Kapitel 12

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Der Abend des Wohltätigkeit-Events war gekommen und Krist zupfte sich wiederholt an seiner Krawatte herum, bis ihn Itthipat leicht auf die Finger klopfte, um ihn endlich davon abzubringen.

Er fühlte sich jetzt schon ausreichend gestresst, hatte er schon für etliche Fotos lächeln müssen und dutzende Leute begrüßt, von denen der ein oder andere auch kurz mit ihm hatte schwatzen wollen.

Das Übliche eben.

Er war wirklich froh, dass Itthipat mit ihm zusammen gekommen war und er sich nicht gänzlich allein durch die Menge hatte drängeln müssen.

Sein Freund wusste, dass er solche Veranstaltungen nicht besonders mochte, dabei hatte das Ganze Spektakel gerade erst einmal angefangen.

„Ai Krist", hörte er es dann auch schon rufen und ehe er sich versah, hatten sich Off's Arme um ihn geschlungen, wie um ein Kuschelkissen.

Krist japste etwas angestrengt in dieser Umklammerung, die gar nicht zu Ende gehen wollte.

Er klopfte Off schließlich auf den Rücken, um anzudeuten, dass es genug war, bevor ihm wirklich die Luft ausging.

Off schob ihn etwas von sich und beäugte ihn mit einem seiner typischen Grinsen.

„Mein Baby, schau wie niedlich er noch immer ist und das nach all den Jahren." Krist rollte ergeben mit den Augen über Off's Albernheit. Seit sie damals zusammen in SOTUS aufgetreten waren, hatte er es nicht lassen können, ihn sein Baby zu nennen, als wäre dieser so etwas wie seine inoffizielle Business-Mom.

Dann fiel ihm Off's Outfit ins Auge und er schüttelte leicht amüsiert den Kopf. Es war nicht der Senfgelbe Anzug, dafür aber ein Ensemble, das mit einem tropischen All-Over Print auftrumpfte.

Es war so typisch Off.

Er war zudem auch der Einzige den er kannte, der so etwas mit ausreichend Selbstbewusstsein zu solch einem Anlass trug. Er war wie der Pfau in einer Herde dunkler Designer Monturen und stach somit immer sofort hervor. Einzig die Ladies konnten ihm, in der Farbvielfalt, noch das Wasser reichen.

Off hatte wie immer eine Menge zu erzählen und so gesehen störte es ihn auch nicht. Es war immer ganz interessant, was diesem alles so wiederfahren war. Außerdem war er somit beschäftigt und blieb vorerst von der Prozedur des oberflächlichen Smalltalks mit anderen Gästen verschont.



Der Abend zog dahin.

Off hatte sich ein neues Opfer gesucht und Krist atmete ersteimal durch. Er nahm einer der umherwandernden Bedienungen ein Glas mit Sekt von dem Tablet und zog sich ein wenig zurück, um dem Trubel mehr von der Seitenlinie her zuzusehen.

Er erkannte Khun Anawat, der wohl schon wieder etwas zu viel des guten Alkohols intus hatte, schaute die Dame, mit welcher er sich gerade unterhielt, auch nicht gerade angetan von seinen Offerten. Schließlich ließ sie ihn stehen. Krist konnte es zwar nicht hören, aber der abfällige Begriff den Khun Anawat daraufhin von sich gab, konnte er von dessen Lippen ablesen.

Im Gegenzug, hatte Itthipat mehr als nur eine entzückte Dame um sich geschart.

Einigen anderen Herren schien da etwas der Neid ins Gesicht geschrieben.

Krist schmunzelte über dieses nicht unübliche Bild.

Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass gerade Mal eine Stunde verstrichen war und er seufzte etwas müde.

Jemand stellte sich neben ihn und Krist raunte innerlich, hatte er gerade kein Interesse sich mit jemandem zu unterhalten. Aber unhöflich wollte er genauso wenig sein. Also straffte er sich und strahlte der Dame, die sich als Journalistin für eines der bekannteren Modemagazine vorstellte, charmant entgegen.

Eine weitere halbe Stunde später und er war auf dem Weg zu den Waschräumen. Er langweilte sich und weil er nichts Besseres zu tun hatte, zog er sein Smartphone hervor und schickte einen simplen

„Ich würde jetzt lieber ne Runde Videospiele spielen wollen."- Text an P'Sing und verstaute sein Telefon wieder in seinem Jackett.

Da er zusammen mit Itthipat hier her gekommen war, hatte dieser ihn nicht fahren müssen.

P'Sing war womöglich auch ganz froh darüber, nicht ständig parat sein zu müssen, bei solchen Anlässen.

Er war gerade wieder zurückgekehrt, als ihm jemand ein weiteres Glas Perlwein vorhielt.

Krist konnte ein überraschtes Strahlen, über die Person hinter dieser Geste, nicht verhindern.

„Gun? Meine Güte, es ist ewig her, dass wir uns gesehen haben.", begrüßte er den Mann vor sich erfreut, was ihn ein schüchtern wirkendes Lächeln von Gun einbrachte.

Sie kannten sich ebenso durch ein gemeinsames Projekt aus seinen Anfängen, doch leider hatte sich der Kontakt etwas verloren, nachdem Gun nach Korea gegangen war, um dort seinem Traum eines professionellen Stylisten nachzugehen.

„Hey. Ich hatte schon befürchtet, du würdest mich gar nicht mehr kennen.", gestand Gun etwas verschämt, fühlte er sich wohl schuldig, dass er ihre Freundschaft so hatte schleifen lassen.

Krist schmunzelte verstehend. Jeder hatte schließlich seine eigenen Ziele und er würde einem alten Freund nicht vorhalten sich rar gemacht zu haben, wenn er selbst wusste, wie viel Zeit die Erfüllung eines Traumes in Anspruch nehmen konnte.

„Red keinen Quatsch. Ich freu mich dich zu sehen." Damit legte er dem anderen einen Arm über die Schultern und zog ihn etwas an sich.

„Erzähl, wie ist es dir die letzten Jahre so ergangen?"



Er hatte über das Plaudern mit Gun etwas die Zeit aus den Augen verloren, bis sich schließlich Off wieder zeigte.

Beim Anblick von Gun geriet er allerdings ins Stocken.

Die beiden hatten eine etwas holprige Vorgeschichte. Auch wenn Krist nicht die genauen Umstände kannte, wie die Dinge am Ende zwischen ihnen verlaufen waren, war ihnen anzusehen, das sie sich momentan etwas unbeholfen zu fühlen schienen, dem jeweils anderen gegenüber zu stehen.

„Ich hol mir noch was von dem hier." Damit hielt er seine Sektflöte ein Stück nach oben und ließ die beiden erst einmal allein.

Es machte den Anschein, als könnten sie etwas Zeit für sich gebrauchen.

Das Vibrieren seines Smartphones, ließ ihn kurz innehalten in seiner Mission.

„Wann darf ich ihre Hoheit denn zurück chauffieren?" Krist grinste keck über diese Nachricht von P'Sing, hatten sie sich ausgemacht, dass dieser ihn von hier abholen würde, da er Itthipat's Aufenthalt nicht von seinem abhängig machen wollte.

Schließlich wählte er dessen Nummer an und schon nach dem ersten Klingelzeichen nahm der andere ab.

„Ich werde wohl schon vermisst, hm?", startete er ihr Gespräch, was ihm nur ein verhaltenes Raunen von P'Sing einbrachte.

Krist seufzte etwas enttäuscht. „Du weißt, ich kann mir auch ein Taxi rufen. Das bekomme ich noch hin."

„Nun bin ich schon in der Gegend. Tay traute sich nicht allein zu seinem Date mit Khun New." Ein energisches „Hey!", war im Hintergrund zu hören, was eindeutig von Tay stammte. „Es ist kein Date, sondern eine Einladung, da er befördert wurde.", klang Tay's Stimme nun viel klarer, als habe er P'Sing sein Telefon abgenommen, um das persönlich klarzustellen.

„Nun gib schon wieder her.", hörte er P'Sing murren und Krist lachte über diese typischen Querelen dieser Kerle.

„Wie ist die Feier? Irgendwelche Erfolge an der Flirtfront Khun?", stichelte ihn P'Sing, was Krist abwertend schnalzen ließ. „Sehr witzig.", moserte er und schon hatte er wieder Tay im Ohr, der da meinte, dass er nicht auf P'Sing hören solle, da dieser ein verkappter Idiot sei.

„Tay!", vernahm er das gefahrverheißende Zischen von P'Sing, dem ein triumphales und sich entfernendes Lachen von Tay folgte.

„Ich mach mich auf den Weg." Krist war sich nicht sicher, ob dieser ihn damit angesprochen hatte oder es Tay galt, doch war das Gespräch damit beendet und Krist suchte sich seinen Weg weiter durch das Pulk an angeheiterten Gästen.

Es war ein wenig später, das sein Telefon sich erneut meldete und er annahm es wäre P'Sing, der ihn über seine Ankunft informieren wollte. Doch es war Itthipat's Namen den er auf dem Display sah, was ihn etwas irritiert die Augenbrauen zusammen ziehen ließ, während er das Gespräch annahm.

„Hey, was..."

„Krist, wo bist du gerade?", begann dieser ohne Umschweife, was Krist nur noch merkwürdiger erschien, klang Itthipat auch etwas aufgewühlt. War etwas vorgefallen, das er ihn nicht hatte aufsuchen können, um mit ihm zu reden?

„Ich bin vor der Bühne, links. Was ist los?"

„Geh auf den Balkon, so schnell wie möglich, verstanden! Ich hol dich dort ab." Dann war auch dieses Gespräch abrupt zu Ende und Krist konnte dem Ganzen nicht wirklich folgen.

Dennoch schlug er seinen Weg zum Balkon ein. Aber vielleicht konnte er Itthipat ja schon in dem Getümmel ausmachen und ihm entgegenkommen.

Das Rauschen in seinen Ohren kam so abrupt, wie auch das Gefühl das sämtliche Energie aus ihm verschwunden sei, als seine Aufmerksamkeit eine Person erfasste, von der er gebetet hatte sie nie wieder sehen zu müssen.

Es ließ ihn wie angewurzelt an seinem derzeitigen Platz stehen bleiben, sein Blick auf den ergrauten Mann gerichtet, den er auch wiedererkennen würde, wenn er dreißig Jahre gealtert wäre.

Somchai zeigte sich mit einer selbstgefälligen Ausstrahlung, während er mit einem jungen Mann sprach und Krist ein immenser Ekelschauer überkam, als dieser seine Hand auf dessen Unterarm legte und dieses falsche väterliche Lächeln zeigte.

Es widerte ihn an!

All die Jahre hatte er damit zugebracht, alle optischen Details, die diesen Vorfall anbelangten, so milchig werden zu lassen, um wenigstens etwas von diesem verheerenden Ballast wieder abstreifen zu können. Und nun sah er es erneut so deutlich vor sich, als wäre er selbst der junge Mann, der sicherlich nicht erahnen konnte, wen er da vor sich hatte.

Es war wie ein Déjà-vu, nur das er es als Zuschauer erlebte.

Es erfüllte ihn mit einem zähen Mix aus den verschiedensten Emotionen.

Es verlangte ihn danach hinüber zu gehen und Somchai in Grund und Boden zu prügeln.

Wie es ihm auch danach verlangte, ihn einer noch größeren Erniedrigung aussetzen zu wollen, wie er sie durch ihn hatte erdulden müssen, und mit der dieser letztendlich zu leben hätte.

Doch genau so sehr war ihm danach, sich verkriechen zu wollen. So zu tun, als habe er nichts gesehen.

Und doch stand er einfach nur da, ohne das der Auslöser seiner Handlungsunfähigkeit sich auch nur ansatzweise scherte, was er gerade durchmachte.

Es war der Moment, als Somchai den Kopf in seine Richtung wandte, das Krist glaubte, jeden Moment, auf die eine oder andere Weise, die Kontrolle zu verlieren, als ihn jemand am Arm packte und ihn ruckartig umdrehte.

Itthipat schaute ihn mit äußerster Besorgnis an, während er sein Gesicht behutsam zwischen seinen Händen hielt.

„Es tut mir leid. Ich war zu spät.", brachte dieser mit Schuld beladener Stimme hervor, doch Krist verstand kein Wort.

Er hatte keine Ahnung, was Itthipat meinte.

Warum er ihn so ansah.

Nichts von Belang war geschehen.

Gar nichts...

Krist spürte den Schmerz in seiner Hand und alles was er damit verband war Erleichterung.

Itthipat's verärgertes „Verdammt.", nahm er ebenso nur am Rand für sich wahr.



Es schien wirklich nie ein gutes Zeichen, wenn er anstatt Krist, einen seiner Freunde über dessen Telefon zu hören bekam.

Khun Thanit hatte ihm gesagt, wohin er kommen sollte und er war nun mit zügigen Schritten dorthin auf dem Weg.

Die Veranstaltung war noch immer im vollen Gange und er spürte den ein oder anderen neugierigen Blick den man ihm zuwarf.

Khun Thanit hatte ihn zum Waschraum des Personals gelotst, mit seinen Anweisungen. Er klopfte drei Mal wie ausgemach, als sich die Tür schließlich öffnete und er eintrat.

Rasch zog er diese wieder zu, um unnötige Störungen zu vermeiden.

„Was ist passiert?", erkundigte er sich zugleich, während er sich vor Krist hockte, der auf einem hüfthohen Sims saß und ihn nicht einmal zu bemerken schien.

Singto's Aufmerksamkeit rutschte auf dessen rechte Hand, um die sich ein provisorischer Verband gebunden befand.

Khun Thanit hatte noch immer nichts erklärt und es machte Singto merklich ungehalten.

„Also!", gab er in einem schneidenden Ton von sich, worauf sich Khun Thanit jedoch nur hilflos erscheinend über sein Gesicht fuhr.

„Alles was ich sagen kann ist, das er eine Begegnung hatte, die ihn ziemlich mitgenommen hat. Deswegen..." Er deutete mit einer Hand auf Krist.

Singto überkam sofort ein ungutes Gefühl, bei dieser vagen Information.

„Wie ist der Name dieser Person, der er begegnet ist?" Erneut zögerte Khun Thanit mit seiner Antwort, gab sie ihm nach einem Durchatmen aber dennoch.

„Somchai."

Schlagartig zeigte sich Anspannung in Krist's Körper über diesen Namen und er krampfte seine verletzte Hand fest zusammen, auf das sich der Verband leicht Rot zu verfärben begann.

Singto spürte eine deutliche, innere Wut, über die Person die für Krist's Zustand verantwortlich war.

„Krist.", versuchte er folglich sein Glück und suchte den Blick des anderen.

Es dauerte einen Moment, aber als sie sich ansahen schien Erkenntnis über Krist zu kommen und er schenkte ihm ein freudloses Lächeln.

Singto griff vorsichtig nach der geballten Faust und versuchte behutsam dessen Finger zu lockern, damit er sich nicht weiter selbst damit quälte. Zu seiner Erleichterung ließ Krist es zu und Singto lächelte dankbar darüber.

„Bereit nach Hause zu gehen?", fragte er folglich, was Krist kurz nachdenken ließ.

„Nach Hause, nein. Weg von hier, ja." Singto nahm es als positives Zeichen, das Krist ihm sagte was er wollte.

„In Ordnung."



Sie hatten es ohne weiteres Aufsehen zum Wagen geschafft.

Khun Thanit hatte ihm noch erklärt, das Krist's Verletzung von einen zersplitterten Glas herrührte, das dieser in seiner Hand, wohl aus Schock über die Situation, zum Bersten gebracht hatte.

Khun Thanit hatte sich soweit darum gekümmert, wie es ihm vor Ort möglich gewesen war, was nicht bedeutete, das Singto nicht selbst noch einmal nachsehen wollte, ob es tatsächlich nichts Schlimmeres wäre, als ein paar Schnittwunden.

Wie immer öffnete er Krist die Hintertür, was diesen jedoch den Kopf schütteln ließ und er sich selbst auf den Beifahrersitz begab. Singto war dies nur Recht, hatte er ihn so auch viel besser im Blick.

Er setzte sich schließlich neben ihn, und forderte ihn folglich auf, ihm seine Hand zu zeigen.

Krist tat dies ohne ihn anzusehen, oder überhaupt seinen Kopf in seine Richtung zu wenden.

Mit Bedacht entfernte er die Bandage und konnte nach sorgfältiger Inspektion erleichtert feststellen, das Khun Thanit nicht gelogen hatte.

Es sah nicht schön aus, aber kein Schnitt schien wirklich so tief gegangen zu sein, dass man ihn hätte nähen müssen.

Trotzdem sollte man die Wunden noch mal versorgen.

Sein Smartphone sagte ihm, das er eine Nachricht erhalten hatte, der er sich eher beiläufig widmete.

Arm hatte gebeten, dass er bei ihm vorbei kommen sollte. Auch wenn es ihm wichtiger war, sich um Krist zu kümmern, gab er sein ok. Sein Ziel lag nicht unweit von hier und es würde reichen sich dort nochmals Krist's Verletzungen anzunehmen.

Auf diesen Hinweis, nickte Krist lediglich und sie machten sich auf den Weg.

Er kam nicht umhin immer noch immensen Frust zu verspüren, dachte er an diesen Kerl Somchai.

Nachdem ihn Krist damals in diese Sache eingeweiht hatte, hatte er sich später mit P'Yui in Verbindung gesetzt um herauszufinden, warum man diesen Bastard nicht hatte zur Rechenschaft ziehen können.

P'Yui hatte mit einer Erklärung gehadert, schien dann aber doch der Meinung, dass sie es ihm erzählen konnte.

Das Problem war schlicht und einfach, das Krist niemanden sofort davon erzählt hatte. Es war verständlich, dass er sich enorm schämte und dies mit keiner Seele teilen wollte. Somit waren körperliche Beweise schon wieder verschwunden, als alles ans Licht kam. Und das auch nur, weil Krist unter all der psychischen Belastung irgendwann nicht mehr funktionieren konnte. P'Yui hatte sich ebenso Vorwürfe gemacht, nicht eher bemerkt zu haben, das etwas mit ihm nicht stimmte. Es war Khun Thanit, der Krist schließlich konfrontierte und nach einer Mutmaßung, die er mit Somchai verband, dessen Damm zum Brechen gebracht hatte.

Krist hatte alles einfach nur vergessen wollen, was es schwierig machte etwas in die Wege zu leiten, damit Somchai bekommen konnte was er verdiente.

Das frustrierende Ende des Liedes war, das man ihm nichts beweisen konnte.

Doch dem nicht genug!

Dieser Mistkerl hatte es schließlich noch so gedreht, als hätte Krist sich an ihn herangeworfen.

Der noch unbedeutende Newcomer, der seine Reize spielen ließ, um sich nach oben zu schlafen. Hätte man es dennoch darauf angelegt ihm etwas anzuhaben, hätte solch eine Behauptung Krist's Karriere dauerhaft besudelt, wenn nicht gleich ganz ruiniert.

Niemand wollte einen Schauspieler, dem solch ein skandalöses Gerücht anhing.

Ihnen waren somit die Hände gebunden gewesen.

Es war Krist der einen Schlussstrich unter diese Sache zog und sich trotz allem weiter vorangekämpft hatte, ohne dass diese Sache je ihren gerechten Abschluss fand.

Somchai hatte sich daraufhin abgesetzt, wollte er wohl wirklich nichts riskieren und war die letzten Jahre nicht wieder aktiv geworden. Zumindest nicht in Thailand.

Singto hatte herausgefunden, dass dieser sich in Taiwan weiteren Projekten zugewandt hatte und er wollte gar nicht wissen auf welche Kosten.

Sie erreichten ihr Ziel, ohne das noch ein Wort zwischen ihnen gefallen wäre.



Ebenso schweigend folgte Krist P'Sing in das Gebäude, das sie durch die Hintertür betraten, worauf sie sich in einem Teil des Hauses wiederfanden, der an einen Clubraum erinnerte.

Es gab eine kleine, separate Bar an der rechten Seite. Das Zentrum bildete eine gemütliche und großflächige Sitzgruppe.

Es gab eine Karaoke Maschine und einen Dance Simulator. Auffällig waren außerdem die durch und durch femininen Details. Doch was ihm am meisten überraschte war das Spielzeug, das hier und da zu sehen war. Es gab sogar eine komplette Ecke, die für Kinder ausgelegt schien. Bunte, kleine Bücherregale und Sitzmöbel, Kisten voll mit allerlei Kleinkram. Und diverse Bilder die von Kinderhänden gemalt worden sein mussten, schmückten eine Tafel.

Singto gab ihm an sich zu setzen, worauf er kurz hinter der Bar verschwand und mit einer Ersten-Hilfe-Box wieder bei ihm erschien.

Krist ließ sich verarzten, während er sich weiter umschaute.

Auf dem Tisch vor ihm lagen einige Magazine, wie auch ein Kinderbuch vom Kleinen Fuchs, das er sich heranholte und mit seiner freien Hand durchblätterte.

Ein Mann mit dunklen, etwas zerzausten Haaren und einem schläfrig wirkenden Blick, betrat den Raum durch eine andere Tür und hielt kurz inne, als er sie entdeckte.

Singto wendete sich ihm kurz zu, um ihn zu begrüßen.

„Leo, das ist Khun Perawat. Wärst du so frei ihm etwas Gesellschaft zu leisten, solange ich mich mit Arm unterhalte?" Leo blinzelte auf diese Bitte hin, was den Eindruck, dass dieser etwas Schlaf gebrauchen könnte, nur noch mehr unterstrich.

„Klar.", war dessen simple Antwort. Damit begab er sich hinter die Bar.

„Was zu trinken?", bot er Krist daraufhin an, der ihm mit einem Nicken und dem Wunsch nach einem Gin-Tonic begegnete.

„Leo ist hier so etwas wie das Mädchen für alles. Sein Margarita ist wirklich zu empfehlen.", ließ ihn Singto wissen und erhob sich, als er seine Arbeit beendet hatte.

„Ich bin gleich wieder zurück.", teilte er ihm noch mit und war daraufhin verschwunden.

Krist seufzte erschöpft und lehnte sich zurück, sein Blick auf den sauber angelegten Verband gerichtet.

Er spürte, dass Pulsieren, das von seiner Hand ausging, nun doch etwas deutlicher.

Leo setzte ihm seinen Drink vor und Krist's Neugier ließ ihn fragen, wo er sich den hier eigentlich befand.

Leo war zurück hinter der Bar und goss sich selbst einen Tumbler mit bernsteinfarbener Flüssigkeit ein.

„Wir sind so etwas wie ein Escape House."

Krist schaute ihn daraufhin etwas irritiert an.

Leo lehnte sich auf die Theke und nippte an seinem Drink.

„Manche Menschen haben nicht viel Glück in ihrem Leben.", begann er zu erzählen. „Junge Frauen, die von gewalttätigen Eltern oder Partnern davon laufen und nicht wissen wohin. Junge Mütter, die niemanden haben der ihnen und ihrem Kind helfen würde. Mädchen, die ungewollt schwanger und daraufhin verstoßen wurden. Es gibt unzählige, persönliche Schicksale, die ungesehen und ungehört an einem vorbei gehen, weil es einen nichts angeht.

Diese Einrichtung hier existiert schon einige Jahre. P'Mai war eine Frau, die selbst kein Glück hatte aber auch nicht aufgeben wollte. Sie errichtete diesen Zufluchtsort für die, die ihn brauchten. Allerdings machte man es ihr nie einfach und wäre P'Sing mit seinen Jungs nicht irgendwann dazugekommen, wäre es das sicherlich gewesen.

Sie haben ein Auge auf das Haus und wenn nötig holen sie jemanden auch persönlich aus einer unangenehmen Situation heraus.

Die Mädels nennen ihn gern P(h)ra Ram." Leo schüttelte seinen Kopf mit einem Lächeln.

Krist gab ein beeindrucktes Raunen von sich über diese Geschichte. Es schien wirklich so, als gäbe es immer wieder etwas Neues über P'Sing herauszufinden und irgendwie war eines bemerkenswerter als das andere.

Der plötzliche Aufschrei einer Frauenstimme war zu hören und noch bevor Krist hatte aufstehen und dem nachgehen können, stieß jemand die Tür auf, durch welche auch er mit P'Sing gekommen war.

Ein lumpig aussehender Kerl stand nun vor ihnen, in einer Hand eine Schusswaffe, die er einer Frau an den Kopf drückte, während er sie grob mit seinem Arm um ihren Hals festhielt.

Krist erkannte sie sofort wieder.

Fon war mit ihrer Freundin zu P'Sing's Haus gekommen und hatte sich so überschwänglich gezeigt, als sie ihn entdeckt hatte.

Nun allerdings war ihr Gesicht angstgeprägt und man sah die Tränen über ihre Wangen laufen.

Es war nur einen verschreckten Augenblick darauf, das sich erneut eine Tür öffnete und er Leo das Wort „RED!", rufen hörte und dieser sich noch etwas weiter hinter der Theke verkroch.

Es waren P'Sing und Arm, die nun den Raum betraten. Beide mit einem angespannten Gesichtsausdruck versehen, während sie die Situation erfassten.

Dennoch blieben sie besonnen.

Der Eindringling presste Fon die Mündung noch etwas fester gegen den Kopf, was sie leise wimmern ließ.

„Wo ist sie!", brüllte der Unbekannte und Krist bemerkte weiterhin, wie nervös sich dieser verhielt, waren seine Bewegungen zittrig und ruckartig. Ein Blick in dessen Augen zeigten die extrem geweiteten Pupillen und das ständige Lecken über dessen blasse Lippen ließ annehmen, dass er unter irgendeinem Einfluss stand.

„Ich weiß nicht, wen sie meinen.", erwiderte P'Sing ruhig und rückte eher subtil weiter an den Fremden heran.

„Ich weiß genau, dass sie hier ist! Diese kleine Schlampe. Ich will sie wieder haben. Sie ist mein verdammtes Eigentum. Ihr Wichser habt sie mir weggenommen." Dann schüttelte der Fremde kurz apathisch seinen Kopf, während er „Das geht so nicht...das geht so nicht..." vor sich hinmurmelte. „Bringt sie her oder ich knall das Flittchen hier ab!", fasste er sich wieder und wirkte noch aggressiver als zuvor.

„Tut mir leid aber die Person die sie suchen ist nicht hier. Sie hat die Stadt längst verlassen." Wieder schüttelte der Fremde seinen Kopf energisch und uneinsichtig. „Das kann nicht sein...sie kommt niemals ohne mich zurecht. Sie ist nichts ohne mich."

„Ich kann ihnen Geld geben. Im Gegenzug lassen sie die Frau gehen und wir vergessen das Ganze hier.", bot P'Sing dem deutlich verwirrten Typen an, der sich daraufhin etwas überfordert zeigte, hatte er mit so einem Angebot wohl nicht gerechnet. Er leckte sich eifrig und unansehnlich über die Lippen.

„1000000 Baht.", verlangte er und grinste selbstgefällig, das es dessen ruinierte Zähne zeigte.

Es war ein enormer Betrag für einen Durchschnittsbürger, das war Krist bewusst, doch zeigte P' Sing kein Zögern als er dem zustimmte.

Der Fremde schien zufrieden mit diesem Deal.

„Ich werde meinen Assistenten schicken, um das Geld zu holen. Ist das in Ordnung?", erkundigte sich P'Sing, was den Fremden kurz zögern ließ. „Nur er und keine faulen Tricks oder ich knall sie ab, kapiert!" Damit gab P'Sing Arm ein kurzes Zeichen mit der Hand und dieser war dabei sich zurückziehen zu wollen, als es sich der Fremde plötzlich anders überlegte.

„WARTE!" Dessen Blick hing mit einem Mal unangenehm an Krist fest. „Der Typ mit dem Verband um die Hand, der ist doch berühmt oder sowas." Damit rückte er näher heran und zog Fon ruppig mit sich, die Waffe immer noch gefährlich auf sie gerichtet.

„Ihn!" Er machte einen Kopfzeig in Richtung Krist. „Ich will ihn als Garant, dass ihr mich nicht verarscht. Ich lass auch die kleine Hure hier gehen als Austausch." Erneut drückte er Fon den Arm fester um den Hals, was diese panisch und angestrengt nach Luft ringen ließ.

Ohne weiteres Zögern erhob sich Krist. „In Ordnung." Wieder stahl sich ein widerliches Grinsen auf das Gesicht des Aggressors.

„Nein!", unterbrach P'Sing die Situation. „Nicht ihn. Nehmen sie mich stattdessen." Der Fremde lachte irrwitzig. „Was will ich mit dir, du bringst mir nen Scheißdreck. Ihn oder bye bye Baby." Krist war klar, dass ein Kerl in diesem Zustand unberechenbar war. Also sollte man ihn auch nicht weiter provozieren.

„Ich bin einverstanden. Sie lassen sie gehen, wenn ich mitmache.", versuchte Krist die Lage zu stabilisieren.

„DIESE OPTION STEHT NICHT ZUR DEBATTE!", bestimmte P'Sing mit lauter Stimme und schenkte ihm einen durchdringen Blick auf diese Worte. Doch alles was sie damit erreichten war, den Fremden gefährlich unruhig zu machen.

„Was ist jetzt!? Oder soll ich euch alle abknallen!? Glaubt ihr ich würde es nicht tun? Ich knall euch alle ab! jeden verdammten Penner in diesem verdammten Haus!"

Es war deutlich, dass es zu eskalieren drohte, was Krist sich einfach in Bewegung setzen ließ, bis er vor dem Verrückten angekommen war.

„Lassen sie sie gehen.", verlangte er noch einmal.

Das nächste was passierte war ein ungeschickter Wechsel, indem der Fremde Fon zur Seite stieß und ihm die Waffe ins Gesicht hielt, bevor er ihn sich an seine Seite zerrte.

„Ok...ok...", wisperte der Eindringling, zufrieden mit dieser Wendung. Krist wagte es nicht P'Sing in die Augen zu sehen.

„3000000 für das hübsche Vögelchen hier. Und nicht einen Schein weniger. Ihr Fucker könnt es euch doch leisten. Es wäre doch sonst schade um so ein Schätzchen, oder?" Zu Krist's Ekel leckte dieser Spinner ihm auch noch über die Wange. Verbunden mit dem eh schon extrem unangenehmen Geruch, der von ihm ausging, konnte er ein Schaudern nicht unterdrücken.

Doch zu seiner Erleichterung hatte sich wenigstens Fon hinter die Bar retten können, wo sich Leo ihr annahm.

P'Sing indes schwieg, während er den Fremden kalkulierend anschaute.

„Was wird nun! Oder wollt ihr es drauf anlegen, huh?", wurde gemotzt, worauf sich P'Sing's Haltung änderte, indem er die Anspannung in seinem Körper löste und simpel den Kopf schüttelte.

„Das ist er nicht wert.", teilte er daraufhin mit, das Krist kurz das Herz stehen blieb. Der Junkie an seiner Seite wurde unruhiger über diese Aussage.

„Willst du mich verarschen?! Wie kann die Schwuchtel es nicht wert sein? Sein beschissenes Leben hängt davon ab! Also bringt mir das Geld!"

P'Sing schüttelte abermals den Kopf. „Ganz ehrlich, es ist mir eigentlich egal, was sie mit ihm machen. Er ist mein Boss und dazu ein verdammt nerviger. Also nur zu." Damit deutete er ungerührt auf sie. „Bringen sie es zu Ende. Dann hätte ich schon mal ein Problem weniger." P'Sing klang tatsächlich gleichgültig genug, das es überzeugend erschien, was er hier sagte.

Krist glaubte ihm dennoch nicht.

Das mit dem nervigen Boss, ok. Dass er ohne ihn weitaus weniger Ärger hätte war auch korrekt, doch glaubte er nicht das P'Sing auch nur ein einziges Menschenleben riskieren würde, wenn er es irgendwie verhindern konnte. Denn das war der Mann denn er über die letzten Monate hatte kennenlernen können. Jemand der, hinter seiner schroffen Erscheinung, ein extrem großes Herz und ebenso einfühlsames Wesen besaß.

Doch das alles wusste der Fremde nicht und zeigte sich mehr und mehr überfordert, mit dem Unwillen ihm seine Forderung zu erfüllen.

P'Sing behielt sein Poker Face bei.

„Ok, wenn es eh keinen interessiert, dann..." Krist atmete tief durch, als man den Lauf der Waffe so fest gegen seinen Unterkiefer presste, dass es schmerzte.

Krist verfolgte mit anhaltender Panik, wie P'Sing auf sie zuschritt, eine Aktion die dem Fremden so zu überraschen schien, dass er die Waffe nun auf ihn richtete, um ihn fern zu halten.

Es passierte von einer Sekunde auf die andere, das P'Sing sich aus der Schussbahn brachte, indem er sich rasch und gekonnt an dem ausgestreckten Arm vorbei schob, die Hand es Fremden umfasste und sie in einem Winkel verdrehte, das dieser die Waffe unter einem schmerzverzerrten Laut fallen und Krist los ließ.

Dieser war schnell dabei sich zu entfernen, um nicht als Hindernis zu enden.

Es folgte ein harter Ellenbogenstoß in das Gesicht des Eindringlings, der anscheinend dessen Nase zum Brechen brachte, ging man von all dem Blut aus das plötzlich über dessen Gesicht strömte und dem weiteren Gurgeln, das dieser hervorbrachte. Mit einem ebenso geschulten Griff, drehte P' Sing ihm den Arm derart heftig auf den Rücken, das ein weiteres Brüllen zu hören war, bevor der Fremde von selbst auf die Knie sackte.

Krist hatte P'Sing noch nie mit einem derart kalten und emotionslosen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen, als er den Fremden ganz zu Boden drückte, ohne dessen Arm wieder freizugeben.

„Sing! Ich denke es reicht." Es war Arm der diese Worte an seinen Freund richtete, der den Eindruck machte, als habe er ihn gar nicht gehört, konzentrierte dieser sich noch immer wie gebannt auf die sich krümmende Gestalt unter ihm.

„Officer New wird bald hier sein und sich um ihn kümmern.", redete er weiter auf ihn ein und rückte vorsichtig an P'Sing heran, als wüsste er selbst nicht recht was ihn erwarten würde, sollte er eine falsche Bewegung machen.

Schließlich legte Arm ihm eine Hand auf die Schulter, was P'Sing wieder zur Besinnung zu bringen schien.

„Lass ihn los. Der läuft nirgendwo mehr hin." Ruckartig ließ dieser schließlich von dem Fremden ab, straffte sich und steuerte daraufhin auf die Bar zu. Ohne Umschweife griff er sich das nahezu volle Glas von Leo und leerte es in einem Zug, bevor er es mit einem lauten, ungehaltenen Grollen zu Boden warf, wo es zerschellte.

Dann schnappte er sich die Flasche Bourbon und zog geradewegs aus dem Raum, wer weiß wohin, das Krist sich in Bewegung setzen wollte, um ihm zu folgen.

Arm hielt ihn davon ab.

„Lass ihn erst einmal allein.", wies er ihn an und so sehr es Krist auch wiederstrebte, ihn in so einem aufgebrachten Zustand, nach so einer Sache, allein zu lassen, war ihm klar, das Arm P'Sing besser kannte und wissen musste, wovon er sprach.

Also nickte er nur und zog sich selbst für einen Moment zurück, indem er nach draußen zum Wagen ging.

Wildfire start with a kiss (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt