl betraten und die letzte Etage des achtzig stöckigen Gebäudes ansteuerten.

Sobald sich die Türen wieder auftaten wusste Krist, wo sie sich befanden und folgte Prachaya, der sie etwas abseits des eigentlichen Herzens der Sky Bar brachte. Ein junger Mann der dem Personal hier zugehörte, schien ihn schon zu erwarten und wies ihnen den Weg zu einem etwas abgeschiedenen Teil des Daches, der anscheinend dafür gedacht war, bestimmten Gästen etwas Privatsphäre zu ermöglichen.

Wie es aussah, hatte Prachaya da wohl Beziehungen spielen lassen, was womöglich mit diesen Anruf zu tun gehabt haben könnte, den dieser vorhin getätigt hatte.

Krist war es ganz recht, das sie hier unter sich sein konnten. Es gab ihm die Gelegenheit, einfach nur entspannt die herrliche Aussicht über die Stadt zu genießen. Von hier oben, hatte man sicherlich einen tollen Blick auf den Sonnenuntergang. Er sollte es sich merken und vielleicht genau deswegen noch einmal hier her kommen, wenn es die Zeit zuließ.

Die junge Bedienung war gerade dabei sich wieder zu entfernen, was Krist eine enttäuschte Schnute ziehen ließ, hätte er gern einen Drink für sich geordert.

Somit setzte er sich einfach auf einen der gemütlichen Loungsessel und schaute weiterhin auf das Panorama vor ihm.

Ein leises, dumpfes Geräusch ließ ihn kurz darauf neben sich schauen. Prachaya hatte ihm ein Glas hingestellt, was Krist ihn etwas überrascht anschauen ließ, als er es dann auch in die Hand nahm.

„Gin-Tonic?", stellte er dann ebenso überrascht fest, war es genau das was er hätte bestellen wollen.

Es war stets das erste Getränk, das er in einer Bar wählte.

Eine Art Gewohnheit sozusagen.

Es verwunderte ihn das Prachaya dies ebenso zu wissen schien, aber womöglich hatte er es ihm auch irgendwann einmal erzählt, bloß erinnerte er sich nicht mehr daran. Das Prachaya ein äußerst aufmerksamer Mensch war, hatte er ja schon feststellen dürfen. Dieser schien sich selbst die kleinsten Dinge einzuprägen. Aber es sollte ihn so gesehen auch nicht überraschen, war solch eine Eigenschaft in diesem Job eine gewünschte Voraussetzung.

Zufrieden nippte er an seinem Drink, während er über die letzten Stunden nachdachte.

Es war lange her, das er sich in der Öffentlichkeit so ungezwungen hatte fühlen können.

Als Prachaya fragte, ob er ihm Gesellschaft leisten könne, war ihm bewusst, dass er ihn nicht einfach allein losziehen lassen wollte. Immerhin hatte ihn P'Yui in erster Linie dafür eingestellt, das er ein Auge auf ihn hatte.

Doch auch wenn es so war, störte er sich nicht daran, dass dieser fragte.

Er war sogar froh darüber gewesen, den Abend nicht allein verbringen zu müssen.

Krist stahl einen Blick auf den Mann der ebenfalls in einem der Sessel saß und erneut mit seinem Smartphone beschäftigt war. Er trug seine Haare noch immer so, wie er sie ihm zurecht gemacht hatte.

Es verlieh ihm einen etwas ungezwungeneren Touch.

Außerdem stand es ihm recht gut.

Ohne dessen Brille, war sein Gesicht ebenso etwas sanfter in seinem Ausdruck und je länger er ihn anschaute, umso mehr zwängte sich wieder der Gedanke nach vorn, dass dieser ihm irgendwie bekannt vorkam.

Jener schien nun auch zu merken, dass man ihn anschaute und erwiderte den Blick mit einer fragenden Miene.

Mit einem verlegenen Räuspern wendete Krist sich von ihm ab und widmete sich wieder seinem Drink.

Sie sprachen nicht viel miteinander, dennoch war es keine Atmosphäre die unangenehm erschien.

Krist merkte, dass er etwas abdriftete, nun wo er zur Ruhe gekommen war und bevor er es wirklich realisierte, befand er sich in einer ihm unbekannten Umgebung wieder. Die Person vor ihm jedoch, war jemand den er nicht aus seiner Erinnerung hatte verbannen können, egal wie sehr er es auch die letzten Jahre versucht hatte.

Er spürte, wie ihm über das hektische Schlagen seines Herzens übel wurde.

Er wollte so schnell wie möglich weg von ihr, nur um festzustellen, dass er einzig von einem Raum in den nächsten stolperte ohne einen Ausgang zu finden.

Die Szene rückte weiter und er nahm wahr, wie ihn jemand am Handgelenk packte. Ein Ekelschauer zog über seinen Körper, als man ihn betatschte und er einfach nicht die Kraft aufbringen konnte, sich dem zu entziehen.

Sein Puls schien nicht heftiger schlagen zu können, als man ihn dazu zwingen wollte sich ausziehen zu lassen.

Mit einem Ruck schreckte er auf und hörte durch den Schleier, der seinen Geist umgab, das Zerschellen von Glas neben sich.

Eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn zusammen- und wegzucken, das er beinahe noch zu Boden gefallen wäre über diese hektische Aktion.

Seine Augen stachen unangenehm, sodass er sich rasch abwandte, um sich nicht lächerlich zu machen, würde er jetzt hier einfach so anfangen zu heulen.

Es war ewig her, das er solch einen intensiven Traum über dieses Ereignis, über diese Person, hatte und doch ging es ihm wieder bis ins Mark.

Selbst nach all der Zeit.

Er hätte dieses Vorsprechen einfach sein lassen sollen!

Als es ihm gelungen war, den Vorfall in dieser Bar routiniert zu verdrängen, hatte er sich in der falschen Sicherheit gewiegt, das seine verbissene Ignoranz gleichzusetzen mit dem Hinweggekommen jener alten Schande sein musste.

Doch nun sah er sich selbst nur wieder als einen einfältigen Narren.

Jemand hielt ihm ein weiteres Glas vor, dessen Inhalt er als Wasser ausmachen konnte. Mit einem knappen Nicken nahm er es entgegen und leerte es mit zittriger Hand.

Mit gesenkten Kopf versuchte er sich wieder vollends zu sammeln.

Dabei war dieser Abend doch erst so angenehm ausgeklungen.

„Möchten sie zurück?", hörte er Prachaya mit einfühlsamer Stimme fragen, worauf er aber nur den Kopf schüttelte.

Er brauchte noch einen Moment.

„In Ordnung. Lassen sie sich Zeit Khun."

„Krist." Erwiderte er etwas fester klingend.

„Nenn sie mich einfach Krist. Ginge das?" Ihm lag auf der Zunge seine plötzliche Bitte weiter zu erklären. Dass er es irgendwie Leid war, das sie sich trotz allen Ereignissen, die sie nun schon zusammen erlebt hatten, immer noch so unterkühlt ansprachen. Es gab ihm immer wieder das Gefühl von Ablehnung.

Ganz egal, wie er zu Beginn noch empfunden haben mochte, er wollte endlich deutlich machen, dass er ihren schlechten Start bedauerte. Dass er gern so etwas wie ein Freund für den anderen sein wollte. Nicht nur ein Job.

Das hatte ihm der heutige Abend nur noch etwas mehr bestätigt.

Das Ausbleiben einer Antwort von Prachaya ließ allerdings annehmen, dass dieser kein Interesse daran hatte, ganz gleich wie locker ihr Umgang ab und an auch schon mal gewesen war.

„Verstehe." Krist verschränkte seine Hände hinter seinem gesenkten Kopf, fühlte er sich durch diese stumme Zurückweisung nur noch niedergeschlagener.

Er merkte erst das Zittern seines Körpers, als Prachaya ihm sein Jackett umlegte, das er vorhin wieder angezogen hatte, bevor sie hier herauf gekommen waren.

Es wäre schön gewesen diese Geste damit zu deuten, dass dieser sich um ihn als Mensch Sorgen machte, aber letztendlich war es wohl wieder nur dessen Pflichtbewusstsein und nichts anderes.

Er fühlte sich nicht zum ersten Mal unsäglich einsam und zog das Jackett etwas enger um sich zusammen.

Das er Prachaya nicht einschätzen konnte, erinnerte ihn nur noch mehr daran, warum er sich gerade in solch einem Zustand befand.

„Ich war noch am Anfang meiner Karriere.", begann er zu erzählen, drückten sich die fauligen Erinnerungen noch immer so vehement nach vorn, das er einfach nicht wusste, wie er es verarbeiten sollte, außer sie auszusprechen.

„Man kann mit Recht sagen, dass ich ziemlich naiv war, aber ich war auch so voller Tatendrang diesen Weg gehen zu wollen, das ich einiges gar nicht wahrgenommen habe, oder wahrnehmen wollte.

SOTUS war kein Meisterwerk, aber ein Einstieg.

Man fand mich gut genug, um mir danach weitere Möglichkeiten zu geben mich zu behaupten und ich nahm was ich kriegen konnte. P'Yui hatte sich angeboten, mir etwas auszuhelfen, bis ich einen eigenen Manager finden würde und ich war dankbar für ihre Unterstützung.

Irgendwann bekam ich dann endlich ein Angebot für einen Film. Man sagte mir, dass ich perfekt für eine der Rollen wäre und natürlich trieb mich das an, auch beweisen zu wollen, dass man sich nicht geirrt hatte.

Khun Somchai, der Regisseur, zeigte sich stets unterstützend und aufbauend und ich ließ mich gern von ihm leiten.

Ich wusste, ich hatte noch so viel zu lernen und es konnte mir damit oft nicht schnell genug gehen.

Itthipat war mein Drehpartner und wir verstanden uns sofort.

Das Somchai mir stets mehr Beachtung zukommen ließ, als den anderen am Dreh, erklärte ich mir damit, dass ich wohl noch die meiste Führung benötigte. Itthipat meinte mehr als einmal, dass es für ihn seltsam erschien, hatte er nicht das Gefühl, das sich mein Talent derart im Rückstand befand, wie es unter der ständigen Anweisung von Somchai den Anschein erweckte.

Ich hingegen war einfach nur dankbar, dass man sich die Mühe machte mich Formen zu wollen und das trotz eines streng geregelten Zeitplans.

Zurückblickend betrachtet habe ich wirklich einige Dinge einfach nur ignoriert, weil ich keinen Ärger heraufbeschwören wollte. Sei es eine Hand die irgendwo ständig auf mir zu ruhen schien, wenn er mit mir sprach, oder das unnötige Näherkommen, wenn er mir etwas erklärte.

Alles was mir wichtig war, war das ich zeigen konnte, dass ich im Stande wäre Anforderungen auch zu erfüllen.

Als wir schließlich den Dreh beendet hatten, gab es eine gebührende Abschlussfeier und natürlich war jeder der mitgewirkt hatte dabei.

Es war ein angenehmer Abend und über meine Euphorie, über dieses abgeschlossene Projekt, habe ich mich etwas zu sehr gehen lassen.

Das nächste an was ich mich erinnerte war, das mich Somchai aufgesammelt hat und anbot mich nach Hause zu bringen.

Nur kam ich da nicht an." Hier hielt er kurz inne in seiner Erzählung, und verkrampfte seine Finger beinahe schmerzhaft in dem dunklen Stoff den er noch immer um sich gezogen hielt.

„Ich wachte in einem mir unbekannten Zimmer auf. Jemand hatte mir meine Sachen ausgezogen...

Ich fühlte mich noch immer ziemlich mitgenommen von all dem Alkohol und verstand meine Situation zuerst nur träge.

Er machte keinen Hehl daraus, was er mit mir vorhatte und ich war nicht in der Lage mich ausreichend zur Wehr zu setzen.

Darüber habe ich letztendlich einfach abgeschalten und als ich wieder halbwegs zu mir fand, war er bereits verschwunden. Der Bastard hatte sogar den Nerv mir Geld hinzuwerfen. Als wäre ich nichts weiter, als eine billige Hure gewesen.

Letztendlich war es meiner eigenen Feigheit zuzuschreiben, dass er davon kommen konnte, da ich es zu lange für mich behalten habe und danach nichts mehr nachgewiesen werden konnte.

P'Yui war außer sich, als sie erfuhr was passiert war. Ich weiß, dass sie sich Schuld daran gibt, weil sie mir diese Rolle verschafft hatte. Ich habe es nie so gesehen, schließlich war es meine Naivität und Ignoranz, die es ihm derart leicht gemacht hat.

Danach habe ich nie wieder eine Rolle angenommen, in der ich einem Mann hätte näher kommen müssen..." Auch wenn er gelernt hatte, es auf eine nicht romantische Art wieder zulassen zu können. Aber es war ein beschwerlicher Weg gewesen, der ihm beinahe seinen Traum gekostet hätte.

„Ich dachte, ich hätte nach all der Zeit damit abgeschlossen. Dieses Vorsprechen heute; ich hoffte, ich bekäme es hin, doch stattdessen brachte es nur alte Dämonen zurück." Krist hatte keine Ahnung, warum er Prachaya das alles erzählte, womöglich weil er von ihm nichts zu erwarten hatte und er sich einfach irgendwo ausheulen musste, in der Hoffnung etwas von diesem beklemmenden Gefühl loswerden zu können.

Doch er musste feststellen, dass sich nichts daran geändert hatte. Dass er sich noch immer irgendwo verloren fühlte.

„Khun..." Krist spürte wieder das leichte Brennen seiner Augen.

Nichts hatte sich geändert...

Er war noch immer schwach und an dieses Ereignis gebunden, genau wie Prachaya nicht zu vertraut mit ihm umgehen wollte.

„Krist.", hörte er ihn folglich sanfter sagen.

„Lass uns gehen."

Wildfire start with a kiss (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt